Und es geht trotzdem weiter (II)
19.02.09
Zur Literaturtagung 2008, gewidmet der jüngsten Autorengeneration der rumäniendeutschen Literatur
Ganz anders sollte es dafür in Klausenburg zugehen. Dort war naturgemäß wegen der Feiertage und auch der beginnenden Ferien der Zuhörerkreis in einem Seminarraum der Universität kleiner als in Hermannstadt, aber gleichfalls sehr prominent besetzt mit der Leiterin des Stiftungslehrstuhls für deutschsprachige Kultur und Geschichte im mitteleuropäischen Südosteuropa, Dr. Bianca Bican, mit dem ehemaligen österreichischen Kulturattache und aktuellem Universitätsprofessor Dr. Rainer Schubert, und dem Universitätsprofessor und Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen aus Klausenburg, Dr. Wilfried Schreiber, und Frau Schlömer, der Austauschassistentin des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes.
Nachdem die jungen Autoren auch hier ihre Texte vorgetragen hatten, gab es zunächst eine rege sprachwissenschaftliche Diskussion. Der Österreicher Rainer Schubert, der schon 13 Jahre in Rumänien lebt und arbeitet, und Temeswar - sein ehemaliger Arbeitsort - gut kennt, stellte die Frage nach dem spezifischen Temeswarer Deutsch. Temeswar wurde zu Zeiten der Habsburger Monarchie liebevoll Klein-Wien - Mica Vien² - genannt. Deutsch war im 19. Jh. bis zum 1. Weltkrieg dort Umgangssprache mit seinen Spezifika. Auch die Rumänismen - die zu wortwörtlichen und nicht so sehr sinngemäßen Übertragungen aus dem Rumänischen - kamen zur Sprache und wie man sich deren stilvoll und nicht ungelenk bedienen kann, wobei wieder mal das Beispiel von Herta Müller kam, die vieles wortwörtlich aus dem Rumänischen an Redensarten und Sprichwörtern übernimmt, aber geschickt kontextuell einbindet.
Die eigentliche richtig dramatische Auseinandersetzung begann jetzt, als vom Stiftungslehrstuhl behauptet wurde „Rumäniendeutsch, das gibt es gar nicht und somit auch keine rumäniendeutsche Literatur". Dabei wurde auch wieder Bezug genommen auf das längst überholte Totengräberbuch „Nachruf auf die rumäniendeutsche Literatur", wobei diesmal versucht wurde, das Rumäniendeutsche auf das Banatschwäbische einzugrenzen und damit das Antirumäniendeutsche zu reduzieren auf ein Antibanatschwäbisches, und dieses Antibanatschwäbische sei nichts anderes gewesen als ein Abgesang auf unkritisch gehandhabte banatschwäbische Traditionen. Damit versucht man sich neuerdings dem Vorwurf zu entziehen, dass derjenige, der antirumäniendeutsch ist, auch antirumänisch ist und letztlich sogar antieuropäisch, weil gerade die rumäniendeutsche Literatur heute europaweit von Norwegen bis nach Odessa als eine gelungene Widerspiegelung eines überwiegend friedlichen Zusammenlebens trotz aller Schrecken der Jahrhundertkatastrophen betrachtet werden kann.
Dem Vorwurf schon allein der Begriff Rumäniendeutsch sei ein Konstrukt, da es auch nur Banatschwaben, Siebenbürger-Sachsen, Banater Berglanddeutsche, Zipser, Buchenlanddeutsche gegeben habe, ist so unhaltbar, wie es ja auch keine Abstraktdeutschen gibt, sondern nur Bayern, Schwaben, Franken, Pommern, Schlesier und andere Stämme, die alle letztlich Deutsche sind.
Professor Wilfried Schreiber wies vor allem auch auf die historischen Hintergründe hin, die sehr wohl den Begriff Rumäniendeutsche und rumäniendeutsch rechtfertigen. Nach dem 1. Weltkrieg, als Großrumänien mit Hilfe des von den Rumänen immer schon sehr verehrten Frankreichs entstand, hatten sich alle deutschen Siedlungsgebiete des späteren Großrumäniens für Großrumänien ausgesprochen und im neu gegründeten Staat Großrumänien 1919 eine gemeinsame parlamentarische Vertretung trotz aller sonstigen Unterschiede demokratisch ausgehandelt, so dass es selbst für dogmatische Puristen und Stammesfetischisten unleugbar ist, dass die Rumäniendeutschen gesamtheitlich als politisch vertretene Minderheit im rumänischen Parlament im neuen Staat zueinander gefunden hatten und spätestens ab 1918/19 mit Fug und Recht von rumäniendeutschen Belangen, Vertretungen, Institutionen, kulturellen Leistungen und natürlich auch von einer rumäniendeutschen Literatur gesprochen wird.
Nur auf diesem historisch-gesellschaftlichen Hintergrund ist bis heute eine rumäniendeutsche Kultur und Literatur mit eigenem unverwechselbarem Profil möglich. Wenn sich dieses Profil naturgemäß entwicklungsmäßig ändert, ja ändern muss mit der Gesamtentwicklung und selbstredend die rumäniendeutsche Literatur von heute nach dem Umbruch 1989 eine andere ist - ja sein muss - als vor dem Umbruch.
Die jungen rumänischen Muttersprachler aber, die heute Deutsch schreiben, weil sie auf diesen geschichtlich-gesellschaftlichen Hintergrund aufbauen können, einfach nur als typisch begabte junge Rumänen, die zufällig mal Deutsch schreiben, wie sie zufällig genauso gut auch Englisch oder Französisch schreiben könnten, hinzustellen, ist einfach unhistorisch.
Natürlich gibt es viele dichterischen Begabungen unter jungen Rumänen, wie schon das Sprichwort - românul e n²scut poet (der Rumäne ist als Dichter geboren) - meint. Doch es gibt keine französischen oder englischen Kindergärten oder Schulen in Rumänien, kein jahrhundertelanges Zusammenleben der rumänischen Mehrheitsbevölkerung mit einer französischen oder englischen Minderheit, da diese nie geschlossen hier siedelten und einfach deshalb, es nicht zu einer rumänienfranzösischen oder rumänienenglischen Literatur kommen konnte. Eine rumäniendeutsche Literatur gibt es genauso selbstverständlich, wie es auch eine rumänienungarische und rumänienukrainische, ja sogar eine rumänientürkische Literatur gibt, da auch diese Minderheiten hier im geschichtlichen und gesellschaftlichen Rahmen Rumänien sich hier schon jahrhundertelang schriftlich äußern. Außerdem gibt es auch eine rumäniendeutsche Literatur, auch deshalb, weil für die Autoren dieser Literatur die deutsche Sprache in Rumänien nicht nur der funktionalen Verständigung dient, sondern auch einem emotionalen und kulturellen Miteinander, da sie auch im Alltag und in den zwischenmenschlichen Beziehungen gebraucht wird. Die rumänischen Muttersprachler haben aufgrund ihrer Ausbildung in den deutschen Kindergärten und Schulabteilungen diese Sprache ebenfalls nicht nur funktional, sondern vor allem auch emotional kennengelernt und deshalb können sie sie ebenfalls so komplex gebrauchen, wie ihre deutschen oder österreichischen Altersgenossen. Ihre Texte sind denen ihrer schreibenden Altersgenossen aus dem deutschsprachigen Raum Mitteleuropas durchaus vergleichbar.
Dies kann nachgelesen werden in den 15 Anthologien der Stafette, den 30 Eigenbänden derselben, aber vor allem auch in den Büchern der mittleren Generation und der Seniorengeneration, die jetzt mit einzubeziehen hier zu weit führen würde. Aber auch schon die Beiträge dieser jüngsten Generation beweisen klar: es geht trotzdem weiter mit der rumäniendeutschen Literatur.
Ingmar Brantsch
(Schluss)
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