Oh, wie schön ist Panama!
02.02.24
Teil zwei: Wolkenkratzer, Faultiere und Schiffe
“Nadia Comaneci!“, ruft ein Taxifahrer begeistert, als wir auf seine Frage antworten, woher wir kommen. Er ist die erste Person, der wir begegnen und die von Rumänien gehört hat. (Die zweite Person werden wir an der Playa Estrella auf der Insel Colon treffen. Sie wird uns ein Faultier zeigen, das an einer Palme hängt, uns fragen, woher wir kommen und „Un lenes! Un lenes!” rufen). Wir wissen aber auch relativ wenig von Panama. Das Kinderbuch von Janosch, der Panamakanal, der Panamahut und die Briefkasten-Affäre in Panama (Panama Papers)- das war alles, das wir früher mit dem Land verbinden konnten. Später fanden wir heraus, dass es sich bei dem Hut eigentlich um einen Import aus Ecuador handelt. Seit 1630 werde sie aus den Fasern der Toquilla-Palme handgeflochten, wobei für einen Hut etwa acht Stunden Flechtzeit aufgewandt werden. Seinen Namen verdankt der Hut Theodore Roosevelt, der ihn beim Besuch der Bauarbeiten am Panamakanal trug. Heute findet man in der Altstadt Casco Viejo eine Reihe von kleinen Läden, wo solche weißen Hüte mit schwarzem Außenband verkauft werden.
Alt und Neu, Reich und Arm
Als wir nach zwei Tagen auf dem Serpentinenweg durch den Dschungel wieder von der Insel Senidup nach Panama City zurückfahren scheint es uns, als wären wir mindestens eine Woche unterwegs. Die Stunden vergehen anders in San Blas -ohne Handyempfang und Internet sind wir viel aufmerksamer auf das, was um uns herum passiert. Doch es ist keine Zeit, um den Postkarteninseln nachzutrauern. Denn auf uns warten vier Tage in der quirligen und pulsierenden Hauptstadt von Panama. Das bedeutet: eine Silvesterparty hoch über den Dächern der Stadt, viele Spaziergänge durch die Altstadt Casco Viejo, die Promenade und die Wolkenkratzerviertel und natürlich das Highlight des Landes in Mittelamerika: der Panamakanal.
In Panama City treffen dreißigstöckige silberne Wolkenkratzer auf farbenfroh restaurierte koloniale Bauten in der Altstadt Casco Viejo, wo der spanische Einfluss bis heute noch spürbar ist. Die engen Gassen der Altstadt sind voll von Boutiquen, wo Schokoladen-Rum, Panama-Hüte, T-Shirts mit Faultieren und vor allem bunte Molas verkauft werden. Die meisten Cafes und Restaurante sind für Ausländer und Touristen- wie etwa das von zwei kanadischen Schwestern geführte Bistro, wo man Avocado-Toast und Smoothies zum Frühstück bestellen kann, das Restaurant wo man in Oldtimer-Autos zu Mittag essen kann oder das argentinische Lokal mit alten Werbeplakaten an den Wänden, wo ein Sandwich mit Rindfleisch 28 Dollar kostet. Beeindruckende Kathedralen und Kirchen, der Präsidentenpalast Palacio de las Garzas, Häuser mit türkisfarbenen und rosaroten Fassaden, Designer-Boutiquen, und schon in der nächsten Straße riecht es nach verbranntem Öl, Kinder rennen schreiend durch die Gegend, Einheimische sitzen gesellig draußen vor ihren heruntergekommenen Häusern und hören laute Latino-Musik und ein junger Mann versucht vergeblich, uns Armbänder für 20 Dollar zu verkaufen, mit denen wir angeblich Eintritt zu einer 100 Dollar-Silvesterparty haben.
Silvester in der UNESCO-Altstadt
Das historische Viertel wurde im Laufe der letzten Jahre umfassend renoviert. Am 21. Januar 1673 wurde hier eine neue Siedlung errichtet, nur zwei Jahre nach der fast kompletten Zerstörung der vorhergehenden Stadt Panamá Viejo durch eine Piratenattacke. 1997 wurde Casco Viejo zum Weltkulturerbe erklärt. Sie war lange verkommen, auf den Straßen war die Kriminalität hoch. An manchen Häusern bröckelt immer noch die Fassade, auf den Straßen liegen immer noch Mauerreste. Trotzdem sieht man an vielen Ecken Bauarbeiter und eingezäunte Fassaden. Am Nachmittag des 31. Dezember hat sich eine große Menschenmenge vor der „Loteria Nacional” gebildet. In Panama soll es Glück bringen, Lottoscheine zu Silvester zu kaufen. Wir kaufen je einen Schein für einen Bilbao.
In den Abendstunden ist die Altstadt noch viel energischer als bei Tageslicht. Dann wird in den vielen Rooftop-Bars über den Dächern der Stadt gefeiert und die bunt funkelnde Skyline von Panama City kann bei einem Cocktail bewundert werden. Viele der Rooftop-Bars haben auch Pools, wo man auch abends schwimmen kann.
Die Silvesterparty im Tantalo-Rooftop-Restaurant hält, was sie verspricht: im Parterre essen wir köstlichen Chevice (ein Gerich aus Peru: roher Fisch, mit etwas Salz gewürzt und ganz ohne Hitzezufuhr für kurze Zeit in reichlich Limettensaft kalt gegart), Mini-Burger mit Fisch und das Highlight des Panama-Ausflugs überhaupt: Makkaroni mit Käse und Garnelen, dazu Mimosa-Cocktails mit Pfirsichsaft uns Sekt und mexikanisches Corona-Bier.
An einer Wand ist eine riesige weiße Tafel angebracht, an der die Gäste ihre Wünsche für das Jahr 2024 aufschreiben können. Wer Lust dazu hatte, konnte Familie, Freunden oder sich selbst eine Postkarte schicken- angeblich ist das Tantalo der einzige Ort in Panama City, von dem aus man Postkarten nach Europa verschicken kann, die in der Regel ankommen.
Um Mitternacht gehen wir auf die Straße und öffnen Konfettitüten, danach geht es in die sechste Etage zur Party. In der Ferne glitzern die Lichter aus den Fenstern der Wolkenkratzer, ab und zu streichen neonfarbene Feuerwerk-Raketen den lila Nachthimmel. Auf der Party sind die meisten Leute Touristen- viele Amerikaner und Deutsche. Die meisten Gäste tragen bunte Plastikbrillen und ein glitzerndes Haarband mit der Aufschrift „Happy new year“, Carneval-Tänzerinnen schwingen auf dem Tresen die Hüften oder ziehen mit Seifenblasenmaschinen an der jubelnden Menge vorbei und alle scheinen glücklich und hoffnungsvoll ins neue Jahr zu starten. Obwohl die Musik besser sein könnte, haben die Leute Spaß. Als wir zurück in unser Hotel gehen, das gleich um die Ecke liegt, hören wir laute Latino-Musik aus einer Treppenstube, wo Einheimische wohnen.
Cinta Costera
Den ersten Januar verbringen wir an einem Hotelpool im Wolkenkratzerviertel, danach beschließen wir, zu Fuß nach Hause zu gehen. Vier Kilometer lang ist die Promenade „Cinta Costera“ direkt am Atlantik-Ufer, die neben Joggern und Skatern auch eine hohe Attraktivität für Besucher als Flaniermeile direkt vor den Fassaden der Metropole ausstrahlt. An winzigen Ständen werden Hot Dogs und Grill-Sandwiches angeboten, am Rand sitzen ganze Gruppen Jugendlicher und schauen dem bunten Treiben zu, junge Mütter schieben Kinderwägen durch die Menschenmenge, Mädchen in neonfarbenen Kleidern fahren mit Rollschuhen vorbei, auf Teppichen wird Plastikware angeboten: glitzernde Hunde, Spinnen und Schlangen, Luftballons, aus Lautsprechern ertönt Popmusik. Wir gelangen zu einem riesigen Sommergarten, wo ausschließlich Fischgerichte angeboten werden. Obwohl die Terrasse die Größe eines Fußballplatzes hat, sind kaum noch Plätze frei. Als wir mehr als eine halbe Stunde warten, beschließen wir, weiter zu gehen. Wir drängeln uns weiter durch die Menschenmenge und gehen an glitzernden Weihnachtsmännern vorbei, die etwas fehl am Platz unter Palmen stehen. Schließlich landen wir erschöpft in einer mexikanischen Bar in Casco Viejo. DerKellner fragt, woher wir kommen. Als wir Rumänien sagen, sucht er auf Google, danach sagen wir BRASOV und schon schaut er auf Fotos mit der Schwarzen Kirche und dem Marktplatz.
Am nächsten Tag steht der Besuch des Panama-Kanals auf dem Programm.
„Jeder ist in Panama willkommen. Es ist egal, woher du kommst, wie alt du bist und wie du aussiehst, wir empfangen alle, die sich hier niederlassen wollen, mit offenen Armen“, meint Juan, unserer Reiseführer. Dann erzählt er uns von Wohnungspreisen und davon, wieviel man hier verdienen kann. Ohne Zweifel hat sich Panama zu einem der beliebtesten Expat-Reiseziele der Welt entwickelt. Die Gründe: Menschen und Landschaft sind vielfältig, das Klima tropisch und beständig. Größtenteils und das ganze Jahr über mit Tagestemperaturen um die 30 °C, außer in den Bergregionen: Dort ist es – ähnlich dem mitteleuropäischen Frühling – deutlich kühler. Das Europäer zu schätzen. Außerdem können Menschen im Verhältnis unkompliziert einwandern und kommen problemlos an eine permanente Aufenthaltsgenehmigung heran.
Bevor wir zur Miraflores-Schleuse fahren, die die beste Aussicht auf den Kanal bietet, halten wir an einem Park an, wo uns Juan das erste Faultier zeigt, das wir in Panama sehen. Es hängt träge an einem Baum. In den nächsten Tagen werden wir die sympathischen Tiere an vielen Orten, die wir besuchen, sehen. Sie verbringen den Großteil ihres Lebens kopfüber in Bäumen hängend und schlafen bis zu 20 Stunden am Tag.
Schiffe aus aller Welt
Der Panama-Kanal, an den wir anschließend gelangen, wird oft als das achte Weltwunder bezeichnet. Auf jeden Fall ist es eins der aufwendigsten Meisterwerke der Ingenieurbaukunst seit Menschengedenken. Um durch den Kanal vom Atlantik zum Pazifik zu gelangen, müssen die Schiffe einen Höhenunterschied von 26 m überwinden. Die Schiffe durchlaufen drei Schleusen: die Schleusen von Miraflores, Pedro Miguel und Gatun. Durch ein ausgeklügeltes System werden die Schiffe unter Anwendung der Gravitätskraft gesenkt. Die gesamte Reise durch den Panama-Kanal beträgt rund 8 – 10 Std. Fahrtzeit, und der Kanal wird von mehr als 14.000 Schiffen jährlich befahren. Die Schiffe entrichten eine enorme Gebühr (von ca. 100.000 Euro) für die Durchfahrt, doch das ist dennoch weitaus weniger kostspielig als eine Umschiffung des gesamten Kontinents von Südamerika. Der Bau wurde 1880 von den Franzosen unter Federführung von Ferdinand de Lesseps begonnen, um die gefährliche Umschiffung von Cap Horn zu vermeiden und zugleich um Transportkosten zu sparen. Die Franzosen gaben das Projekt auf, US-Präsident Roosevelt ließ die Arbeiten fortsetzen, die 1914 zu Ende gebracht wurden.
Seitdem brauchen die Schiffe nicht mehr den ganzen Kontinent zu umfahren, sondern können über die 77 km lange Wasserstraße quer durch Panama, vom Atlantik zum Pazifik, fahren und somit einen enormen Aufwand an Zeit und Geld einsparen. Die Miraflores-Schleuse bietet die beste Aussicht auf den Kanal, auf die gigantischen Tanker und Kreuzfahrtschiffe. Es gibt ein Besucherzentrum mit einer Aussichtsplattform, ein Restaurant mit einer Terrasse und einen Souvenir-Laden. Daneben finden Sie auch einige Ausstellungsobjekte, Maßstabmodelle, Video-Vorführungen und interaktive Module, die die Funktionsweise der Schleusen und des Kanals erklären. Im Besucherzentrum des Kanals kann man sich den 45minutigen Film über die Geschichte des Kanals ansehen, erzählt von Hollywoodstar Morgan Freeman projiziert auf eine Großleinwand in 3-D.
Am nächsten Tag geht es zu unserem nächsten Reiseziel, dem Archipel Bocas del Toro. Ein interner Flug der Gesellschaft Air Panama soll uns auf die Hauptinsel Bocas bringen. Der Flug startet im nahe gelegenen und kleinen Flughafen Allbrook, eine Uber-Fahrt bis hin kostet knapp 4 Doller. Doch nichts läuft, wie geplant: mitten auf der Strecke stecken wir plötzlich in kilometerlangem Stau. Nach fast einer halben Stunde Wartezeit müssen wir umdrehen und auf einer anderen Strecke zum Flughafen fahren. Der Weg ist von Protestlern gesperrt, die Polizei ist im Einsatz.
Elise Wilk
Fortsetzung folgt
Die „Calle 13“ ist eine beliebte Straße in der Altstadt. Foto: die Verfasserin
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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