„Schau, das Leben ist so bunt“
30.07.09
Der neue Band der Bukarester Hoschulprofessorin Mariana-Virginia Lazarescu zu drei deutsch schreibenden Autorinnen aus/in Rumänien
Im Wissenschaftlichen Verlag Berlin (wvb) erschien 2009 das Buch der Bukarester Germanistin Dr. Mariana L²z²rescu mit dem Titel „'Schau, das Leben ist so bunt'. Selma Meerbaum-Eisinger, Karin Gündisch und Carmen Elisabeth Puchianu: drei repräsentative deutsch schreibende Autorinnen aus Rumänien“. Dass Mariana L²z²rescu dem Spezialgebiet der schreibenden Frauen durch wissenschaftliche Studien Aufmerksamkeit geschenkt hat, kann nur begrüßt werden. Die Konstellation der drei historisch und künstlerisch sehr unterschiedlich repräsentativen Autorinnen mag zunächst überraschen – einerseits Meerbaum-Eisinger, eine aus der Bukowina stammende Dichterin jüdischer Abstammung, die 1942 in einem rumänischen Arbeitslager ums Leben kam, andererseits Karin Gündisch, eine aus Heltau emigrierte Kinderbuchautorin und schließlich Carmen Elisabeth Puchchianu, eine in Rumänien lebende und schreibende Lyrik- und Prosa-Autorin. So weit wir sehen, strebt das Buch keinen Vergleich der besprochenen Autorinnen ausgehend von einem spezifischen Gender-Paradigma innerhalb des Spezialgebietes der Frauenliteratur an. Es präsentiert einzelne Arbeiten der genannten Schriftstellerinnen. Die Motivation für dieses Nebeneinanderstellen liefert die Buchautorin selber – „Eine wichtige Vokabel im Leben aller drei Schriftstellerinnen war und ist ‚Freiheit’ “, und zwar – so Mariana L²z²rescu - die Freiheit, verstanden als Schreiben zur Befreiung von Vorurteilen, Klischees und Stereotypen einer Minderheit (im Falle von Gündisch und Puchianu) bzw. als Schreiben zur inneren, einzig möglichen Befreiung von lebensbedrohenden Demütigungen im Arbeitslager im Falle von Meerbaum-Eisinger.
Der Teil zur Dichterin aus der Bukowina versteht sich als eine Hommage an die in Rumänien relativ spät rezipierte (von Joachim Wittstock im Roman „Ascheregen” zur beeindruckenden literarischen Figur gestalteten) Lyrikerin Selma Meerbaum-Eisinger. Mehr als zwanzig Gedichte werden analysiert und interpretiert, abschließend wird über die Dichtung geschlussfolgert: Meerbaum-Eisingers Naturlyrik beweise „Reife der kosmischen Vision“, „unerschöpfliche Lebensfreude“, „zärtliches Liebesbedürfnis“. In den Ausführungen wird die besondere Beziehung zur Natur sowie die Zerrissenheit der Lyrikerin zwischen Leben und Tod deutlich hervorgehoben. Der direkte Bezug zur verbindenden These der Befreiung durch das Schreiben lässt sich allerdings eher indirekt ableiten, deutlich ausformuliert finden wir diese Behauptung in den Werturteilen zu Meerbaum-Eisingers Gedichte nicht.
Der zweite Teil des Buches ist der Kinderbuchautorin Karin Gündisch gewidmet. Das Hauptaugenmerk wird auf die Problematik der Roma in Gündischs Buch „Cosmin. Von einem, der auszog, das Leben zu lernen“ gerichtet. Die Literaturwissenschaftlerin lässt sich ausführlich über die allgemeine Problematik der Roma aus, um anschließend den Bezug zu den fiktiven Gestalten in der Geschichte Cosmins herzustellen. Der realistischen Dimension des Epischen bei Gündisch wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Gündisch wird mit den Behauptungen zitiert, die Themen aus ihren Geschichten seien durch ihre Biographie vorgegeben, Rumänien sei eine poetische Landschaft für die Kinderbuchautorin geworden. Aus dieser Perspektive wird der Beitrag zu Karin Gündischs „Cosmin“ zum spannenden Vergleich mit der tatsächlichen Welt der Roma in Rumänien.
Der dritte Teil des Buches beschäftigt sich mit der Dichterin und Prosa-Autorin Carmen Elisabeth Puchianu, mit deren Texten die Verfasserin sich wiederholt auseinandergesetzt hat. Ausgangspunkt der Abhandlung ist der 1990 erschienene Band von Carmen Puchianu „Das Aufschieben der zwölften Stunde auf die dreizehnte“, das Schwergewicht der Betrachtungen wird auf die Symbolik der Zeit in Puchianus Lyrik gelegt. Des Weiteren wird die Zeitmetapher in einigen Erzählungen aus dem Band „Der Ameisenhaufen und andere Geschichten“ (Kronstadt: Aldus 1997) untersucht. Die mit humoristischem Abstand verfasste Familienchronik Puchianus „Ein Stückchen Hinterhof“ wird auf die Tragfähigkeit der Tiersymbolik, mit Schwerpunktlegung auf die kollektive Hauptfigur der Erzählung, die Katzenfamilie, analysiert. Der neue Prosaband „Der Begräbnisgänger“ sowie die 2008 erschienene Liliput-Ausgabe „Verortete Zeiten. Gedichte“ finden in Mariana L²z²rescus Untersuchung ebenfalls gebührende Beachtung. Was den Band „Der Begräbnisgänger” betrifft, so werden die Texte als subtile und gut strukturierte Parodien eingestuft, die den Tod in den thematischen Mittelpunkt stellen. Dem Motiv des Todes in dem Liliput-Band wird ebenfalls nachgegangen, wobei festgestellt wird, dass sich der Tod zu einer Konstante in Puchianus Arbeiten herauskristallisiere. Da sich die Buchautorin seit längerem intesiv mit der Schriftstellerin Carmen Elisabeth Puchianu beschäftigt hat, finden sich in der vorliegenden Untersuchung viele von den in den bisherigen Rezensionen präsenten Standpunkten wieder.
Das Buch endet mit den Kurzbiographien der besprochenen Autorinnen, mit einer Bibliographie zu Primär- und Sekundärliteratur sowie mit einem Personenregister.
Da vorliegendes Buch von Dr. Mariana L²z²rescu als ein erster von mehreren geplanten Bänden zu betrachten ist, wie die Autorin selber betont, werden sicherlich durch die kommenden Abhandlungen die Bezüge bzw. die Gemeinsamkeiten oder die prägnanten Unterschiede zwischen den besprochenen Autorinnen ausführlicher konturiert werden, und zwar in dem Sinne möglicher, sich heraus kristallisierender Grundmuster in der deutschsprachigen Frauenliteratur in und aus Rumänien.
Das Buch mit wichtigen Informationen zu den besprochenen Autorinnen und dem pluriperspektivischen Blick in den Interpretationen ist als eine Einführung in den Spezialbereich der deutsch schreibenden Frauen in und aus Rumänien zweifellos lesens- und diskussionswert.
Delia Cotârlea
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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