Nicht für Nostalgiker gedacht
05.05.16
„Von der politischen Propaganda zum Baby Boom“- Ausstellung
Vier Monate – 25. März/25. Juli 2016 – kann eine zeitweilige Ausstellung im Geschichtsmuseum des Kronstädter Kreises im alten Rathaus besichtigt werden. Organisiert in Zusammenarbeit von der Gastgeberinstitution und dem Postmoderne-Museum Bukarest, bietet die Schau einen Rückblick auf die Jahre der kommunistischen Ära, in der auch die Kinder der damaligen Propaganda ausgesetzt wurden. Eröffnet wurde die Ausstellung in dem für zeitweilige derartigen Veranstaltungen gewidmeten Raum in der ersten Etage, musste dann aber nach drei Wochen einer anderen, ebenfalls zeitweiligen Ausstellung „Die Geheimnisse des antiken Ägypten“ weichen, für die es mehr Raum benötigte. Die Schau befindet sich ebenfalls in der ersten Etage, in einem anderen zur Verfügung gestellten Raum und kann bis zum 25. Juli noch besichtigt werden. Strukturiert ist die Ausstellung zur politischen Propaganda in drei Bereiche u.zw. Kunstdarstellungen, Grafik, Originalzeichnungen, dann Kinderbücher aus der Zeit und Videodarstellungen, wobei die von allen Kindern vom Bildschirm her bekannte „Mihaela“ zu sehen ist. Sie war das Symbol der jeden Abend zehn Minuten lang ausgestrahlten Kindersendung auf dem einzigen Programm der Rumänischen Fernsehgesellschaft. Darauf folgten die eine Stunde, oft auch länger dauernden Nachrichten in denen vor allem dem Diktator Nicolae Ceausescu gehuldigt und seine stundenlangen Ansprachen ausgestrahlt wurden. Ist man schon beim Fernsehen, kann nicht das alte Fernsehgerät übersehen werden, das laut damaliger „Mode“ von einem gestickten Deckchen abgedeckt war, auf dem ein Fisch aus Glas als Zierde stand. Auch werden damalige Zeichentrickfilme geboten, die besonderes in der kürzlich stattgefundenen „Woche anderes“ von zahlreichen Kindergruppen mit Interesse und auch Staunen besichtigt wurden. Natürlich fehlten nicht die Erklärungen der Begleitlehrer, die natürlich den Kleinen nicht beigebracht haben, dass es damals Pflicht für Familien war, vier Kinder zu haben um die demographische Entwicklung des Landes zu fördern.
„Mihaela“ kann man auch in zwei Büchern der achtziger Jahre sehen, die den Besuchern zur Verfügung stehen. Aber auch andere Kinderbücher damaliger Jahre sind da ausgestellt und können durchgeblättert werden. Unter den Autoren findet man damalige Buchausgaben von Mona Radulescu, Karin Michaelis, auch Maxim Gorki konnte dabei nicht fehlen. Aber auch Kinderbücher von Mihai Eminescu, Tudor Arghezi, Mihai Sadoveanu, Ion Luca Caragiale, die der rumänischen Literatur angehören und die Jahre überdauern.
Ebenfalls zu sehen sind zahlreiche gezeichnete Bandstreifen, die von den bekannten Grafikern in den Jahren, den gestellten Anforderungen für Kinder angepasst waren. Dabei werden auch kurze Angaben zu den Autoren gegeben. Nell Cobar (1916 – 1993) ist durch seine vielseitigen Zeichenstile, Karikaturen und Zeichentrickfilme bekannt gewesen. Er war auch der Autor der Kinderheldin Mihaela, der er die verschiedensten Rollen einräumte. Sie war sehr beliebt bei den Kleinen. Ich erinnere mich wie die Nachbarkinder, die keinen Fernseher – natürlich schwarz/weiß – besaßen, jeden Abend vor Sendebeginn unsere Wohnung stürmten und gemeinsam mit unserem Sohn es sich gemütlich machten um die kurze Sendung zu sehen. Und waren dabei voller Begeisterung.
Eugen Taru (1913 – 1991) war in den Jahren durch seine Karikaturen bekannt, die auch in mehreren Publikationen und Zeitungen wie „Scânteia tineretului“, „România libera“, „Urzica“ veröffentlicht wurden. Arbeiten von Jules Perahim (1914 – 2008), Val Munteanu (1927 – 1996), Ary Murnu, Geta Bratescu, Noel Roni und nicht als letzter Ion Popescu Gopo sind in die Ausstellung aufgenommen worden. Meistens handelt es sich bei den Namen um Pseudonyme, unter denen die Künstler bekannt waren.
Die Ausstellung stellt ein Forschungsprojekt dar und bezieht sich auf die neusten Ergebnisse dieses Unterfangens. Auch ist diese nicht für Nostalgiker jener Jahre gedacht. Sie soll Einblick in eine turbulente Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis hin zur Wende von 1989 bieten, eine geschichtliche Epoche in der nicht davon gescheut wurde, auch unter Kindern politische Propaganda zu machen, wie bei der Vernissage Ovidiu N˛sui, der Kurator der Ausstellung, betonte.
Dieter Drotleff
Mihaela war der Anziehungspunkt der Kindersendung im Fernsehen in den kommunistischen Jahren. Fotos: der Verfasser
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