24.03.11

Der Goldene Hirsch wurde geopfert

Das internationale Musikfestival „Der Goldene Hirsch“ findet auch 2011 nicht statt. Der Veranstalter, die rumänische staatliche Fernsehgesellschaft TVR, begründet diesen Verzicht mit der Geldknappheit im eigenen Budget. Der Kronstädter Bürgermeister George Scripcaru würde gern als Retter dieses Festivals auftreten. Denn für Kronstadt/Brasov gilt der Goldene Hirsch inzwischen auch als Imageträger.

Das Kronstädter Schlagerfestival soll ja, nach manchen Meinungen, nach dem „Eurovision Song Contest“ das zweitgrößte derartige Festival in Europa sein.  Die Veranstalter können auf internationale Größen wie Tom Jones, Ray Charles, Kenny Rogers, Ricky Martin, Diana Ross, Kylie Minogue hinweisen, die alle nach der Wende auf der Freilichtbühne am Kronstädter Marktplatz aufgetreten sind -  selbstverständlich nicht im eigentlichen Festival sondern bei den anschließenden Gastkonzerten die bis gut nach Mitternacht dauerten und auch live im rumänischen öffentlichen Fernsehen übertragen wurden. Die eigentlichen Sieger der Haupttrophäe sind, das muss man auch zugeben, mit eins-zwei Ausnahmen, nicht zu internationalen Stars gewachsen. Dass dabei zumindest zwei große zukünftige Namen die Festivaljury nicht überzeugen konnten (Julio Iglesias in den Jahren des „sozialistischen Hirschen“, und Christina Aguilera nach der Wende) spricht eben von der Subjektivität die bei solchen Entscheidungen nicht vermieden werden kann. Die verschiedenen Konzepte bei der Festivalgestaltung (Musikgenre, Preise für Interpretation von Einzelsolisten aber auch  von Bands oder Vokalgruppen, und zeitweilig auch für Musik-Videoclips und Komposition), die Leistung der Teilnehmer und deren Bewertung, das Bühnenbild, der Auftritt der Moderatoren/innen (eine gute Figur machte dabei Ricky Dandel und auch sein Sohn Elvin) sorgten für tagelangen Gesprächsstoff. Das Festival war ein Highlight, das als solches in der Stadt wahrgenommen wurde. Die Festivalstimmung war nicht nur am Bildschirm oder am alten Marktplatz spürbar. Die Zahl der Touristen die nur für den Hirschen nach Kronstadt anreisten, hielt sich allerdings in Grenzen, aber als Sonderevent einer Rumänien- oder Siebenbürgenreise könnte sich das Festival doch gut anbieten.

Selbstverständlich gab es auch unerwünschte Nebeneffekte: der Marktplatz mit dem alten Rathaus wurde wochenlang zur Baustelle gerade in der Urlaubssaison; die Anrainer klagten über zu laute Musik und Verkehrssperren, die Lokale und Terrassen am Platz meldeten  Einbuße der Einkommen. Als Alternativ-Standort wurde die neue Tiriac-Arena bei der Sportschule unter der Zinne vorgeschlagen – eine Idee, die den Fernsehleuten nicht passte weil eben die historische Marktplatz-Kulisse mit Rathaus und die Nachbarschaft der Schwarzen Kirche einmalig sind. TVR drohte sogar, den Hirsch nach Bukarest oder ans Schwarze Meer, nach Mamaia „zu entführen“.

Nun wird es um den Goldenen Hirsch still werden. Aber gerade das ist Grund genug für Aufregung.Wenn die TVR-Leitung nicht im Stande ist, Sponsoren und Geld für den Hirsch zu finden, dann sollte sie die Festival-Austragungs- und Übertragungsrechte an die Stadt Kronstadt abtreten, fordert Bürgermeister Scripcaru. So wie 2001 der von den Sozialdemokraten eingesetzte Präfekt Otilian Neagoe den Hirsch wieder nach einer vierjähriger Pause nach Kronstadt brachte, so will nun Scripcaru denselben prestigeträchtigen Festivalhirsch „wiederbeleben“ nachdem er 2009 und 2010 von der musikalischen Szene verschwunden ist. Das würde Scripcaru auch in Hinsicht auf die Bürgermeisterwahlen 2012 nützen. Ansonsten werden ihm seine politischen Gegner mit Sicherheit vorwerfen, unter seinem zweiten Mandat sei der Hirsch für Kronstadt verloren gegangen.

Ralf Sudrigian