Mit Musik leichter Kriegsgefangenschaft und Deportation überlebt
03.04.14
Hans Gagesch ist heute der letzte Sachse und älteste Instrumentalist der Burzenländer Blaskapelle
Klein und schmächtig, doch mit sehr lebhaften Augen ist Hans Gagesch meist in der letzten Reihe bei den Proben oder Konzerten der Burzenländer Blaskapelle an der kleinen Trommel zu sehen. Neben ihm betätigt das Schlagzeug sein bedeutend jüngerer Kollege Andrei Moroianu, der uns noch vor der Wende als Buchdrucker bei dem Umbruch unserer Wochenschrift treu zu Seite stand, wenn unser Meister der „Schwarzen Kunst“ Alexandru Szabo fehlte oder Urlaub machte. Als die Burzenländer Blaskapelle im März 1991 auf Initiative der Leitung des Demokratischen Forums der Deutschen im Kreis Kronstadt von Prof. Ernst Fleps ins Leben gerufen und von diesem mit Kompetenz und Hingabe bis zu seinem unerwarteten Tod 2009 dirigiert wurde, zählte sie 45 Instrumentalisten. Sie waren nicht dem Massenexodus nach der Wende gefolgt, wohnten in verschiedenen Burzenländer Ortschaften und fanden in der neugegründeten Kapelle zusammen.
Unter ihnen war auch Hans Gagesch aus Rosenau. Heute ist er das älteste Mitglied dieser Formation. Im Januar schenkte er seinen Kollegen anlässlich seines 94. Geburtstages aus. „Schade, dass wir nur noch so wenige Sachsen da sind. Als sich 1983 in Rosenau die junge mit der alten Blaskapelle vereinigten, zählte diese 52 Instrumentalisten und gehörte zu den größten Bläserformationen des Burzenlandes“, betont heute Hans Gagesch mit dem wir, anlässlich einer kürzlich stattgefundenen Probe der Burzenländer Blaskapelle im Festsaal des Kronstädter Kreis-Forums das Schirmherr und Träger der Formation seit deren Gründung ist, ein Gespräch über sein Leben und seiner Liebe zur Musik führten.
Geboren wurde Hans Gagesch am 3. Januar 1920 in Rosenau in einer Familie von Landwirten. Die Schule besuchte er im Heimatort und, wie es üblich war, blieb er am Hof wo er auch das Traktorenfahren 1938 erlernte.
Als 14-Jähriger lernte er Flügelhorn blasen und wirkte in der Rosenauer Kapelle bis 1940 mit als er zu der 3. Gebirgsjägereinheit der rumänischen Armee nach Predeal einberufen wurde. Auf der Front wurde er am Oberschenkel schwer verletzt, wobei er nur knapp einer Beinamputation entkam. 1942 geriet er im Kaukasus in Kriegsgefangenschaft und von da 1945 in den Donbas in die Deportation. Im Lager traf er auf einen Wolkendorfer Harmonikaspieler. Er fertigte sich ein Schlagzeug an und gemeinsam spielten sie an den Abenden auch zum Tanz auf. Bei Musik konnte man eben Schwierigkeiten und Heimweh auch ein wenig vergessen. Nach seiner 1948 erfolgten Heimkehr blies er Horn in der Rosenauer Blaskapelle. Er erinnert sich an die Dirigenten dieser Formation: Michael Thois, Hermann Liess, Hermann Sadlers, an Bläser, darunter auch unsere ehemaligen Rosenauer Redaktionskollegen Horst Boltres und Helmar Elsen. Beruflich arbeitete er als Traktorist und Mechaniker in der staatlichen SMT (Landwirtschaftliche Maschinen- und Traktorenstation) bis zu seinem Rentenantritt 1981, dem Jahr in dem auch seine Gattin verstarb. Seither lebt und bewirtschaftet er sich alleine in seinem Haus in der Neugasse von Rosenau. Zu Hilfe kommen jetzt dem „unchiu“ (Onkel) wenn es Not tut, auch seine rumänischen Nachbarn, wobei der Sohn oder die Tochter einer der Nachbarn Hans Gagesch mit dem Wagen auch zu den Proben der Kapelle nach Kronstadt und zurück fahren.
Der Burzenländer Blaskapelle trat er bei der Gründung bei und betätigte das Schlagzeug. Iosif Mich war der erste rumänische Instrumentalist (Trompete) der in die Formation aufgenommen wurde und auch heute da noch bei den Proben, bei jedem Auftritt oder Konzert mitwirkt. In schöner Erinnerung sind Hans Gagesch die Konzerte der Burzenländer Blaskapelle geblieben die in den meisten Großstädten des Landes geboten wurden, die Tourneen in Deutschland, Österreich und Dänemark, die Auftritte in der Botschaft Deutschlands in Bukarest. Gut in Erinnerung bleibt ihm auch die 1971 unternommene Ausfahrt der vereinten Blaskapellen von Rosenau und Neustadt nach Österreich, was damals großen Aufsehen erregte , unter anderem da auch alle Mitwirkenden heimkehrten.
Prof. Vasile Glavan, Mitglied im Orchester der Kronstädter Oper, hat 2009 die Leitung der Kapelle übernommen. Das Repertoire wird ständig ergänzt durch neue Stücke die einstudiert werden müssen. Gerade war eine Sendung an Notenmaterial aus Deutschland eingetroffen. Partituren für Stücke wie „Am Abend“ (Walzer), „Alte Kameraden“, „Gebirgs-Echo“ (Marsch), „Am Waldbach“ (Polka), „Wunderbare Klänge“ wurden an die Bläser verteilt um die Probe aufzunehmen. Die Vorbereitungen laufen nun verstärkt für den Kronstädter Bunten Abend, der, wie jedes Jahr, im Mai in der Weberbastei oder bei Schlechtwetter in der Aula der Honterusschule stattfindet. Hans Gagesch will an den weiteren Projekten der Burzenländer Blaskapelle mitmachen auch wenn ihm die Beine beim Gehen einige Schwierigkeiten bereiten. Doch seine Kollegen springen immer hilfreich ein. Somit wünschen wir ihm Gesundheit und weitere ungebrochene Freude an der Musik.
Dieter Drotleff
Foto 1: Seit fünf Jahren leitet Prof. Vasile Glavan die Burzenländer Blaskapelle. Gegenwärtig wird emsig für den Bunten Abend im Festsaal des Kronstädter Forums geprobt. Foto: der Verfasser
Foto 2: Bei Konzerten wird eine der festlichen Uniformen aus der Ausstattung der Bläserformation getragen. Hans Gagesch (im Vordergrund) schlägt dabei die kleine Trommel. Foto: Waldemar Stadler
Foto 3: Hans Gagesch (im Hintergrund) macht auch jetzt bei den Proben der Blaskapelle mit obwohl er sein 94. Lebensjahr überschritten hat. Foto: der Verfasser
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
20.06.25
Installation Reflections of East-West Perspectives in Kronstadt
[mehr...]
20.06.25
Kronstädter Musikerinnen (XIV): Pianistin und Klavierpädagogin Selma Erler-Honigberger (1888-1958)
[mehr...]