Michael I. (1940-1947)
05.05.11
Die Beziehungen zwischen den Königen von Hohenzollern-Sigmaringen und den Deutschen Rumäniens (I)/ von Michael Kroner
Die territoriale Verstümmelung Großrumäniens – die erzwungene Abtretung von Bessarabien, der Nordbukowina an die Sowjetunion und Nordsiebenbürgens an Ungarn - hat bekanntlich im September 1940 zum erzwungenen Thronverzicht von Karl II. geführt. Im Zusammenhang mit den Grenzrevisionen Rumäniens erfolgte auch die Umsiedlung - „Heim ins Reich“ - der Deutschen aus dem von der Sowjetunion annektierten Bessarabien und aus der Nordbukowina, außerdem auf Grund von Verträgen mit Rumänien auch aus der Südbukowina und der Dobrudscha. Dadurch waren die Deutschen Rumäniens bereits in das Fahrwasser des Dritten Reiches gelangt. Die „Deutsche Volksgruppe“ unter der Führung von Andreas Schmidt wurde in den Jahren 1940 bis 1944 zum Befehlsempfänger der „Volksdeutschen Mittelstelle“ Berlin, die dem Reichsführer SS Heinrich Himmler unterstand, der zugleich „Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums“ war. Den jungen Männern der Volksgruppenführung – Schmidt war 28 Jahre alt – fehlten politische Erfahrung und das notwendige Fingerspitzengefühl, um im Spannungsverhältnis zwischen deutscher Volkszugehörigkeit und rumänischer Staatsbürgerschaft an der Realität orientierte Entscheidungen zu treffen. Mahnende Stimmen der ausgeschalteten, alten „konservativen“ Vertreter, die nationalen Empfindlichkeiten der rumänischen politischen Führung und Öffentlichkeit nicht zu provozieren und zu bedenken, dass man als nationale Minderheit in einem fremdvölkischen Land lebe, wurden ignoriert. Als zum Beispiel die Volksgruppenführung auf Befehl Hitlers 1941/42 die waffenfähigen Volksdeutschen aufforderte, in der befreundeten rumänischen Armee zu dienen, sah sich Maniu zu einem Protestschreiben an Vizepremier und Außenminister Mihai Antonescu veranlasst. Maniu beanstandete die Tatsache, dass nach dieser Auffassung die Verpflichtung der Sachsen im rumänischen Heer zu dienen, nicht der Autorität des rumänischen Staates, des Königs und des Staatsführers entspringe sondern dem Führerbefehl Hitlers und dem ihm schuldenden Gehorsam.
Die Berlin unterstellte Volksgruppenpolitik führte zu einer gespaltenen Loyalität bei einem Teil der Deutschen rumänischer Staatsbürgerschaft. Es war demnach eingetreten, wovor Karl II. und andere rumänische Politiker, aber auch einsichtige rumäniendeutsche Vertreter gewarnt hatten und weiterhin warnten.
Der von der Volksdeutschen Mittelstelle Berlin ernannte Volksgruppenführer Andreas Schmidt richtete Anfang Oktober einen Aufruf an die Deutschen Rumäniens. Darin präzisierte er: „Die Einstellung der deutschen Volksgruppe zum rumänischen Staat wird durch die Tatsache bestimmt, dass sich Rumänien unter dem legionären Regime restlos in das von Deutschland geführte politische System eingegliedert hat. Diese Ausrichtung und Festigung des Landes liegt im gemeinsamen deutsch-rumänischen Interesse. Daher ist es Pflicht unserer Volksgruppe, die rumänische Staatsführung bei der Durchführung ihrer schwierigen Aufgabe mit allen Kräften zu unterstützen. Die deutsche Volksgruppe übernimmt in vollem Bewusstsein ihrer gesamtdeutschen Verantwortung die selbstverständliche Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber dem Staate.“ Beriefen sich die Treubekenntnisse bisher auf die traditionelle Doppelloyalität der Sachsen und auf die Versprechungen von 1918, so ergab sich bei der neuen Volksgruppenführung die Treue gegenüber dem rumänischen Staat aus der Angleichung des legionären Antonescu-Regimes an jenes von Nazi-Deutschland.
Volksgruppenführer Andreas Schmidt konnte 1940 mit dem von Deutschland auf Rumänien ausgeübten Druck mit Staatsführer Ion Antonescu ein Volksgruppenrecht aushandeln, das die deutsche Volksgruppe als „juridische Person des öffentlichen Rechts“ anerkannte und ihr auch andere Rechte gewährte, die ihr eine gewisse, schon immer geforderte völkische Autonomie zugestanden. Bei Repräsentanten der rumänischen Öffentlichkeit entstand daraufhin die Meinung, dass auf Grund dieser Rechte die deutsche Volksgruppe einen „Staat im Staate“ und eine im Dienst des Deutschen Reiches stehende fünfte Kolonne bilde. Diese Verdächtigungen wurden noch dadurch bestärkt, dass einige Hitzköpfe der Volksgruppenführung und Nazi-Funktionäre Deutschlands von einem „Donaustaat“ faselten, der das Banat und Siebenbürgen umfassen und unter das Protektorat Deutschlands gestellt werden sollte. Es kursierten sodann in rumänischen Kreisen Gerüchte, die in Uniformen paradierenden Männer- und Jugendformationen der deutschen Volksgruppe besäßen Waffen, um sie gegebenenfalls gegen Rumänen einzusetzen. Die nationalsozialistische Auffassung, man sei dem Mutterlande Deutschland gegenüber verpflichtet, führte dann dazu, dass militärpflichtige rumäniendeutsche Männer zur deutschen Wehrmacht überliefen und dass sie die Einreihung in die Waffen-SS auf Grund des deutsch-rumänischen Vertrages von 1943 nicht als Verletzung staatbürgerlicher Bindung ansahen.
Nun ist es so, dass vieles bedenklich war, was die nationalsozialistisch orientierte Deutsche Volksgruppe von sich gab, trotzdem war sie nicht so stark, um einen Einfluss auf die Innen- und Außenpolitik Rumäniens, auf dessen Bündnispolitik mit Hitler-Deutschland auszuüben sowie die Teilnahme am antisowjetischen Krieg an Seite der deutschen Wehrmacht zu bewirken. Die rumänische Staatsführung verfügte immer über genügend Autorität und hatte die Lage im Griff, um die deutsche Volksgruppenführung zu Raison zu rufen. In einem Interview von 1994 hat der damalige und heutige Ex-König Michael erklärt, die Deutschen Rumäniens hätten in besagten Jahren keine fünfte Kolonne gebildet und die wehrfähigen Männer seien in die deutsche Armee auf Druck Deutschlands und auf Grund eines Vertrages mit der rumänischen Staatsführung erfolgt. Ex-König Michael gesteht in dem Interview zugleich: „Antonescu wollte nicht, dass ich mit dem, was in Rumänien geschah, auf dem laufenden war.“ Tatsächlich regierte der Staatsführer diktatorisch und hielt den noch jungen König fern von politischen Entscheidungen. Es hat daher in dieser Zeit kaum Beziehungen zwischen dem König und der deutschen Minderheit gegeben, es sei denn, man betrachtet seine Besuche in Siebenbürgen und im Banat als solche. Er kaufte ein Schlossgut in S²vâr{in im Kreis Arad, um näher an dem Geschehen in diesem Gebiet zu sein. Der Königin-Mutter Elena bereiteten die Schäßburger einen herzlichen Empfang, als sie 1941 die Stadt und die dortige deutsche Lehrerinnenbildungsanstalt besuchte.
Die erste und zugleich letzte effektive politische Handlung von Michael I. war der Staatsstreich vom 23. August 1944, bei dem Staatsführer Antonescu abgesetzt und verhaftet, das Waffenbündnis mit Deutschland gekündigt und der Waffenstillstand mit den Alliierten akzeptiert wurde. Für die Deutschen Rumäniens setzten damit Verfolgungen, Diskriminierungen und Verhaftungen ein, sie wurden kollektiv als angebliche Kollaborateure Nazi-Deutschlands bestraft, ohne dass nach dem Maß individueller Schuld gefragt wurde, sowie für das Desaster verantwortlich gemacht, in das Rumänien als Verbündeter Deutschlands geraten war.
Als nach dem Frontwechsel Rumäniens die Volksgruppenführung geflüchtet oder untergetaucht war, bemühten sich die vorher von ihr kaltgestellten Politiker und Kirchenmänner Hans Otto Roth, Rudolf Brandsch, Hans Baltes, Franz Kräuter, Hans Ersch, die Bischöfe Viktor Glondys und Augustin Pacha, der Hermannstädter Stadtpfarrer bzw. Bischof Friedrich Müller u. a. die deutsche Bevölkerung zu beruhigen, um sich zu keinen unbesonnenen Handlungen hinreißen zu lassen. Die geflüchtete Volksgruppenführung rief nämlich im September 1944 zur allgemeinen Flucht auf und organisierte mit Einheiten der Wehrmacht die Evakuierung aus einigen Dörfern Südsiebenbürgens und im Banat. Dagegen erließ Roth im Namen der von ihm neu errichteten „Volksgemeinschaft“ am 31. August 1944 im „Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatt“ einen Aufruf an die Sachsen und Schwaben: „Kein Gerücht darf uns verwirren“, so die Aufforderung an seine Landsleute, „keine falsche Tragik wankend machen. Wir wollen leben und werden leben. Darum rufe ich Euch auf, Hof und Werkstatt nicht zu verlassen und in ruhiger Kraft dort zu verharren, wohin uns Gottes Wille gestellt hat. Wer unnötig türmt, verletzt das Erbe seiner Väter und die heilige Pflicht gegenüber seinen Kindern. Die Treue zum Staat war durch Jahrhunderte Grundlage unseres völkischen Lebens. Sie ist es auch heute. Darum stellen wir uns loyal auf den Boden der neugeschaffenen Ordnung.“
(Fortsetzung folgt)
Schloss Peles bei Sinaia, unter Karl I zwischen 1873-1883 erbaut.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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