Schwarzer Humor zu aktuellem Thema
12.09.19
Familiendramödie von Elise Wilk erstmals in Kronstadt
Theaterstücke der Dramatikerin Elise Wilk wurden in den letzen Jahren in zahlreichen Städten aufgeführt unter denen Berlin, Wien, Paris, Oslo, Prag, Zürich, Florenz, Perm (Russland), oder New York. In China gewann eine Hörspiel-Adaption des Rumänischen Rundfunks 2015 den Asia-Broadcast-Union-Preis. Auch im Land ist die Kronstädterin, Leiterin der „Karpatenrundschau“ seit 2015, mehrmals preisgekrönt worden für ihr Schaffen. Wilk gilt als eine der erfolgreichsten und am meisten aufgeführten Dramatikerinnen im Land, ihre Stücke wurden in rund 10 Sprachen übersetzt. Der ersten Auszeichnung, dem rumänischen Dramatikerpreis „dramAcum“ für „S-a intmplat intr-o joi“ (Es geschah an einem Donnerstag, 2008), folgten weitere, wie unter anderen der Preis der Irischen Botschaft für „Die grüne Katze“, oder die Auszeichnung beim rumänischen Dramatikerwettbewerb in Temeswar für „Papierflieger“. Zudem übersetzt Elise Wilk seit einigen Jahren zeitgenössische deutsche Dramatik ins Rumänische.
Zuhause
Am vergangenen Freitag war es nun endlich soweit, dass eines ihrer Stücke auch auf einer Kronstädter Bühne gezeigt wurde. „Die mittlere Lebenserwartung von Waschmaschinen“, eine Produktion des Theaters am Schlachthof (TAS) aus Neuss, Deutschland (Regie: Katja Lillih Leineweber) brachte in den großen Saal der Redoute den Vizekonsul der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt, Harald Fratczak, sowie ehemalige Lehrer und Schulkollegen der Autorin, wie auch Freunde und Kulturliebhaber zusammen. „Seit Jahren warte ich darauf, eines von Elises Stücken in Kronstadt zu sehen. Schließlich stammt sie von hier und müsste hier aufgeführt werden“ sagt eine ihrer gewesenen Klassenkolleginnen. „Ich freue mich, dass diese Stück nun zu Hause gespielt wird und hoffe, dass auch andere folgen werden“ erklärt Elise Wilk. Dass es erst zehn Jahre nach ihrem Debüt dazu kam und auch das auf Initiative des Deutschen Kulturzentrums Kronstadt, das schon länger Bemühungen in dieser Hinsicht zeigt, lässt sich leicht erklären. Die Qualität des „Sic² Alexandrescu“-Dramentheaters ist mangelhaft, es fehlen Konzept, Strategie und eine Gesamtvision, wie Elise Wilk in einem ADZ-Interview (9.Januar 2019) sagte. Diese könnten den verstaubten Look des Theaters weg pusten und das Publikum mit den neuen rumänischen zeitgenössischen Autoren bekannt machen.
Das Bild einer postindustriellen Familie
Eine frustrierte, herrschsüchtige Mutter, ein deprimierter Vater und eine erwachsene Tochter, die ihren Eltern zu entfliehen versucht. Das sind die drei Figuren die in der „Dramödie“ „Die mittlere Lebenserwartung von Waschmaschinen“ vorkommen. Sie führen ein für sie normales Leben: Frau und Tochter gehen zur Arbeit, der Mann hängt seit zwei Jahren zu Hause herum und träumt von seiner heimlichen Liebe, Sängerin Nena. Ihr bedrückender Alltag platzt als plötzlich die Waschmaschine kaputt geht. Das Scheitern der Waschmaschine löst ein Tornado an Ereignissen aus, welche die unterdrückten und unerfüllten Träume und Wünsche der Charaktere aufwirbelt. Mit scharfem Blick zeigt Wilk tiefgründige Probleme einer einfachen postindustriellen Familie, deren Mitglieder die Arbeitslosigkeit und finanziellen Nöte, die Einsamkeit und Depression, den Kommunikationsmangel in einer von Werbung überfluteten Konsumgesellschaft nicht meistern können.
In ihrem verzweifelten Versuch, ein wundervolles Leben zu haben, wie sie es im Fernsehen sehen, eine Familie zu sein, so wie ihre Nachbarn zu sein scheinen, hängen sich die Figuren an Ideale, die außerhalb ihrer Macht stehen, haben keine innere Stärke ihr Leben in den Griff zu bekommen. Die Mutter füllt das Haus mit Werbeobjekten die ihr und der Familie Wohlstand, Liebe und Glück sichern sollen; der Vater, der die Demütigungen seiner Frau wortlos erträgt, schöpft neuen Mut endlich wieder aktiv zu werden, wann ein Treffen mit seiner heimlichen Liebe, Sängerin Nena als möglich erscheint; die Tochter schwärmt vom romantischen Leben in Paris, mit dem geschiedenen Nachbarn. Bis zuletzt fliehen Vater und Tochter dem Druck und den andauernden Kritiken der Mutter, folgen ihren Träumen. Doch vergebens. Wilk gibt ihnen keine Chance, wie manchmal das Leben es macht. Die Autorin sorgt aber dafür, dass die Bitterkeit der Situation doch mit einem Lächeln aufgenommen wird. Skurrile Details wie das Verkaufen von Särgen für Hamster, das Sammeln toter Fliegen, das Nähen von Knopfaugen an Plüschtiere, oder der Wunsch eine elektrische Zahnbürste mit eingebautem Radio zu kaufen –von denen es reichlich im Stück gibt – ermöglichen es dem Zuschaue, das Drama lachend aufzunehmen. Gelacht wird eigentlich über sich selbst, denn man kann sich in den komplexen Figuren wieder finden, erkennt manch eine Situation auf der Bühne aus dem eigenen Leben. Das weckt Mitgefühl für jede Figur, ohne sie zu blamieren und lädt zur Introspektion ein.
Knallharte Realität
„Wir haben viel geweint während der Proben, die Situation im Stück ist so belastend, ihre Wirklichkeit so traurig, dass es einen bedrückt“ sagt Regisseurin Katja Lillih Leineweber. Auch die Schauspieler haben sich in die Haut der von ihnen interpretierten Menschen hineinversetzt und mit und für sie gelitten. „Die Mutter die ich spielte war so wütend, so unerträglich, dass es sehr schwer war diese Rolle zu spielen. Nach zwei Wochen Proben habe ich zu Hause nur noch gute Sachen getan, wie Kinderfilme ansehen“ meint Karolin Stern, die die Mutter sehr glaubhaft dargestellt hat.
„Es gibt Familien in Deutschland, die leben so“ sagt Julia Jochmann, die als vierte Figur im Schauspiel, einem Instrument zum Verdeutlichen der Träume und Hoffnungen der Familienmitglieder, aufgetreten ist. Bei der Frage-Antwort-Runde, wo auch die Autorin anwesend war, erklärten sich das TAS-Team begeistert vom Kronstädter Publikum, das „wunderbar“ sei und das die Vorführung sehr gut aufgenommen habe.
Inspiration und Aufmerksamkeit
Inspiration für diese Geschichte fand Elise Wilk in einem kurzen Zeitungsartikel, der von einem Mann handelte der ging der seine Frau verlassen hatte um sein Glück mit Pop-Idol Madonna zu versuchen, die in Bukarest auftreten sollte. Bei der deutschen Inszenierung des TAS wurde Madonna durch die deutsche Sängerin Nena ersetzt, auch Bukarest wurde mit Berlin ersetzt, „um es dem deutschen Publikum näher zu bringen“ sagt Leinenweber. Nichtsdestotrotz ist das Stück ein universelles, das überall stattfinden könnte und das tiefgründige Aspekte zwischenmenschliche Beziehungen und Kommunikation in den Vordergrund stellt. „Die mittlere Lebenserwartung von Waschmaschinen“ wurde mehrfach in unterschiedlichen Inszenierungen in Rumänien aufgeführt und feiert demnächst Premiere in Athen. Diesen Herbst wird Elise Wilk ihr neuestes Buch in Kronstadt vorstellen, das fünf ihrer Theaterstücke beinhaltet.
Laura Capatana Juller
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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