„Miss Bukarest“ – „Miss Bucuresti”
23.07.09
Der Roman Richard Wagners in rumänischer Übertragung von Carmen Elisabeth Puchianu/ Von Delia Cotârlea
Neulich erschien die rumänische Fassung des 2001 im Aufbau-Verlag veröffentlichten Romans Richard Wagners „Miss Bukarest“. Ein etwas verzögerter Druck, zieht man in Betracht, dass der Roman „Habseligkeiten“ (2004, Aufbau-Verlag Berlin) 2006 in der Übersetzung Michael Astners im Polirom-Verlag, Jassy, veröffentlicht wurde. Für diese etwas verzögerte Herausgabe bietet die Übersetzerin im Vorwort der rumänischen Übertragung eine Erklärung: Zwar begann das Projekt 2002/2003 mit Studenten der Germanistikabteilung in Kronstadt, dieses wurde aber erst 2006/2007 unter der Leitung von Doz. Dr. Carmen E. Puchianu zu Ende geführt. Anderthalb Jahre dauerte der Weg vom Manuskript zur Publikation im rumänischen Rao-Verlag, die Veröffentlichung erfolgte in der Reihe Rao-Contemporan.
Somit ist Wagners „Miss Bukarest“ dem rumänischen Leserpublikum zugänglich: Verstrickte „Securitate“-Geschichten aus der ehemaligen Ceau{escu-Diktatur tauchen 1996 in Berlin auf und verfolgen die aus Rumänien emigrierten Gestalten in der verwickelten Handlung der Romans. Die Spitzelgeschichten bündeln sich um die schöne Erika Binder, deren Leiche die Bukarester Vergangenheit vor 1989 wachruft. „Eine Tote lebt mit ihrem Tode wieder auf. Sie löst Erinnerungen und Handlungen aus.“ (Herta Haupt-Cucuiu, Südostdeutsche Vierteljahresblätter 2/2003, S. 201). Der ehemalige Securitate-Offizier Dinu Matache, in Berlin als Privatdetektiv Dino Schullerus tätig, pflegte in Rumänien eine intime Beziehung mit Erika Binder, um Informationen über deren Liebhaber und Dissidenten Klaus Richartz zu ermitteln. Erika heiratate jedoch den westdeutschen Geschäftsmann Osthoff und wanderte in die BRD aus. Dem Dissidenten Richartz gelang ebenfalls das „Drüben-Bleiben“. So blieb dem Securitate-Agenten Dinu Matache nichts Anderes übrig, als seine Vorgesetzen über die Notwendigkeit seiner Auswanderung zu überzeugen – im Westen sollten Dissidenten ebenfalls bespitzelt und ausgehorcht werden. Sechs Jahre nach der Wende findet die Begegnung zwischen Ehemann und ehemaligem Liebhaber Erikas in Berlin statt, wobei die Gestalten durch die Situation gezwungen werden, sich nicht nur gegenseitig sondern auch mit sich selbst zu konfrontieren.
Der Roman Wagners beinhaltet alle notwendigen Elemente eines Kriminalromans: die Leiche der schönen „Miss Bukarest“, Aussiedlerschicksale, ehemalige Geheimdienstler, die Schatten der Ceau{escu-Diktatur. Die Geschichte erzählt der Securitate-Agent Dinu Matache, wobei der zweite und dritte Teil eine gefilterte Perspektive durch zwei weitere Erzähler bieten – die Gestalten des Dissidenten Richartz und des Sohnes Christian. Jörg Plath äußerte in der Frankfurter Rundschau, in Wagners Buch würden Spitzelstories, Liebe und vergangene Schuld eine komplizierte Melange zusammenstellen (Frankfurter Rundschau/16.02.2002) und Mischke sieht in Wagners Roman „ein Lehrstück über Menschlichkeit, also über Liebe und Verrat, Hoffnung und Enttäuschung, Glück und Tod.“ (FAZ/16. 11. 2001).
Kommen wir nun zur Übersetzung selbst. Wir meinen, Puchianus Übersetzung sei als eine „einbürgernde“ Übertragung aufzufassen. Wenn auch Stimmen in der Fachliteratur gegen die „einbürgernde“ und für die „verfremdende“ Übersetzung plädieren, so soll in unserem Kontext, die Entscheidung der Übersetzerin, den rumänischen Text so zu formulieren, als wäre er Original der Zielliteratur, als berechtigt betrachtet werden. Bekannt sind [tefan Augustin Doina{’ Kategorien der „treuen“ und „autonomen“ Übersetzungen. Puchianu bietet größtenteils eine eher einbürgernde, autonome Übersetzung, sie ist bemüht, sowohl Handlung als auch Gestalten in der rumänischen Sprache so natürlich wie möglich wirken zu lassen. Von Makro- bis Mikrostruktur wurden adäquate Übersetzungsvarianten getroffen. Mit Lexik, Syntax und Stilschicht geht die Übersetzerin treffsicher um – von Standard- und Umgangssprache bis zu vulgären Ausdrücken wurden die Stilvariationen berücksichtigt. Die etwas knappe Syntax im deutschen Original wird in der rumänischen Übersetzung nicht offenkundig, was wiederum auf die einbürgernde Methode Puchianus deuten lässt. Man sollte „Miss Bucure{ti“ sowohl ausgehend von der Transferorientiertheit einer Übersetzung betrachten, als auch als Text, der zwischen Sprachen, Literaturen und Kulturen vermittelt. In einschlägigem Kontext sind die von der Übersetzerin zusätzlich gebotenen Informationen bezüglich einiger deutschen Kulturspezifika, wie zum Beispiel KDW, CDU, BKA, Baden oder Fulda zu schätzen.
Kurzum, „Miss Bucure{ti“ ist ein Text, der an Hand von individuellen Schicksalen eine Perspektive der rumänischen Vergangenheit unter der Diktatur aufzeigen möchte, was eigentlich die Übersetzung für das rumänische Publikum umso interessanter machen müsste: eine Geschichte aus der rumänischen Vergangenheit, von einem vor 1989 aus Rumänien emigrierten Autoren auf Deutsch geschrieben, nun in der rumänischen Sprache heimisch!
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