TIFF 2016: Zwischenmenschliche Beziehungen
09.06.16
Ein Rückblick auf die 15. Auflage des Internationalen Filmfestivals in Klausenburg
von Elise Wilk
Der Montag nach dem Internationalen Filmfestival „Transilvania“ (TIFF) in Klausenburg ist immer ein merkwürdiger Tag. Man hat ein komisches Gefühl der Leere im Magen. Nachdem man tagelang im Dunkeln gesessen ist und auf eine Leinwand gestarrt hat, scheint das Tageslicht grell und traurig. Auf Facebook und Instagram kursieren Fotos vom Festival, die mit dem Hashtag #tiffmoments versehen worden sind. Ein schwarz-weisses Foto zeigt einen älteren Herren im Anzug, der im Kinosaal sitzt und vor dem Film noch schnell die Festivalzeitung „Aperitiff“ durchblättert. „In 50 Jahren will ich auch so sein“, lautet die Bildbeschriftung des Fotografen. Ein anderes Foto zeigt die italienische Filmlegende Sophia Loren bei einer Projektion des Klassikers „Hochzeit auf Italienisch“ im Studentenkulturhaus. Über 800 Zuschauer haben an dem Tag mit Tränen in den Augen Beifall geklatscht. „Sei belissima“ (Deutsch: Du bist sehr schön!), rief eine Frau der 81-Jährigen Diva zu. „Anche tu“ (Auch du) antwortete Loren, die bei TIFf mit dem Preis für ihr Lebenswerk geehrt wurde. Ein anderes Foto zeigte den übervollen Saal bei der rumänischen Premiere des Films „Sieranevada“ von Cristi Puiu. 1000 Leute haben drei Stunden lang mal gelacht, mal den Atem angehalten, mal begeistert geklatscht. Mit vollem Saal und auf großer Leinwand: das ist die beste Art und Weise, einen Film zu sehen.
Dieses Jahr war ich zum 11. Mal beim „TIFF“ und es wurde mir klar, wie wichtig die Zuschauer sind. Ein Film in einem fast leeren Kinosaal ist vergleichbar mit einem Fußballspiel vor leeren Tribünen. Und die Atmosphöäre bei der Eröffnungsgala unter freiem Himmel, bei der über 3000 Zuschauer anwesend waren, gleichte dem Gefühl auf einem vollen Stadium.
Der Klausenburger Forest Gump
Das der Zuschauer wichtig ist, hat das Festival in all seinen Ausgaben demonstriert. Auch der ofizielle Werbespot und die Poster-Kampagne hatten immer wieder den Zuschauer als Thema. In diesem Jahr gab es gleich fünf Werbespots und fünf Plakate. In ihnen erscheinen bekannte Figuren aus Kultfilmen: Marilyn Monroe, Amelie, Taxidriver, Terminator und Forrest Gump. Die Figuren werden von einfachen Leuten gespielt. Ein Jahr lang hatten die Organisatoren nach Klausenburgern gesucht, Filmstars aus Hollywood ähnlich sehen, gesucht. Sie haben einen einheimischen Robert de Niro, einen Arnold Schwarzenegger, einen Tom Hanks, eine Marylin Monroe, eine Audrey Tautou (die Hauptdarstellerin im Film „Die fabelhafte Welt der Amelie Poulain) und sogar eine Rebecca Williams (die Krankenschwaster aus Forrest Gump) gefunden. In den Werbespots gab es je eine Szene aus dem Originalfilm, der ein „siebenbürgischer Twist“ eingebaut wurde. So bringt ein Kellner Amelie eine Portion Gulasch, an der Parkbank, wo Forrest Gump sitzt, kommt eine Blumenverkäuferin vorbei und ein paar junge Männer mit starkem Klausenburg-Akzent scherzen über den „Terminator“, der auf seinem Motorrad an der Ampel wartet.
Nach 4 Tagen, 30 Filmen (von denen 17 Kurzfilme sind) und 1743 Minuten (29,5 Stunden) vor dem Bildschirm blieben mir, wie immer, Bilder im Kopf: ein Liebespaar, das vor einem ausbrechenden Vulkan steht, ein kleiner Junge, der plötzlich wie ein Erwachsener spricht, eine hysterische Frau, die ihren Mann im Auto anschreit, ein Mädchen, dass einen Jungen auffordert, eine ganze Vodkaflasche zu trinken, ein Haus, das in Flammen steht und Wellen, die so groß wie ein Wolkenkratzer sind. In dieser Auflage ging es sehr viel um Beziehungen zwischen Menschen. Das klarste Bild ist aber das von dem vollen Saal des Studentenkulturhauses bei der Projektion des rumänischen Films „Sieranevada“. Filme soll man im Kino sehen. Dafür setzt sich TIFF Jahr für Jahr ein. Das Festival, das Jahr für Jahr größer wird und immer mehr Zuschauer in seinen Bann zieht hat es bisher in Klausenburg geschafft, ein paar Kinos vor dem Verfall zu retten. Im „Dacia“-Kino im Stadtviertel Manastur werden ab diesem Sommer wieder Filme ausgestrahlt. Das alte Filmlager (Depozitul de Filme) ist inzwischen Veranstaltungsort für verschiedene Kulturevents. Und die Liste geht jedes Jahr weiter.
(Fortsetzung folgt)
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