Siebenbürgisch-sächsische Studenten gegen Einreihung in die Waffen-SS
08.04.10
Ein dokumentarischer Beitrag mitgeteilt und kommentiert von Michael Kroner (I)
In den Monaten nach dem Frontwechsel Rumäniens am 23. August 1944 und in den ersten Nachkriegsjahren wurde von einem Großteil der rumänischen Öffentlichkeit, vor allem aber von den Kommunisten, die allmählich die politische Macht in Rumänien übernahmen, alles was deutsch war, als faschistisch, hitleristisch, militaristisch und reaktionär diffamiert und verfolgt. Für die Deutschen Rumäniens, die insgesamt als Kollaborateure Hitler-Deutschlands beschuldigt wurden, brachte das Verfolgungen, Diskriminierungen, Verhaftungen, Internierungen, wirtschaftliche Enteignung, Entzug einiger staatsbürgerlicher Rechte und, als Höhepunkt, die von den Sowjets erzwungene Deportation der arbeitsfähigen Männer und Frauen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion. Auch eine Umsiedlung bzw. Vertreibung war im Gespräch. In dieser Situation bemühten sich einige politisch unbelastete, sächsische Männer aus Politik und Kirche, die sich gegen die nationalsozialistische Vereinnahmung und Gleichschaltung der Rumäniendeutschen mit der Politik des Dritten Reiches ausgesprochen hatten, um Schadensbegrenzung. Sie versuchten vor allem den nationalsozialistischen Ruch mit dem die Rumäniendeutschen insgesamt und ihre tragenden Institutionen belastet waren, über Bord zu werfen. Ohne auf Details einzugehen, die allgemein bekannt sind, weisen wir eingangs auf diese Tatsachen hin, um die Schriftstücke, die hier erwähnt werden, einordnen zu können.
Die evangelische Kirchenleitung – Bischof Viktor Glondys, der Hermannstädter Stadtpfarrer Friedrich Müller, der bedeutendste sächsische Politiker der Zwischenkriegszeit und Kurator der evangelischen Landeskirche Hans Otto Roth – arbeiteten ein Memorandum aus, dass sie am 27. November 1944 König Michael überreichten. Darin wurde die pauschale Beschuldigung, alle Sachsen seien illoyale Staatsbürger und Kollaborateure Deutschlands gewesen, widerlegt und darauf hingewiesen, dass die wehrfähigen Deutschen zur Einreihung in „fremdem Waffendienst“ mit Genehmigung der rumänischen Regierung gezwungen worden seien.
Obwohl in dem rumänisch-reichsdeutschen Vertrag über die freiwillige Einreihung rumäniendeutscher Männer in die Waffen-SS festgelegt worden war, dass diese ihre rumänische Staatsbürgerschaft nicht verlieren würden, wurde sie ihnen dennoch nach dem Frontwechsel Rumäniens entzogen und sie wurden zu Vaterlandsverrätern erklärt.
Gegen Ende des Jahres 1944 und am Anfang des folgenden Jahres beschuldigte die Bukarester Presse die Sachsen der Mitschuld an den Verbrechen Hitler-Deutschlands. Infolgedessen seien die gegen sie gerichteten Strafmaßnahmen, einschließlich der Deportation in die Sowjetunion, gerechtfertigt. Für eine öffentliche Gegendarstellung standen den Sachsen keine eigenen Publikationen zur Verfügung, da alle deutschen Organisationen und Presseorgane verboten worden waren. Versuche von Hans Otto Roth in der rumänischen Presse zu diesen Anschuldigungen Stellung zu nehmen, wurden abgewiesen. Er wandte sich daher am 1. Februar 1945 in einem Schreiben an den Ministerpräsidenten Nicolae Radescu. Darin betonte er, dass es nicht zutreffe und eine große Ungerechtigkeit sei, die Sachsen und Schwaben in ihrer Gesamtheit für begangene Verirrungen und Verbrechen eines Staats verantwortlich zu machen, dem sie nicht angehörten.
Damit im Zusammenhang strengte Roth in Abwesenheit gegen den Volksgruppenführer Andreas Schmidt auch einen Prozess an, der aber zu nichts führte, obwohl sich dieser damals in sowjetischem Gewahrsam befand. Roth ließ sich vom öffentlichen Notar Hermann Fraetschkes aus Kronstadt beglaubigen, dass A. Schmidt in einer Rede im September 1943 seinen Sohn Herbert Drückeberger genannt habe, weil er nicht dem Einberufungsbefehl zur Waffen-SS gefolgt sei. Herbert Roth hat seinen Militärdienst in der rumänischen Armee abgeleistet. Damit sollte gezeigt werden, dass es trotz Drucks seitens der Volksgruppenführung auch Männer gegeben hatte, die den Dienst in der deutschen Armee ablehnten. In vielen weiteren Eingaben wies er darauf hin, dass auch die Flucht und Evakuierung von Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im September 1944 auf Druck der deutschen Wehrmacht erfolgt sei.
Die zwei Schriftstücke auf die wir fortfahrend eingehen, reihen sich in diese Bemühungen um Nazi-Entlastung ein.
Vor dem erwähnten Notar Fraetschkes erschienen in dessen Kanzlei in der Baritiu Straße Nr. 1 in Kronstadt am 3. Oktober 1945 der Kaufmann Andreas Homner (Harteneck-Straße Nr. 4), der Drogist Karl Paul (Vasile-Lucaci-Straße Nr. 27), der Apotheker Mauritius Gusbeth (Langgasse Nr. 180) und der Kaufmann Friedrich Wallitsch (Langgasse Nr. 54) und baten ihn, die beiden vorgelegten Protokolle notariell als echt zu beglaubigen. Es handelte sich dabei um Protokolle von zwei Versammlungen von Eltern, deren Söhne 1943 in Deutschland studierten. Die Zusammenkünfte hatten am 18. März 1943 im „Redoute“-Restaurant in der Hirschergasse und am 23. März 1943 im Restaurant in der Langgasse Nr. 4 stattgefunden. Die Protokolle waren in deutscher Sprache abgefasst und wurden nun zur Ratifikation ins Rumänische übersetzt. Die Beglaubigung erfolgte unter der Nummer 398/1945. Uns liegt bloß eine Kopie dieses Textes vor, dessen Inhalt von uns nun hier ins Deutsche rückübersetzt wiedergegeben wird.
Das erste Protokoll gibt zunächst die Namen von 58 Männern und Frauen aus Kronstadt und Gemeinden des Burzenlandes an, die an der ersten Versammlung teilgenommen hatten. (Aescht Anna, Karl Arz, Walter Beer, Samuel Biemel, Rudolf Binder, Hans Cloos, Peter Depner, Dr. Wilhelm Depner, Helene Dietrich, Dr. Karl Flechtenmacher, Josef Gottsmann, Karl Grohmann. Mauritius Gusbeth, Gerhard Hadnagy, Anna Hintz, Andreas Homner, Heinrich Kasemieresch, Michael Krauss, Emil Liehn, Dr. G. Markus, M. Markel, Gerhard Morres, Michael Mosberger, Wilhelm Müller, Georg Oynthen, Erich Phleps, Albert Scherg, Hans Schmidts, Robert Schlosser, Hans Schmidt, Franz Schmidt, Ludwig Schmidt, Otto Schmidt, Emil Schmutzler, Albert Schuller, Stefan Szakáts, Walter Teindel, Michael Teutsch, Eugen Teutsch, H. Zeidner, Eugen Ziegler, Martin Zacharias. Die folgenden Namen scheinen hinzugefügt zu sein: August Adleff, Dr. Wilhelm Czell, Hans Olesch, Karl Paul, Martin Jeckel, Friedrich Wallitsch, Georg Buhn, Wilhelm Seraphin, Waldemar Albert, Ferdinand Schoch, Gusbeth (Beruf Maurer), Georg Klotsch, Hermann Neustädter, Alexander Enkelhardt, Wilhelm Rottmann, Friedrich Krauss, Eugen Bolesch. Die Vornamen sind, wo es entsprechende rumänische Vornamen gibt, rumänisiert widergegeben, von mir jedoch wieder deutsch angegeben.) Gegenstand der Versammlung war der Bericht des Herrn Maritius Gusbeth über eine „wichtige Frage“, wie es in der Anmerkung von Fraetschkes heißt.
(Aus „Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde“, Jahrgang 33 /102/; 2008)
- Fortsetzung folgt -
Foto 1: Der Wahlspruch der SS lautete: „Meine Ehre heißt Treue“.
Foto 2: Deutsches Werbeposter für die SS.
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