Laudatio an Erwin Hellmann
07.10.21
Laudatio
anläßlich der Verleihung des "Apollonia-Hirscher- Preises" des Jahres 2019
an Herrn Erwin Hellmann
Erwin Hellmann wurde im Jahre 1935 geboren und das erste, was das heranwachsende Kind wohl über die große Welt lernte, war, dass Krieg war. Und was weiterhin zu lernen war, betraf die Tatsache, dass die Welt gespalten war in eine private, innere, und dass draußen sich alles im Umbruch befand: Enteignungen, Deportationen und dass es eine Schande war Deutscher oder Eigentümer eines Besitzes zu sein.
Die Deportation betraf die Familie Hellmann besonders hart, denn die Eltern wurden deportiert und die beiden Geschwister wurden von ihrer Großmutter erhalten zum großen Teil durch ihrer Hände Arbeit und das fast vier Jahre lang.
Wie alle Siebenbürger Deutschen lebte und wuchs er heran in einer äußeren Welt der Einschränkungen, Bedrückungen und Einschüchterungen, hatte aber das Glück, dass er noch vor den schweren Jahren vor und nach dem Schwarze-Kirche-Prozess in Kronstadt studieren und ein Ingenieurdiplom erwerben konnte.
Durch die Heirat mit Christa Gräf und Freunde der Familien vertieften sich seine Beziehungen zu Kronstadt. So kam er in Berührung mit Menschen, die der Kirche nahestanden und die ihm nahelegten doch in der Gemeindevertretung der Honterusgemeinde mitzumachen. Es mag sie seine dynamische, den Menschen zugewandte Art angesprochen haben, die sich dann in den folgenden Jahren in kirchlichen Ehrenämtern zuerst in der Gemeindevertretung, dann als Presbyter und langjähriger Kurator der Honterusgemeinde bewährte. Er genoß das Vertrauen des charismatischen Stadtpfarrers Matthias Pelger, dem er als zupackender Manager der weltlichen Aufgaben, wie da wären: Rückgabe enteigneten Kirchenbesitzes, schwierige Verhandlungen mit potentiellen Mietern u.ä. zur Seite stand und der die Größe hatte, ihm freie Hand zu lassen. In schwierigen Zeiten, als an ihn die Anfrage erging, ob er nicht auch das Kuratorenamt des Kirchenbezirks übernehmen würde, entzog er sich diesem und auch einem weiteren Ehrenamt als Vizepräsident des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche Rumäniens nicht und leistete wertvolle Aufbauarbeit als dieser immer weniger Kräfte zur Verfügung standen.
In den ersten Jahren nach der Wende, als in Städten mit größeren Anteilen an Deutschen zur Stabilisierung der schwindenden deutschen Minderheit Altenheime gebaut werden sollten, setzte er sich mit Nachdruck für Kronstadt ein und hatte den Erfolg, dass Kronstadt auf die Liste der von Deutschland geplanten Altenheime kam, dass ein Projekt erarbeitete wurde und die Gelder auch jahrelang bereitstanden. Dass es dann doch nicht zum Bau kam, hing an der zögerlichen Haltung des deutschen Projektträgers, der vor der Haftung für ein drittes Projekt dieser Art nach Temeschwar und Hermannstadt zurück schreckte. Er konnte als Trostpflaster allerdings ein Pflegeheim im Blumenauer Pfarrhaus einrichten, das mehrere Jahre bestand, von Deutschland aus finanziert wurde und vielen bedürftigen Senioren eine würdige Heimstätte bot.
Als sich dann zeigte, dass das Pflegeheim nicht genügte, veranlaßte Erwin Hellmann die Verschlankung des ursprünglichen Projektes und betrieb als Bezirkskirchenkurator zusammen mit der Honterusgemeinde und dem Deutschen Forum den Um- und Aufbau des gewesenen Altfrauenheimes als passendes Altenheim für Kronstädter und Burzenländer, sammelte im Verein mit den genannten Partnern die Mittel für den Umbau und die Ausstattung und konnte endlich sein wohl größtes Projekt beenden.
Die aufgezählten Leistungen wären allerdings nicht alles, was es zu bemerken gilt. Die Persönlichkeit von Erwin Hellmann hat weitere Dimensionen.
Beginnend mit dem Jahre 1990 hat er eine fruchtbare Tätigkeit als Laienlektor in evangelischen Kirchen entfaltet; zuerst in der Martinsberger Kirche, dann auch in Tartlau, Marienburg und Nußbach oder wo immer Vakanzen eintraten, die langen Wege und oft kalten Kirchen nicht gescheut und die Gläubigen damit erfreut und aufgerichtet.
In den Jahren 1998-2005 hat er im Auftrag der Deutschen Kriegsgräberfürsorge zahlreiche Visitationen in vielen Ortschaften durchgeführt, Kontrollen aus Deutschland begleitet, als Übersetzer gedient, wo es nötig war, und hat, wo es nur ging, die Anfragen auf Hilfe honoriert.
Damit nicht genug, hat er als guter Kenner siebenbürgischer Geschichte und Kulturgeschichte immer wieder aus seinen reichen Kenntnissen Zeitungsbeiträge veröffentlicht und damit seine Kronstädter erfreut und informiert.
Ihm wurde für verdienstvolle Aufbauarbeit die Honterusmedaille des Siebenbürgischen Deutschen Forums verliehen und auch im Ausland blieb seine Tätigkeit nicht unbemerkt: er ist der Träger des Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland am Band.
Uns Kronstädtern sei an dieser Stelle gestattet neben seinen beachtlichen Leistungen etwas Seltenes und uns besonders Kostbares zu bemerken: Seine unentwegte Treue zur Stadt seiner Geburt !
Dr. Dieter Simon
Bisherige Träger des Apollonia-Hirscher-Preises
Gestiftet wurde der Apollonia-Hirscher-Preis von der Heimatgemeinschaft Kronstadt und der Heimatortsgemeinschaft Bartholomae in Deutschland, sowie dem Demokratischen Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt (DFDKK) um Kronstädtern eine Anerkennung zu bieten für ihren unermüdlichen Einsatz im Interesse der Gemeinschaft, der erwiesenen Nächstenliebe. In diesem Sinne wurde auch der Name des Preises zurückgehend auf Apollonia Hirscher, Gattin des Kronstädter Stadtrichters Lucas Hirscher, die 1547 gestorben ist und aus dem hinterlassenen Erbe ihres 1541 verstorbenen Gatten, sich als besondere Helferin für die Gemeinschaft eingesetzt hat. Einen Teil ihres großen Vermögens verwendete sie für gemeinnützige Zwecke, gründete 1545 für die städtische Armenverwaltung, gründete die Stiftung des Kaufhauses am Kronstädter Marktplatz wie die Historikerin Dr. Maja Philippi betonte die wesentlich der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt diente. „Eine kluge, verständige Frau, welche gerne Almosen geben und der Armut viel Gutes erzeiget“ ist in der Chronik zu lesen.
Verliehen wird der Preis an die auserwählte Person seit 21 Jahren wobei dem jeweiligen Preisträger das Diplom der Stifter, eine Plakette angefertigt von der Keramikerin Agnes Ferencz nach einem Entwurf von Roswitha Winkler, und eine Dotation überreicht werden. In einer Laudatio werden die Verdienste des Preisträgers hervorgehoben die jeweils von einer Kronstädter Persönlichkeit verfaßt wird und im Rahmen einer öffentlichen festlichen Veranstaltung vor den Anwesenden präsentiert wird. Die Preisverleihung findet in dem darauffolgenden Jahr statt, für den dieser verliehen wurde. Bisher wurde der Apollonia-Hirscher-Preis zum 21.mal verliehen. Bisherige Preisträger sind folgende (mit Angabe des Anerkennungsjahres):
1. Christa Hellmann (1998)
2. Era Nussbächer (1999)
3. Ernst Fleps (2000)
4. Eckart Schlandt (2001)
5. Hannelore Schuller (2002)
6. Ada Teutsch (2003)
7. Krista Sudrigian (2005)
8. Astrid Hermel (2006)
9. Gernot Nussbächer (2007)
10.Sara und Eugen Bruss (2008)
11.Edith Bauer (2009)
12.Helene Becker (2010)
13.Gundel Einschenk (2011)
14.Hannelore Roth (2012)
15.Gerhard Rudolf (2013)
16.Dieter Drotleff (2015)
17.Dieter Simon (2016)
18.Werner Lehni (2017)
19.Ingeborg Filipescu (2018)
20.Erwin Hellmann (2019)
21.Ortwin Hellmann (2020)
Für die Jahre 2004 und 2014 wurde der Preis nicht verliehen. Die Laudationes können auf der Internetseite des DFDKK nachgelesen werden. Seit 2011 hat die Preisverleihung das Kronstädter Ortsforum übernommen.
Dieter Drotleff
Zum traditionellen gemeinsamen Foto stellten sich bisherige anwesende Träger des Apollonia—Hirscher-Preises (v.l.n.r.): Erwin Hellmann, Dieter Simon, Gundel Einschenk, Dieter Drotleff, Werner Lehni, Eckart Schlandt, Ortwin Hellmann, Ingeborg Filipescu, Gerhard Rudolf. Foto: Olivia Grigoriu
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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