Loyalität gegenüber Monarchie und Vaterland
17.02.11
Die Beziehungen zwischen Ferdinand I. von Hohenzollern-Sigmaringen (1914 – 1927) und den Deutschen Rumäniens (II)/ Von Michael Kroner
Überall also schöne Reden. Sobald aber die Frage angeschnitten wurde, die das eigentliche Anliegen der Sachsen war, nämlich bindende Abmachungen über die Durchführung der Karlsburger Beschlüsse, wurden sie auf später vertröstet.
Die Banater Schwaben warteten noch ab, da das Banat besetzt war. Die Friedenskonferenz von Trianon beschloss, das Banat zwischen Rumänien und Serbien aufzuteilen. Das bewog die banatschwäbischen Vertreter für den 10. August 1919 eine Großversammlung nach Temeswar einzuberufen. Eine ihrer wichtigsten Forderungen lautete – Unzertrennbarkeit des Banats und dessen Anschluss an Rumänien. Die Resolution sprach ferner die Hoffnung aus, dass im zukünftigen Staat die Schwaben ihren Volkscharakter und ihre Muttersprache auf politischem, kulturellem, wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Gebiet frei und ungehemmt benützen könnten, um dadurch ihre nationale Zukunft zu sichern.
Bereits 1919 nahmen die Vertreter der deutschen Volksgruppen Rumäniens untereinander die Verbindung auf und gründeten den „Verband der Deutschen in Großrumänien“, der sich im selben Jahr auch an den Parlamentswahlen beteiligte. Vorsitzender des Verbandes war bis 1931 Rudolf Brandsch, danach Kaspar Muth (bis 1935), während die so genannte „Deutsche Partei“ im Parlament Hans Otto Roth führte. Die Deutschen Rumäniens erwiesen sich zum Unterschied von einigen anderen nationalen Minderheiten, vor allem den Magyaren, als loyale Staatsbürger, verbanden die Loyalität aber mit der Forderung, sich zum deutschen Volkstum zu bekennen, als „deutsche Nation“ sich frei entfalten zu können und als solche anerkannt zu werden. Sie rechneten dabei mit der Unterstützung des Königshofes. In einer programmatischen Rede legte Roth im Frühjahr 1923 die Ansicht über das Verhältnis der deutschen nationalen Minderheit zum Staat dar. Indem er die Karlsburger Beschlüsse zitierte, forderte er die Regierung auf, die deutsche Minderheit als „eine besondere Volksgemeinschaft mit bestimmten Kollektivrechten“ anzuerkennen. Er betonte zugleich, dass die deutsche Volksgemeinschaft keine territoriale Autonomie verlange und stets loyal zu Rumänien stehen werde.
Der König seinerseits war den Deutschen Rumäniens gegenüber aufgeschlossen und gut gesinnt, er musste sich weniger zurückhalten als sein Onkel, da die deutsche Minderheit in den angeschlossenen Gebieten eine nicht zu übersehende Stellung innehatte und sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat vertreten war. Ferdinand hat dem Rechnung getragen und die politischen als auch die kirchlichen Vertreter der deutschen Minderheiten zu Audienzen und Aussprachen empfangen. Er und die Königin sowie der Thronfolger Karl haben öfter die von nationalen Minderheiten bewohnten Gebiete besucht und sie sind stets herzlich empfangen worden. Die Antrittsbesuche machte das Königspaar in Siebenbürgen vom 22. Mai bis 1. Juni 1919, in der Bukowina vom 16. – 19. Mai 1920, in Bessarabien vom 20 bis 25. Mai 1920 und im Banat im November 1923. Wenn Ferdinand die siebenbürgischen und Banater Ortschaften besichtigte, machte es ihm sichtlich Freude, sich mit Sachsen und Schwaben in deutscher Sprache zu unterhalten Und deutsch sprach er auch mit seinen deutschen Hausangestellten. Sein Besuch im siebenbürgischen Tartlau ist sogar in die Anekdote eingegangen.
Die Anekdote erzählt folgende Begebenheit: Als Ferdinand I. die Kirchenburg von Tartlau besuchte, erzählte der Rektor der Schule, dass sich in den Speicherkammern an der Ringmauer der Weizen gut halte. Da fragte der König, ob in den Kammern nur Getreide gelagert werde, ob sie nicht auch Mais hätten? „Nein, Herr König“, antwortete der Rektor, „Mais haben wir nicht, aber Ratten.“ Er glaubte nämlich, der hohe Gast habe nach Mäusen (sie nennt man siebenbürgisch-sächsisch „Mais“) gefragt, denn den Mais nannten die Sachsen „Kukurutz“.
Anlässlich seines 60. Geburtstages erhielt Ferdinand aus zahlreichen deutschen Gemeinden des Banats Gratulationen, was ihn bewog, außer Temeswar auch einige Gemeinden zu besuchen. In Billed besichtigte er das Gemeindehaus und ließ sich die Urkunde über die ersten schwäbischen Einwanderer vorlegen. Durch seinen Besuch erwarb er sich, wie ein Zeitgenosse vermerkt, die Herzen der Banater Schwaben.
Am 21. März 1921 waren die römisch-katholischen Bischöfe Gustav Karl Graf Majlath aus Siebenbürgen und Gyula (Julius) Glattfelder aus dem Banat sowie der evangelische Bischof Friedrich Teutsch nach Bukarest eingeladen worden, wo sie im Thronsaal des königlichen Palastes in die Hand Ferdinands den Huldigungseid ablegten, Glattfelder allerdings widerwillig, da er sich seinen ungarischen Bindungen verpflichtet fühlte. Wegen dieser Haltung wurde er abgesetzt und des Landes verwiesen. An seine Stelle wurde der Banater Schwabe Augustin Pacha ernannt. Als Pacha 1927 zum Bischof geweiht wurde, erklärte er in seiner Predigt: Wir gehören nicht nur dem himmlischen Reich an sondern auch einem irdischen Vaterland. Und dann fuhr er fort: „Dieses Vaterland lieben wir ebenso, arbeiten und beten für es, besonders für den König Ferdinand und die Königin Maria, und alle, die ihrem Herzen nahe stehen.“
Eine besondere Schutzfunktion über die Deutschen Rumäniens hat der König aber nicht übernommen. Nichtsdestotrotz sahen sie in ihm den Garant für die Umsetzung der Erklärung von Karlsburg. Sie betonten in allen programmatischen Schriften, dass auf diesen Zusagen ihre Loyalität beruhe. Ferdinand wollte nicht wegen seiner deutschen Herkunft beargwöhnt werden. Es wurde ihm zum Beispiel verübelt, dass er sich bei der Volkszählung von 1927 bei der Frage nach der Nationalität als Deutscher ausgegeben hatte.
Die nationalen Minderheiten sahen sich bald in ihren Erwartungen getäuscht, da die Karlsburger Beschlüsse sowie die Bestimmungen des Minderheitenschutzvertrages, den Rumänien als Bestandteil des Friedensvertrages unterschrieben hatte, nicht in Gesetzen und in der Verfassung von 1923 verankert wurden. Die Verheißungen von Karlsburg wurden einfach in den Wind geschlagen und als eine „in der Aufwallung jener Tage erfolgte schöne Geste bezeichnet“, wie der Kronstädter Bürgermeister Ernst Schnell, ein Zeitgenosse der Ereignisse, in seinen Erinnerungen vermerkt. Der König habe es allerdings mit der Erklärung ehrlich gemeint.
Ohne auf die Minderheitenpolitik Rumäniens der Zwischenkriegszeit einzugehen, sei bloß darauf hingewiesen, dass die Vertreter der Rumäniendeutschen sich insbesondere beklagten über die zu ihrem Nachteil durchgeführte Durchführung der Agrarreform, über die Schulpolitik, vor allem die mangelnde finanzielle Unterstützung der konfessionellen Schulen durch den Staat, über die zentralistische Verwaltung und mangelnde Lokalautonomie sowie die Verdrängung von deutschen Angehörigen aus dem öffentlichen Dienst mittels Sprachprüfungen und durch sonstige Maßnahmen. Zudem wurde den nationalen Minderheiten ethnische Gruppenrechte und ein Minderheitenschutzgesetz verwehrt. Bei aller Kritik an der rumänischen Minderheitenpolitik verhielten sich die Deutschen ihrem Vaterland gegenüber dennoch loyal, sie haben nie vor dem Völkerbund in Genf Klage geführt und distanzierten sich kategorisch von revisionistischen Forderungen Ungarns. Das sicherlich auch angesichts der Tatsache, dass sich die Rumäniendeutschen gegenüber den ethnischen Minderheiten Ost- und Südeuropas besserer rechtlicher Rahmenbedingungen und Entfaltungsmöglichkeiten erfreuten. Sie konnten ihre Kultur und Muttersprache, wenn auch eingeschränkt, pflegen, besaßen vor allem gute Schulen und in der evangelischen und katholischen Kirche Stützen, die es ihnen ermöglichte ihre ethnische Eigenart zu wahren.
Die Zuneigung der nicht gerade deutschfreundlich geschätzten Königin Maria haben sich die Kronstädter durch ein großzügiges Geschenk erworben. Der bereits zitierte Bürgermeister Schnell schreibt in seinem Memoiren, ein „hochstehender rumänischer General“ habe ihm geraten, die im Besitz der Stadt Kronstadt befindliche Törzburg im Dorfe Bran der Königin zu schenken. Er würde dadurch nicht nur „eine gute Stadtpolitik sondern gleichzeitig auch eine gute sächsische Politik machen.“ Der Bürgermeister legte daraufhin den Vorschlag dem Burzenländer sächsischen Kreisausschuss zur Entscheidung vor. Da dieser einstimmig und am 1. Dezember 1920 auch der Magistrat von Kronstadt die Schenkung akzeptierten, ging das Schloss in den Besitz der Königin über. In dem Beschluss des Magistrats hieß es, dass die Schenkung „zum Zeichen der tiefsten Ehrfurcht und der unwandelbaren königstreuen Gesinnung“ und als „ein Ausdruck der herzlichsten Verehrung“, die die Stadt für die „große Königin“ empfinde, erfolge.
(Fortsetzung folgt)
Die rumänische königliche Familie auf einer Postkarte von 1913.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
13.06.25
Die Konferenzreihe ArhiDebate in Kronstadt
[mehr...]
13.06.25
Kronstädter Musikerinnen (XIII): Klavierlehrerin Adele Honigberger (1887-1970)
[mehr...]