Lili Marleen und die Honigberger Sachsen
25.08.11
Aus den Erinnerungen des Kronstädter Rechtsanwalts Titus Spânu
„Golani de lux“ (auf Deutsch etwa „Luxus-Strolche“) heißt das Memoirenbuch des Kronstädter Rechtsanwalts Titus Spânu, dessen zweite, erweiterte Auflage kürzlich erschienen ist. Es handelt sich um unterhaltsamen Lesestoff, um locker erzählte Szenen aus dem Leben des Verfassers, in dem schöne Frauen immer eine wichtige Rolle gespielt haben. Unter anderem bietet Spânu (Jahrgang 1935) auch aufschlussreiche Einblicke hinter die Kulissen des rumänischen Gerichtswesens. Im letzten Kapitel des Buches berichtet der Autor über die Beziehungen zu seinen wichtigsten Freunden, etwa die Unternehmer Marcel Butuza und Ion Tiriac, die Rechtsanwälte Silviu Jecu und Michael Miess oder den Frauenarzt Dan Gogonea.
Im Folgenden veröffentlichen wir eine kurze Kostprobe aus Titus Spânus Erinnerungen.
Vor dem gleichen (Kronstädter) Militärgericht erschienen etwa zur gleichen Zeit (der Epoche Gheorghe Gheorghiu-Dej) zwei andere Angeklagte.
Die Anklageschrift ist eines der tragikomischsten „Werke“ der Staatsanwälte aus jener Zeit.
Den Vorfall erzählte mir der verstorbene namhafte Rechtsanwalt Alfonso Ivascu, der Vater des Schauspielers Ivascu.
In der Gemeinde Honigberg (Harman) sitzen an einem Tisch im Wirtshaus ein Jugendlicher, 19 Jahre alt, und ein 60-jähriger Mann, beide Siebenbürger Sachsen. Bei der zweiten Flasche Wein - die beiden sind bereits etwas beschwipst -, stimmt der Alte das berühmte Lied „Lili Marleen“ an, von dessen Text er nur ein paar Wörter singen kann. Der Junge, den Kopf auf die Tischplatte gestützt, kennt das Lied nicht, doch schlägt er, dem Alten zuliebe, mit den Handflächen den Takt auf den Tisch.
Jemand zeigt sie an, sie werden verhaftet und vor das Gericht gebracht.
Der Zeuge der Anklage erzählt vor den Richtern, dass der alte Sachse das Lied „Lili Marleen“ gesungen hat, von dem er weiß, dass die deutschen Soldaten es während des Krieges sangen, denn auch er hat am Krieg teilgenommen und weiß, dass es ein hitleristisches Lied ist (der Staatsanwalt, der die Anklageschrift verfasst hatte, ist übrigens der gleichen Meinung).
Der gleiche Zeuge beschuldigte auch den 19-jährigen Jungen, der mit den Handflächen den Takt geschlagen hatte.
Die Gerichtsschreiberin, die die Zeugenaussage aufschreiben musste, fragt den Richter, wie sie die verbrecherische Tätigkeit des jungen Sachsen notieren soll; der Richter diktiert ihr, dass der Jugendliche „bum, bum“ gemacht hat.
Der Anwalt der Verteidigung, ein anderer Feigling, statt der Gerichtsinstanz klarzumachen, dass die Melodie nichts mit dem Hitlerismus zu tun hat und dass der junge Sachse keine Ahnung von der Bedeutung des Liedes hatte, beschränkte sich darauf, zu sagen, dass er diese hitleristischen Ausbrüche verabscheut, forderte am Schluss seines peinlichen Plädoyers aber trotzdem mildernde Umstände und versicherte, dass die Angeklagten niemals mehr eine derart abscheuliche Melodie singen würden.
Das Urteil war folgendes: Der Alte bekam acht Jahre Gefängnis, der Jugendliche fünf Jahre fürs Bumbum.
Wie gut, dass ich in jener Zeit nicht Rechtsanwalt war, denn mit meinem losen Maul wäre ich sicher am Kanal verreckt.
Jene Richter und ihre analphabetischen Beisitzer haben das Antlitz der Göttin der Gerechtigkeit verstümmelt.
(Aus dem Rumänischen übersetzt von Wolfgang Wittstock)
Lili Marleen
„Lili Marleen“ ist ein Lied, das, gesungen von Lale Andersen, zum ersten deutschen Millionenseller und internationalen klassischen Soldatenlied wurde. Den Text schrieb Hans Leip bereits 1915, bekannt wurde die 1937 entstandene Vertonung von Norbert Schultze. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Electrola-Aufnahme des Liedes allabendlich vor den 22-Uhr-Nachrichten vom deutschen Besatzungssender Belgrad ausgestrahlt, dessen Sendeleistung so hoch war, dass er alle Frontabschnitte in Europa und Nordafrika zwischen Narvik und Kairo erreichte. Ab 1943 sang Marlene Dietrich eine englischsprachige Version vor amerikanischen Soldaten und machte damit „Lili Marleen“ auch bei den Truppen der Alliierten richtig populär. Das Lied mit dem sentimentalen Text über Abschied, Befehlszwang und Heimweh traf die innere Stimmung von Millionen Soldaten aller damals kämpfenden Armeen auf beiden Seiten der Fronten und wurde zu einem weltweiten kulturellen Leitmotiv des Zweiten Weltkriegs.
(nach http://de.wikipedia.org)
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