Loyalität gegenüber Monarchie und Vaterland
03.02.11
Die Beziehungen zwischen den Königen von Hohenzollern-Sigmaringen und den Deutschen Rumäniens/ Von Michael Kroner
Zum 140. Jahrestag der Thronbesteigung des rumänischen Königs Karl I. im Jahre 1866 und der Gründung der Dynastie der Hohenzollern-Sigmaringen Rumänien fand im November 2006 in Heidelberg ein Symposion statt, das vom Seminar für Ostdeutsche Geschichte und dem Siebenbürgen-Institut an der Universität Heidelberg in Kooperation mit dem Deutschen Kulturforum Östliches Europa Potsdam und dem Institut für Südosteuropäische Studien der Rumänischen Akademie der Wissenschaften Bukarest organisiert wurde.
Die Referate der Tagung erschienen 2010 in dem Band „Die Hohenzollern in Rumänien 1866-1947. Eine monarchische Herrschaftsordnung im europäischen Kontext“, herausgegeben von Edda Binder-Iijima, Heinz Dietrich Löwe und Gerald Volkmer im Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien als Band 41 der Reihe „Studia Transylvanica“ des Arbeitskreises für siebenbürgische Landeskunde.
Wir übernehmen aus dem Band das Referat von Dr. Michael Kroner „Loyalitätsfaktor deutsche Dynastie? Zur Akzeptanz des rumänischen Staates durch die deutsche Minderheit“ und veröffentlichen es in mehreren Fortsetzungen. Es befasst sich mit der Loyalität der Deutschen Rumäniens gegenüber ihrem Vaterland und den Beziehungen zu dessen Königen.(KR)
Karl I. (1866-1914)
Am Ende des Ersten Weltkrieges lebten in Altrumänien rund 29.000 Deutsche, und zwar etwa 17.000 in verschiedenen städtischen Kolonien, sowie rund 12.000 in bäuerlichen Siedlungen der Dobrudscha. Die deutschen Kolonien besaßen, dort wo sie stark genug waren, eigene Kirchen, Schulen und Vereine und entfalteten eigenes deutsches Kirchen- und Kulturleben. In Bukarest gab es je eine evangelische und eine katholische deutsche Elementar-, Handels- und Realschule sowie ein Gymnasium. Diese Schulen erfreuten sich eines solchen Rufes, dass sie von vielen rumänischen und jüdischen Schülern besucht wurden. In der Zeit von 1845 bis 1918 sind in den rumänischen Fürstentümern bzw. Rumänien 80 deutschsprachige Zeitungen erschienen, darunter seit 1880 das „Bukarester Tageblatt“. Die Deutschen feierten ihre Feste, trafen sich zu Veranstaltungen, pflegten das Zusammengehörigkeitsgefühl, nahmen aber auch am rumänischen öffentlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Geschehen teil und besaßen in einigen Wirtschaftszweigen eine bedeutende Stellung1.
Man könnte nun annehmen, dass die deutschen Kolonien bei dem aus Deutschland stammenden Fürsten (nach 1881 König) Karl I. von Hohenzollern-Sigmaringem eine Stütze und einen Förderer hatten. Dem ist allerdings nicht so. Auch wenn der König das beabsichtigt und gewollt hätte, konnte er sich das im frankophilen Rumänien nicht leisten, denn der Ruch, einer fremden Dynastie anzugehören, belastete seine Herrschaft. König Karl hat daher keine offiziellen Beziehungen zu den Vereinen und Einrichtungen der deutschen Kolonien aufgenommen, ebenso seine Nachfolger – die Hohenzollern Rumäniens haben kein Patronat über ihre Staatsbürger deutscher Nationalität übernommen. Karls Verbindungen haben sich meistens auf den monatlichen Besuch der katholischen Sonntagsmesse in der Kapelle des erzbischöflichen Palastes sowie, nach 1905, auf Begegnungen und Gespräche mit dem katholischen Erzbischof von Bukarest, dem deutschen Raymund Netzhammer, beschränkt sowie auf Kontakte mit deutschen Unternehmern, Ärzten, Künstlern u. a. Bloß die Prinzessin bzw. Königin Elisabeth, hat sich etwas freier bewegt, vor allem die evangelisch-deutsche Kirche in Bukarest unterstützt. Hier besaß sie eine Loge, und sie gehörte zu den treuesten und andächtigsten Kirchenbesucherinnen. Sie nahm auch an kirchlichen Veranstaltungen teil. 1903 und 1912 wurde die Innenausstattung der Kirche nach ihren Vorschlägen und mit ihrer Unterstützung neu eingerichtet. Sie ist auch Einladungen der deutschen Kolonie gefolgt. Im Jahr 1877 berichtete sie beispielsweise ihrem im Krieg gegen die Türken in Bulgarien befindlichen Gemahl, sie habe am Gartenfest der deutschen Kolonie teilgenommen, bei dem der Männer- und Frauenchor die bekannten deutschen Lieder gesungen habe, der Garten sei reizend geschmückt gewesen, voll mit kleinen Tischen mit weißen Tischtüchern – alles war so urdeutsch. Sie habe sich in eine andere Welt versetzt geglaubt, es sei sehr gemütlich gewesen.
Auf die Siebenbürger Sachsen dürfte der rumänische Monarch Karl I. indirekt durch die „Siebenbürgische Frage“ aufmerksam geworden sein. Diese ergab sich daraus, dass Ungarn gegenüber Rumänen und Sachsen, die die absolute Mehrheit der Bevölkerung Siebenbürgens bildeten, eine forcierte Magyarisierungspolitik führte, was bei diesen nicht nur nationale Abwehrbewegungen hervorrief sondern unter den Rumänen eine nicht zu übersehende Irredenta heraufbeschwor, die in Altrumänien Unterstützung fand. Karl I. bemühte sich sowohl in Budapest als auch in Wien, vor allem nach dem Abschluss des Bündnisvertrages von 1883 mit Österreich-Ungarn und Deutschland, die ungarische Regierung zum Einlenken in ihrer Nationalitätenpolitik zu bewegen. In Budapest zeigte man sich aber unnachgiebig. Im Jahre 1898 äußerte sich der König, das berüchtigte ungarische Ortsnamensgesetz kritisierend, gegenüber dem k. k. Gesandten in Bukarest, Alois Freiherr von Aehrenthal, auf die vor ihm liegende „Kronstädter Zeitung“ hinweisend, dass durch das Gesetz „nunmehr auch die Sachsen, die bisherigen Stützen des ungarischen Staates, sich verletzt und enttäuscht zurückgezogen. Wenn ein solches von den ruhigen Deutschen als unausweichlich angesehen werde, dann könne man sich leicht von der Rückwirkung auf die weit empfindlicheren Rumänen eine entsprechende Vorstellung machen.“ Der Hinweis bezeugt, dass der König auch über die sächsische Nationalbewegung informiert war.
Wegen der gespannten „Siebenbürgischen Frage“ hat Karl I. nie Siebenbürgen besucht, das Herrscherpaar ist aber öfter mit dem Zug durchgefahren. Dabei wurde es auf Bahnhöfen begrüßt. Im Jahr 1873 kam es zu einem Zwischenstopp in Kronstadt, da die Bahnverbindung nach Rumänien noch nicht bestand. Der Zug wurde schon in Marienburg nach einem kurzen Empfang mit Girlanden geschmückt. Auf dem Kronstädter Bahnhof wurde dem Königspaar ein glänzender Empfang bereitet. Zum Empfang war die ganze Stadt erschienen – Sachsen, Rumänen, Szekler, Ungarn. Beim Ausstieg aus dem Wagen begrüßte der Bürgermeister die Majestäten. Es folgten ein Empfang mit Essen und anschließend eine Rundfahrt durch die Stadt bis zum Rathaus. Auf der Weiterfahrt mit der Kutsche bis an die rumänische Grenze wurde das Königspaar in den „Sieben Dörfern“ vom Straßenrand von der Bevölkerung winkend bejubelt sowie von einer Reitereskorte in rumänischer Tracht und mit rumänischen Fahnen begleitet.
Solche Kundgebungen missfielen natürlich den ungarischen Behörden und sie passten auch nicht in das Konzept von Karl I., der sich von irredentistischen Manifestationen distanzierte. Als er 1883 - mittlerweile war die Eisenbahnlinie zwischen Siebenbürgen und Rumänien gebaut worden - nach einem Besuch in Berlin und Wien auf seiner Heimfahrt in Kronstadt einen Zwischenhalt einlegen wollte, wo gerade eine Versammlung des siebenbürgisch-rumänischen Kulturvereins „ASTRA“ stattfand, an dem auch viele Rumänen von jenseits der Karpaten teilnahmen und eine größere Anzahl ihn zu begrüßen beabsichtigte, eilte der ungarische Obergespan des Kronstädter Komitats, Graf Gábor Bethlen, zum Zug und bat den rumänischen Monarchen, sich nicht am Fenster zu zeigen. Da der König der Bitte folgte, kam es nicht zu der vorbereiteten Kundgebung.
Foto: Das erste rumänische Königspaar auf einer Postkarte aus dem Jahr 1906.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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