„Paulus als Grenzgänger“
16.09.10
Evangelische Jugendliche aus Wolkendorf auf Studienfahrt in Griechenland
Für Jugendliche aus Wolkendorf/Vulcan und Umgebung hieß es am 27. Juni: Wir begeben uns auf die Spuren des Apostel Paulus. In der Art der Reiseleiter und Fremdenführer hab ich versucht, den Jugendlichen neue Gesichtskreise zu eröffnen.
Was der Apostel Paulus damals vor 2000 Jahren geleistet und verkündigt hat, kann auch für uns Heutige von Belang sein. Wir leben in einer evangelischen Kirche in Siebenbürgen, die große Umbrüche miterlebt hat. 1989 ist der Eiserne Vorhang gefallen. Die Grenzen waren offen und viele entschlossen sich für eine Zukunft, die damals mehr Sicherheit versprach. Viele wanderten aus und es blieben wenige zurück. Kann man nach einem solchen Exodus eine Hoffnung hegen auf das Weiterbestehen der „siebenbürgisch-sächsischen“ Kirche? Man stand vor noch nie gekannten Herausforderungen. Der Apostel Paulus kann uns die Richtung zeigen. Nach Tod und Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, waren es Jünger und eine kleine Gemeinde jüdischer Herkunft, die sich um die frohe Botschaft versammelten. Die strengen Grenzen der kleinen judenchristlichen Gemeinschaft wurden gesprengt. Der Apostel Paulus war es, der nach seinem Bekehrungserlebnis in Damaskus auch Heiden aufsuchte, vorwiegend in der hellenistischen Welt, um ihnen das Evangelium zu predigen. Grenzen wurden gesprengt. Die jüdische Gemeinschaft selber war noch traditionell und kultisch gebunden an verschiedene Vorschriften, wie Beschneidung und Speisevorschriften. Der Apostel verkündigt die Botschaft von Christus und dem neuen Bund, der den alten abgelöst und ergänzt hat. Eine neue Welt tat sich also auf für die Botschaft von Christus, die sich als sehr fruchtbar erwies. Es geschah eine Öffnung – fast wie eine Offenbarung.
Mit jungen Menschen, die vorwiegend aus konfessionellen Mischehen stammen und noch keine gefestigte konfessionelle Identität haben, habe ich mich auf diese Reise begeben, damit wir uns mit dem Gedanken der Öffnung auseinandersetzen. Das Überleben unserer klein gewordenen Landeskirche kann nur gesichert werden, wenn eine Öffnung geschieht.
Was heißt Öffnung? Vielerorts gibt es nicht mehr genug Siebenbürger Sachsen, die das Fortbestehen der Gemeinschaft sichern können. Es braucht Leute von außerhalb, die eine Zukunftsperspektive mit sich bringen. Vom Apostel Paulus lernen wir, dass der Glaube über Grenzen hinweg wirkt. Wir müssen lernen, auch über unseren Horizont hinaus zu sehen.
Wem öffnen wir uns? Das Fortbestehen unserer evangelisch–lutherischen Gemeinschaft kann gestärkt werden, indem neue Kräfte hinzu kommen. Junge Menschen, die sich mit deutscher Sprache, Kultur und vor allem den Werten des evangelischen Glaubens identifizieren, sollen auch hier ihren Platz finden. Unser Bischof D. Dr. Christoph Klein formulierte es in einer seiner Reden folgendermaßen: die Zukunft der evangelischen Kirche und der deutschen Gemeinschaft in Rumänien wird nur möglich sein, „...wenn wir uns dem Neuen und Anderen so öffnen, dass wir unsere Identität bewahren, aber das Neue und Andere akzeptieren und aufnehmen“.
Am Vorbild des Apostels als Grenzgänger wollten wir also lernen, was Öffnung demnach heißen könnte. Auf seinen Missionsreisen durch die hellenistische Welt, die sich rund um das Mittelmehr erstreckte, kam der Apostel unter anderem durch Philippi, Thessaloniki, Athen und Korinth. An diesen Orten sollte sich unsere Reise orientieren.
Unsere Reise führte uns zuerst bis Skopje, der Hauptstadt Mazedoniens, wo einst Mutter Theresa geboren wurde. Die Altstadt von Skopje mit ihren Moscheen und Basars erinnerte an Zeiten aus „Tausend und einer Nacht“. Es war eigentliche eine exotische Begegnung auf unserer Reise mit dem „Euro–Islam“.
Als nächstes erreichten wir Athen. Da waren wir zu Gast bei der evangelischen Gemeinde in deutscher Sprache. Die Gemeindegründung geht auf das Jahr 1837 zurück, als der aus Bayern stammende König Otto I., er war der erste König von Griechenland, die oldenburgische Prinzessin Amalie heiratete. Sie war evangelisch. 1931 schließlich wurden Kirche und Gemeindehaus erbaut.
Auf der Halbinsel Peloponnes durften wir bei einer Dame aus der Gemeinde aus Piräus Gast sein. Unweit des Ferienhauses liegt Olympia. Noch vor zwei Jahren war die Ausgrabungsstätte, aber auch vor allem das kleine Dorf Krouni, wo das Ferienhaus stand, von verheerenden Waldbränden bedroht. Durch diese Katastrophe sind damals mehrere Menschen, die da wohnten, ums Leben gekommen.
Unsere Reise fand ihren Abschluss in Thessaloniki.
In zwölf Tagen hatten die Jugendlichen die Möglichkeit sehr viel dazu zu lernen, aber auch sich mit Glaubensfragen auseinanderzusetzen. Das pädagogische Ziel lag auf zwei Ebenen: auf der einen Seite sollte die Reise der Allgemeinbildung dienen, auf der anderen Seite sollte man sich mit einem Thema auseinandersetzten, das in unserer klein gewordenen Gemeinschaft aktuell ist: „Öffnung am Vorbild des Völkerapostels als Grenzgänger.“
Wir danken recht herzlich allen, die diese Reise unterstützt und gefördert haben: der Deutschen Botschaft in Bukarest, dem Evangelischen Freundeskreis Siebenbürgen, der Evangelischen Kirchengemeinde deutscher Sprache in Athen sowie Thessaloniki, und vielen weiteren Einzelpersonen.
Pfarrer Uwe Seidner, Wolkendorf
Die Reisegruppe aus Wolkendorf (rechts: Pfarrer Uwe Seidner) bei Thessaloniki. Im Hintergrund: die Ägäis.
Foto: privat
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