Pädagoge und Pfarrer in evangelischen Kirchengemeinden
14.06.24
Erinnerungen an den Theologen und Sozialdemokraten Alfred Herrmann (1888 – 1962) erschienen
Ein inhaltsreicher Bildband über die Tätigkeit des Pfarrers, und Politikers Alfred Herrmann der in der Zwischenkriegszeit und bis Anfang des sechziger Jahre in mehreren Evangelischen Kirchengemeinden A.B. Siebenbürgens, zum Teil auch als Bischofsvikar gewirkt hat, verfaßt von seinem Enkel Christian Herrmann, erschien im Vorjahr im Rahmen des Honterus Verlag Hermannstadt mit der finanziellen Unterstützung des Departements für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Regierung Rumäniens vermittels des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien und dem Demokratischen Forum der Deutschen in Siebenbürgen. Diese Finanzierungen für die Herausgabe von Büchern in deutscher Sprache bezogen auf die Geschichte der Rumäniendeutschen, im Bereich der Literatur, Dokumentationen sind besonderes zu schätzen da durch die zum Großteil auch unentgeltlich vertrieben Auflagen, diese einer zahlreichen Leserschaft zur Verfügung gestellt werden, Aufklärung bieten, kontroverse Aspekte ins richtige Licht stellen.
In diesem Kontext ist auch der aufliegende Band „Kein Mensch kann sich dieser Macht entziehen“, Alfred Herrmann Pfarrer und Sozialdemokrat (1888-1962). Verfaßt von Christian Herrmann mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Ulrich Andreas Wien und Beiträgen von Prof. Dr. Hermann Pitters, der reichen Bildillustration besonderes zu werten. Der am 13. Januar 1888 in Kronstadt geborene Alfred Herrmann, vermerkt in der Langgasse, besuchte da die Volksschule und das Gymnasium. Zwischen 1906 – 1910 studierte er in Gießen, Budapest und Berlin, um anschließend ein Jahr als Hauslehrer in Mecklenburg bei Graf Bernstorff-Gyldenstee zu wirken, und 1911 wieder in seine Geburtsstadt heimzukehren. Hier verbrachte er ein weiteres Jahr als Supleant an der Mädchenschule, um dann fünf Jahre als Pfarrer in Leblang zu wirken. Von 1917 bis 1921 belegte er die Pfarrstelle in Hamruden, wobei im letzten Jahr seines hiesigen Aufenthaltes er einen schweren Schlag durch den Tod seiner ersten Frau Hermine, erlitt. Die nächsten drei Jahre befand er sich in Großprobstdorf. 1924 kam er nach Kronstadt wo er Hilde Schmidt heiratete und bis 1932 an der Kirche Blumenau in Kronstadt als Pfarrer wirkte. Es folgte ein weiteres Jahr in der Kirchengemeinde Bartholomä. Zwischen 1933 – 1937 wurde er Stadtpfarrer von Czernowitz, dann Stadtpfarrer von Bukarest (1937-1946), und von 1946 -1961 Stadtpfarrer von Hermannstadt. In diesen Jahren war er von 1952 – 1961 zum Bischofsvikar der Evangelischen Landeskirche A.B. in Siebenbürgen gewählt worden. Im letzten Jahr dieser Zeitspanne trat er aus dem Dienst zurück, legte seine Ämter nieder, nach dem auch seine zweite Frau 1960 gestorben war. Am 7. Februar 1962 ereilte ihn der Tod in Hermannstadt und wurde unter großer Beteiligung da beigesetzt.
In seinem Vorwort zu dem rund 210 Seiten umfassenden Band der auch 176 Archivfotos umfaßt in denen auch zahlreiche Persönlichkeiten, Mitarbeiter, Freunde besonders von älteren Angehörigen zu erkennen sind, betont der Autor daß nur wenige Predigttexte und Schriften zu politischen Themen erhalten geblieben sind. „Er pflegte Kontakte zu unzähligen Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur, die teilweise entgegengesetzte Ziele verfolgten. Diese Kontakte hatten meistens nur ein Ziel: Die soziale Gerechtigkeit und den Frieden voranzutreiben, ohne der einen oder anderen Partei zu schaden. Hier ordne ich auch seine Kontakte zum Rumänischen Geheimdienst ein. Seine Fähigkeit, Beziehungen in unterschiedlichste Richtungen aufzubauen, war meiner Meinung nach auch das, was ihn zu einer einmaligen Persönlichkeit seiner Zeit machte“ unterstreicht der Herausgeber und Autor,der einleitend auch kurz die Umstände erklärt weshalb Alfred Herrmann mit zwei „r“ geschrieben wird, obwohl er als Alfred Herrmann nur mit einem „r“ geboren worden ist.
Prof. Dr. Ulrich A. Wien nimmt in seinem Geleitwort eine kurze Analyse der Umstände der Zeit in denen Alfred Herrmann gelebt und gewirkt hat, der unterschiedlichen Meinungen die es auch in der Evangelischen Kirche A.B. in Siebenbürgen gab, einschließlich was die Nachfolge als Bischof betraf. „Dennoch ist gerade diese ‚schwebende‘ Situation – trotz der internen atmosphärischen Trübungen - womöglich eine Stabilisierung der Gesamtsituation der Landeskirche im fünften und sechsten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erlaubt. Denn beide Seiten der Waagschale waren mit eindrücklichen, und ihrer Weise jeweils überzeugenden Personen besetzt, die sich zwar ungewollt, aber sinnigerweise im Gleichgewicht hielten“ schlußfolgert Dr. Wien. Eine diesbezüglich weitere aufschlußreiche Dokumentation jener Jahre, erschien 2022 unter dem Titel „Überwachung und Infiltration. Die Evangelische Kirche in Rumänien unter kommunistischer Herrschaft (1945 – 1969) von Hannelore Baier, im Verlag Friedrich Pustet Regensburg.
Seine erste Pfarrstelle belegte Alfred Herrmann in Leblang nach dem er 1911 aus dem Ausland zurückgekehrt war und ein Jahr an der Kronstädter Mädchenschule als Supleant verbrachte deren Rektor Alfred Meschendörfer damals war. 1912 legte er die theologische Prüfung ab nachdem er sich für das Pfarramt entschlossen hatte. Die erste Pfarrstelle wurde ihm in Leblang angeboten wo er gemeinsam mit seiner Mutter das baufällige Pfarrhaus bezog. Hier viel ihm auch die Rolle zu die sächsischen Bewohner zu beruhigen nach dem die rumänische Armee da 1916 in die Gemeinde einzog und belagerte. Seine hiesigen Erlebnisse wie auch die dann in der nächsten Gemeinde der er als Pfarrer diente, in Hamruden, runden auch den Blick über seine Gedanken, der Hilfsbereitschaft für die Angehörigen der Kirche ab. Nach dem Tod seiner ersten Frau Hermine, trat er die Pfarrstelle in Großprobstdorf (1921 – 1924) an. Er betrachtete sich als Pfarrer der Jugend und der Arbeiter. Nun folgte er dem Ruf der Blumenauer Kirchengemeinde von Kronstadt. Da fand er ansprechende Kontakte zu Kirchengliedern, veröffentlichte in der „Klingsor“ Zeitschrift was ihm einen Namen als Sozialdemokrat brachte da er sich um die Belange der Arbeiterschaft interessierte. „Vom Werden des siebenbürgisch-sächsischen Proletariats“, „Die Siebenbürger Sachsen und der Sozialismus“ wären nur zwei seiner Artikel zu nennen. Er war für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, zeigte den Jugendlichen Perspektiven auf die sie beschreiten sollten, selbst bildete er sich weiter als Pfarrer aus. In Kronstadt hielt er mehrere Vorträge bezüglich „Soziale Gerechtigkeit“ nach der Gründung des evangelischen Gesellen- und Arbeiter-Bildungsvereins. 1932 folgte er der Berufung als Pfarrer in Bartholomä, wobei die Archifotos von der festlichen Einführung besonderes ansprechend sind, wie auch die Familienbilder, das Gemälde das ihn darstellt und von seinem Freund dem Maler Hans Eder geschaffen worden war.
Prof. Dr. Hermann Pitters betont u.a. „Herrmann war ein begeisterter Prediger und ein ausgezeichneter Rhetoriker...Alfred Herrmann konnte aus dem Stegreif zu jedem Thema , sei es aus dem Bereich der Naturwissenschaften oder der Physik, der Philosophie oder auch der Theologie einen hochinteressanten Vortrag halten“. Auch das führte dazu daß er zum Stadtpfarrer von Bukarest von 1937 bis 1946 berufen worden war. Hier setzte er sich auch mit der „nationalistischen Weltanschauung auseinander...was ihn noch mehr in den Gegensatz zu der auch in Rumänien sich ausbreitenden nationalistischen Politik führte“. Hier erlebte er das Erdbeben vom 10. November 1940, die Bombenangriffe und die Nachkriegszeit, wobei der Umsturz vom 23. August 1944 sein Leben veränderte. Während der 1945 erfolgten Deportation setzte er sich besonderes für die elternlosen Kinder ein.
Die Berufung nach Hermannstadt 1947 als Stadtpfarrer und anschließend auch zum Bischofsvikar war die wichtigste Station seines Lebens. Da wohnte er gemeinsam mit seiner Familie im gleichen Stadtpfarrhaus mit der Familie des Bischofs Friedrich MÜller. Trotz der unterschiedlichen Meinungen zum Teil über Aspekte des kirchlichen Lebens, als auch die der politischen Ansichten, in freundschaftlichen Beziehungen. Als Stadtpfarrer und Bischofsvikar wendete er sich in einem Schreiben an den Bischof in dem er um seine Verabschiedung ansuchte besonderes herzlich:“Hochwürdiger Herr Bischof, lieber Freund! Tief bewegt beehre ich mich Dir mitzuteilen, dass ich mich entschliessen musste, um meine schon lange von mir und andere erwogene Versetzung in den Ruhestand mit dem 1.Dezember 1961, anzusuchen...Ich danke für alles Wohlwollen, das mir von Deiner Seite sowie vom hochlöblichen Landeskonsistorium im meiner 49jährigen Dienstzeit zuteil geworden ist und bitte mir auch weiter dies Wohlwollen zu bewahren... Ich weiß die Zukunft unsere Kirche unter dem Schutz des allmächtigen Gottes“.
Von einigen als „roter Bischof“ genannt da er in den Jahren des Kommunimus sich immer wieder einsetzte für die Belange der Kirche, der Sachsen Siebenbürgens, der Zusammenarbeit mit den neuen Behörden, denen unterschiedliche Interpretierungen geboten wurden, wurden anläßlich seiner Beisetzung in Hermannstadt, volle Anerkennung von den hochrangigen Redner für sein Wirken und Leben ausgesprochen. In seinem in der Schwarzen Kirche erfolgten Nachruf gehalten vom Organisten Hermann Walter Schlandt, veröffentlicht in der „Neuen Kronstädter Zeitung“ (1962) in Deutschland, würdigte dieser Alfred Herrmann wie folgt:“Er hatte volle Kirchen! In der Zeit, in der die weltanschaulichen Auseinandersetzungen tiefe Gräben aufgerissen hatten, war das sehr ungewöhnlich. Er aber, ein charismatischer Prediger, der Emotionen zu wecken verstand, nahm die Hörer gefangen:Alfred Herrmann. So war es in Kronstadt und an den anderen Stätten seines Wirkens – es war die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Herrmann hat seine Berufung und auch sich selbst immer wieder in Frage gestellt, hat nach dem Weg zwischen Ideal und Wirklichkeit gesucht und hat versucht den Zeitgeist in seine Gedanken einzubeziehen. … Pfarrer Herrmann ist einer von den seltenen Menschen, die Freiheit und Herzensgüte mit Entschlossenheit, mit Willens- und schöpferischer Kraft in der schönsten Weise vereinen“.
Dieter Drotleff
Zu: Christian Herrmann „Kein Mensch kann sich dieser Macht entziehen“ Alfred Herrmann, Pfarrer und Sozialdemokrat. Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Ulrich Andreas Wien und Beiträgen von Prof. Dr. Hermann Pitters. Honterus Verlag Hermannstadt 2023
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