Rumänien wie eine Geliebte
14.01.10
Zu Matthias Buth zweisprachigem Gedichtband „Rumänien hinter den Lidern“/ „România dincolo de pleoape”. Verlag Institutul Cultural Român, ISBN 978-973-577-576-6, 79 S.
1951 in Wuppertal geboren, heute bei Köln lebend, hat Buth von Haus aus keine rumäniendeutschen Wurzeln - weder aus dem katholischen Banat noch aus dem evangelischen Siebenbürgen/Transsilvanien.
Die Verbindung zu Rumänien knüpfte er durch Bekanntschaften mit hervorragenden Persönlichkeiten des Kulturlebens der rumäniendeutschen Minderheit. Beeindruckt hat Matthias Buth in Rumänien vor allem das Durchwirken verschiedener Ethnien und Kulturen auf der Grundierung des römischen Erbes.
Über die katholischen Banater Schwaben berichtet das Gedicht „Bischof Kräuter von Temeswar“. Es porträtiert lyrisch den katholischen Temeswarer Bischof Kräuter auf dem Hintergrund der landesüblichen Sitten und Bräuche. Zu diesen gehört auch ein Aufmunterungsschnaps am Morgen. Aber nicht um dem Leiblichen allein zu frönen, sondern auch um mit dem „Brennglas aus der Flasche den Himmel zu sehen“.
Der evangelische Glaube, in seiner spezifischen siebenbürgisch-sächsischen und landlerischen Prägung auch als evangelische Arbeitsethik gelebt, erhält durch die Bekanntschaft Buths mit Eginald Schlattner eine besondere Anschaulichkeit in Buths Reflexionen. Im Gedicht „Der Gast“ porträtiert Buth Schlattner sehr einfühlsam. Schlattner, der zwei Jahre in Securitate-Haft war, schildert seine Gefängniserlebnisse mit der rumänischen Geheimpolizei in seinem Roman „Rote Handschuhe“. Buth fasst dies ins lyrische Bild „Er nahm dem Kopf/die Angst vor den Händen.“ Nach seiner Entlassung aus der Haft und einem Zweitstudium von fünf Jahren evangelisch-lutherische Theologie in Hermannstadt (von Beruf war Schlattner Wasserbauingenieur), abgeschlossen Mitte vierzig, wurde Schlattner als Pfarrer berufen in das siebenbürgisch-sächsische Dorf Rothberg/Rosia. 1990/91 brach ihm durch den Massenexodus seiner Schäfchen nach Deutschland (nach Ceausescus Sturz im Dezember 1989) die Gemeinde einfach weg. Er verblieb mit neun betagten Gemeindemitgliedern. Doch Schlattner gab sie bis heute nicht auf, hält für die heute noch fünf Übriggebliebenen Gottesdienste und Sprechstunden und verbleibt trotz alledem im hoffenden Gottvertrauen in seiner Pfarrgemeinde, wie Buth es ins lyrische Bild band: „Als er zu beten begann für die, / die hier wohnen und noch kommen, / für die Kinder, die wiederkehren möchten / und die Tiere, denen hier ein Dach ist / - lichtete das Grün des Gartens /. Das Haus legte ab zur Kirche von Rothberg / und die Türe hatte ihre Flügel geöffnet / als wären wir angekommen.“ /
Besonders eindringlich setzt sich Matthias Buth mit dem Schicksal der siebenbürgischen Landler auseinander. Die Landler sind die ins österreichische Sibirien, nach Transsilvanien verbannten österreichischen Protestanten von Maria Theresia (Regierungszeit 1740-1780) im Zuge der habsburgischen Gegenreformation. Ihnen widmet Matthias Buth gleich mehrere Gedichte. So das Gedicht „Grossau/Siebenbürgen“, dessen Zentrum ist „Die Kirche, ein Storchennest vom Winter verinselt“. Winter aber kann für Glaubensverbannte auch symbolische Aufforderung zur Überwindung sein. So endet das Grossau-Gedicht weltoffen „Der Schnee stellt seine Leiter / an die Ringmauer.“ Von beiden Seiten natürlich. Raus und rein!
In dem Gedicht „Restaurierung“ für Robert Schwartz, einem Rumänienexperten der Deutschen Welle Bonn, taucht Grossau wieder symbolisch als Fluchtpunkt Siebenbürgen auf. „Seitdem wandert das Nachbarhaus aus / Und nimmt mich zu den Giebeln / Von Grossau zur Sommerküche / von Anna Zeck./ Mit Anita ihrer Urenkelin liest sie Grimms Märchen.“
Auch Schässburg / Sighisoara werden zwei Gedichte gewidmet. Leider beide mit dem Totengedenken befasst. Einmal unter der berühmten Bergkirche im Gedicht „Schässburg“ und das zweite Mal in „Die Treppe von Schässburg“, wo die Toten über die lange berühmte Bergschultreppe einen Ausflug unternehmen. „Mit verwaisten Namen und Legenden wenden sie sich wieder zurück / Zu den staubigen Terrassen der Gräber. / Zurückgelassene Koffer sind ihre Steine.“ / Eine harte Anspielung auf die Tristesse nach dem Massenexodus der Schässburger Siebenbürger Sachsen 1990/91.
Weniger friedhofsmäßig sind dafür die beiden Kronstadt/Brasov-Gedichte. In „Eckart Schlandt an der Buchholz-Orgel“ spielt der Organist der Schwarzen Kirche aus Kronstadt, dem größten gotischen Dom in Südosteuropa, an einer der berühmtesten Orgeln ihrer Zeit.
Die Wirkung dieses Spiels ist übermächtig: „Die Schwarze Kirche glüht. / Sie brennt wieder / Unbemerkt von Straßen und Passanten. / - Nur die Teppiche kommen zur Hilfe. / Bänke und Brüstungen werden Karawanen. / Die zurückwollen zum Anfang.“ /
Für den Kenner der Verhältnisse ein Hochgenuss an bildhafter Atmosphäre. Hier hätte im Vorwort oder im Nachwort oder in einer Fußnote auf diese historischen Anspielungen hingewiesen werden sollen, damit auch der Nichteingeweihte diese gelungene Verdichtung einer historischen Atmosphäre sachkundig nachvollziehen kann.
Im Gedicht „Kronstädter Konzert“ wird der Kronstädter Kulturaufbruch bis in die heutige Zeit herübergerettet. Allerdings muss man auch hier wissen, dass Kronstadt das Zentrum der lutherischen Reformation in Südosteuropa war mit einem eigenen Reformator, dem Lutherschüler Johannes Honterus (1498-1549), der auch in der Schwarzen Kirche wirkte. Aus diesem Grund endet dieses Gedicht zukunftsweisend. „Die Schwarze Kirche öffnet die Fenster / Um zu sehen wie / Schritte klingen / Die den Anfang kennen /“. Den Anfang von Reformation und West-Ost-Handel und Kulturaustausch zwischen Ländern, Völkern, Religionen.
Diese liebevollen lyrischen Kurzortsmonographien werden ergänzt noch mit den Ortschaften Sibiel („Biserica Sfânta Treime“ / „Kirche zur Heiligen Dreieinigkeit“), Bistritz / Bistrita („Bistritzer Elegie“), Holzmengen / Hosmon, Hermannstadt / Sibiu („Orgelstück“ für Ursula Philippi und „Überquerung“), „Zeiden /Codlea“ und natürlich auch „Bukarest“. Dieses Gedicht „Bukarest“ ist einem der besten Buth-Übersetzer, dem Germanistikprofessor George Gutu, gewidmet.
Hier werden Buths Gedanken und Empfindungen zurückgespielt in George Enescus Rhapsodien. George Enescu (1881-1955), Rumäniens größter Komponist, der sich erst in Paris vollends verwirklichen konnte, ist eine glücklich emblematische Metapher für Rumäniens Bindungen an die europäische Tradition wie auch an die europäische Moderne.
Unter diesem Aspekt stehen mehr oder weniger so gut wie alle Gedichte dieser Auswahl aus gleich drei Lyrikbänden Buths: „Die Stille nach dem Axthieb“ (zweisprachig, Heiderhoff Verlag 1997, von George Gutu ins Rumänische übertragen), „Zwischen mir und vorbei“ (Ralf Liebe Verlag 2007) und „Der Rhein zieht eine Serenade“ (Ralf Liebe Verlag 2009).
Zu dem vorliegenden Band äußert sich eine der bekanntesten rumänischen zeitgenössischen Lyrikerinnen und Essayistinnen Ana Blandiana (geb. 1942): „Matthias Buth, ein deutscher Dichter ohne siebenbürgische Wurzeln, hat mit seinen Gedichten in diesem Band ein eindrucksvolles Bindeglied zwischen zwei Welten geschaffen, die nie aufhören, voneinander zu träumen.“ Dem kann man nur hinzufügen, zu träumen und zu dichten. Und dies schon Jahrhunderte lang.
Ingmar Brantsch
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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