Mozart begegnet Kabarett Kaktus
19.04.24
Literarisch-musikalische Performance im Apolonia Kulturzentrum, Kronstadt
Am 5. April 2024 um 19:00 Uhr fand die literarisch-musikalische Performance Mozart begegnet Kabarett Kaktus im Kronstädter Apollonia-Kulturzentrum im Rahmen der XXVII. Internationalen Tagung Kronstädter Germanistik statt. Das Ensemble Kabarett Kaktus, bestehend aus dem Musikerehepaar Elena (Geige) und Paul (Klavier) Crsitian und der Schriftstellerin und Theatermacherin Carmen Elisabeth Puchianu bot dem Publikum eine besonders gelungene Kombination, in der die enge Verbindung von Musik, Künstlerbiografie und Literatur zur Geltung kommen konnte.
Das Programm bestand aus einer Textcollage aus Mozarts Briefen, vorgetragen von der Schauspielerin Carmen Elisabeth Puchianu in rumänischer Übersetzung, sowie aus noch unveröffentlichten Gedichten derselben, in deutscher Sprache rezitiert und in rumänischer Übertragung dank einer Powerpoint-Präsentation verfolgbar. Begleitet wurden die genannten Texte von vier Sonaten Mozarts: KV26, eine Sonate in zwei Sätzen (KV 302) von 1778, KV 379 und KV 454.
Die Aufführung begann mit dem performativen Lesen eines Fragmentes aus Thomas Manns Erzählung Das Wunderkind, während der Klavierspieler Paul Christian in die Rolle des Wunderkindes Mozart schlüpfte. Das Programm wurde durch weitere performative Elemente bereichert, beispielsweise durch intermittierende Bewegungen der Geigerin oder die Standbilder Puchianus. Außerdem wurden Auszüge aus den Briefen des Vaters vom 7. Februar 1764 und vom 15. November 1766 vorgelesen, gefolgt von der Sonate KV 26. Die Sequenz wurde von dem Gedicht Matinee der Dichterin Puchianu abgerundet. Die Sonate KV 302 wurde den Briefen an den Vater vom 17. Januar 1778 und 4. Februar 1779 vorangestellt, die Sonate KV 379 untermalte die Gedichte Stell-Dich-ein mit Mozart, Albumbilder und Ein Sonnet, wobei die beiden letzten von Choreographie begleitet wurden. Es folgten die Texte Im Bilderrahmen zwischen dem Satz 1 und 2 der Sonate KV 454 und Fingerübungen in Dur und Moll, zwischen dem Satz 2 und 3 der gleichen Sonate. Der Schluss gestaltete sich als Crescendo. Die Verse des Gedichtes Sonntags am Alten Friedhof „Am Alten Friedhof erfindet sich der Tod neu und spielt sonntags den Friedhofsführer“ verwiesen auf Abschied und Tod, im Anschluss las die Theatermacherin den Brief Mozarts an einen Unbekannten vor, und gleichzeitig waren einige Akkorde des Mozart-Requiems, Lacrimosa, zu hören.
Die Inszenierung der Begegnung von Kabarett Kaktus mit Mozart verläuft mehrgleisig. Mozart wird (re)produktiv rezipiert und durch eigene und fremde Texte (Thomas Mann, Carmen Elisabeth Puchianu) neu gedeutet. Ein dichtes Programm, das auch als Vexierspiel verstanden werden kann, denn es setzt auf synästhetische Effekte, spielt mit Wahrnehmungen, verbirgt und offenbart zugleich Botschaften. Die Rekontextualisierung von Mozarts Musik und Biografie wurde absichtlich vielschichtig gedacht, sodass Mehrdeutigkeiten und Assoziationen aus der Verquickung von Künstlerbiografien und deren Kunst sowie aus der Verknüpfung von Text und Musik entstehen. Die gesamte Inszenierung kann als ein Oxymoron aufgefasst werden, wie es in einem von Puchianu vorgetragenen Gedicht heißt, denn die Musik, der Raum, die Texte, die Schauspieler platzieren sich zugleich in die barocke Tradition, befinden sich aber auch in einer minimalistischen und zeitgenössischen Performance.
Solche Strategien kennt und erwartet man von der Schriftstellerin und Theatermacherin Carmen Elisabeth Puchianu, und ohne diese Vielschichtigkeit der Performance hätte sie das Publikum sicherlich enttäuscht. So bleibt es jedem selbst überlassen, seine Resonanzfrequenz zum Stück zu finden – sei es in der Musik, in der philosophischen Auseinandersetzung zu Grundfragen menschlicher Existenz hinsichtlich Liebe und Tod, in dem Interesse an Künstlerbiografien usw. Die Liste lässt sich fortsetzen.
Die Besonderheit und Intensität der Aufführung wurden am Ende mit lautem Applaus honoriert, worauf das Ensemble mit einer Zugabe reagierte. Ein starkes Programm, das universelle Gedanken und Fragen über Jahrhunderte hinweg verdichtet und zugleich metamorphisch perspektiviert.
Drd. Larisa Boeriu, Interdisziplinäre Doktorandenschule Transilvania-Universität
Dr. Delia Cotârlea
Foto: Das Ensemble Kabarett Kaktus v.n.l.r: Elena Cristian, Paul Cristian und Carmen Elisabeth Puchianu
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