Totalitäre Geheimdienste als Hauptthema
17.02.11
Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik, 22. Jg., Nr. 1 und 2 (Herbst 2010)
Letztendlich scheint auch für die rumäniendeutsche Minderheit die Zeit der Enthüllungen gekommen zu sein. Mehr oder weniger bekannte Namen, vor allem aus den Reihen der Schriftsteller und Journalisten, werden im Zusammenhang mit einer Securitate-Mitarbeit genannt. Solche brisante Enthüllungen sorgen für Aufsehen, Diskussionen und auch Aufregung, weil die Reaktion der Enttarnten (die meisten haben bis zuletzt ihre Spitzel-Tätigkeit verschwiegen) ganz verschieden ist – von Reue, Rechtfertigung bis Leugnung. Die Enthüllungen sind aber eine Grundvoraussetzung, um von Vergangenheitsbewältigung oder Aufarbeitung der jüngsten Geschichtsperiode, die Jahre des kommunistischen Regimes in Rumänien und in Südosteuropa, zu sprechen.
Die von Dr. Johann Böhm herausgegebene „Halbjahresschrift“ spielt dabei eine Vorreiterrolle, weil solch sensible Themen wie Verstrickung mit dem kommunistischen Geheimdienst und Regime oder Zusammenarbeit mit den Nazis eher verharmlost oder ihnen aus dem Wege gegangen wird. Was für Sensation sorgen dürfte, wird da aber nach wissenschaftlichen Kriterien versucht vorgestellt zu werden. „Die Autoren bemühen sich um eine umfassende und objektive Darstellung der Lage in diesen Ländern und lehnen Nationalismus, Revisionismus und politischen Extremismus jeglicher Couleur ab“, versichert das Redaktionsteam auf dem Innenumschlag dieser Publikation, die ab nun nur einmal jährlich, als Doppelnummer, erscheint. Die jüngste Nummer hat „Totalitäre Geheimdienste“ zum Schwerpunkt. Dr. Böhm erläutert in seinem Editorial die Auseinandersetzung zu diesem Themenkreis wie folgt: „Zum einen mit den menschenunwürdigen Aktionen des rumänischen Geheimdienstes (Securitate) und der Stasi gegen rumänische Emigranten in Berlin in den fünfziger Jahren sowie mit den Hinterlassenschaften der Securitate, zum anderen mit den Zeiten der Unfreiheit und den Absurditäten, der Überwachungen und Bespitzelungen von Personen, die mit dem totalitären System unzufrieden waren.“
In der Sektion „Geschichte und Politik“ schreibt Georg Herbstritt über die Zusammenarbeit von Securitate und Stasi in der Verfolgung und auch Verhaftung, sogar Entführung, von rumänischen Emigranten, die in den fünfziger Jahren im damals noch ungeteilten Berlin lebten. Dabei kommt der siebenbürgisch-sächsischen Agentin „Gerda“ (alias Helene Michel) eine Hauptrolle zu. Interessant ist, dass „Gerda“ in den 1960er Jahren unter einem neuen Namen (nach einer neuen Heirat) in Kronstadt gelebt hat, wobei sie weiterhin als Securitate-Informantin tätig gewesen sein soll. William Totok zeichnet den Beitrag „Streiflichter. Aus den Hinterlassenschaften der Securitate“ und belegt mit Dokumenten, wie intensiv sich die Securitate mit der Tätigkeit der „Aktionsgruppe Banat“ beschäftigt hat, wobei sie Informanten aus dem direkten Umfeld der Verfolgten hatte. (Beide Artikel wurden ausführlich in der ADZ vorgestellt.)
Uwe-Peter Heidingsfeld schildert seine persönlichen Erinnerungen im Zusammenhang mit einer Veranstaltung anlässlich des Deutschen Evangelischen Kirchentags 1989 in Westberlin, bei der die Einladung von Herta Müller und Richard Wagner für Irritationen seitens der rumänischen Seite sorgte. Dabei habe in diesem Zusammenhang auch die damalige Leitung der evangelischen Kirche A.B. in Rumänien den Veranstaltern auf verschiedenen Kanälen ihre Bedenken geäußert und somit auf die „Ausladung“, zumindest von Richard Wagner, gedrängt.
Auf der Internetseite dieser Publikation (www.halbjahresschrift.homepage.t-online.de) besteht die Möglichkeit, ältere Beiträge zu lesen wie auch Dokumente und Kommentare zu diesen aktuellen, viel besprochenen Themen.
Ralf Sudrigian
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
13.06.25
Die Konferenzreihe ArhiDebate in Kronstadt
[mehr...]
13.06.25
Kronstädter Musikerinnen (XIII): Klavierlehrerin Adele Honigberger (1887-1970)
[mehr...]