„Unsere Schuld war immer schon, dass es uns gibt“
21.07.23
Neuerscheinungen und Erinnerungen anläßlich des 98.Geburtstages von und an Hans Bergel
In wenigen Tagen wäre der am 26. Juli 1925 in Rosenau geborene Schriftsteller, Essayist, Journalist Hans Bergel 98 Jahre alt geworden. Doch leider erlebte er dieses durch seinen am 26. Februar 2022 erfolgten Tod nicht mehr, die Glückwünsche müssen ausbleiben, es sind die Würdigungen und Erinnerungen geblieben die allerdings unzureichend sind um die Persönlichkeit des Verstorbenen zu betonen. Neuerscheinungen, Buchvorstellungen sind erschienen die an den Autoren, Schriftsteller erinnern der betonte sein Leben ist das Schreiben, ansonsten nichts. Und dieses war wie das eines Helden seiner Romane und Erzählungen ausgehend von seinen glücklichen Jugendjahren, dann über die Verurteilungen in politischen Prozessen und Häftling der gefürchtetsten Gefängnissen oder Bergwerken, bis zu seiner Ausreise 1968 in die Bundesrepublik Dank der Interventionen auf höchster Ebene von Günther Grass. Unser ehemalige Kollege der kurze Zeit als Redakteur der „Volkszeitung“ (1957 - 1958) da verbrachte bis er im Schriftstellerprozess 1959 zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde, hat dann nach seiner Aussiedlung eine aufsehenerregende Karriere eingeschlagen. Er war Chefredakteur der „Siebenbürgischen Zeitung“ (1970 – 1989) eine Funktion die dann ebenfalls ein unserer ehemaligen Kollegen Hannes Schuster übernehmen sollte, als Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks, Mitherausgeber der „Südostdeutschen Vierteljahresblätter“, war auch politisch aktiv als Stellvertretender Vorsitzender der Landmannschaft der Siebenbürger Sachsen für deren Rechte er zum Sprachrohr wurde. Er hat nie mit Haß auf die in Rumänien in Demütigung verbrachten Jahre zurückgeblickt, hat Freundschaften aus seiner Jugend, als Sportler weiter gepflegt. Nach Einsicht seiner Securitateakten nach der Wende von 1989, war er immer wieder Gast seiner abgestammten Heimat, zahlreiche seiner Werke erschienen in rumänischer Übersetzung, er erwarb sich der Freundschaft und Schätzung hiesiger Schriftsteller und Literaturfreunde. Er wurde als Mitglied der Kronstädter Filiale des Rumänischen Schriftstellerverbandes aufgenommen und erhielt die Ehrenmitgliedschaft, es wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Bukarester Universität verliehen, sowie der rumänische Kulturverdienstorden im Rang eines Offiziers. In Deutschland wurden ihm der Georg-Dehio-Preis für Kultur und Geisteswissenschaften, der Andreas Gryphius-Preis u.a. Ehrungen erteilt.
„Die Stunde der Schlangen“
Der 2022 in Berlin bei Edition Noack & Block in der Frank & Timme GmbH erschienene Band, umfaßt zehn Erzählungen von Hans Bergel ursprünglich als Kapitel eines Romans gedacht mit dem seine Trilogie abgeschlossen werden sollte. Bekannt sind die ersten beiden Bände „Wenn die Adler kommen“ (1996), „Die Wiederkehr der Wölfe“ (2016) die nicht nur mehrere Auflagen erlebten, aber auch in rumänischen Fassungen erschienen sind, und so der Schriftsteller dem hiesigen breiten Publikum gut bekannt wurde. Dieses vor allem da die Handlungen praktisch in die Geschichte des 20. Jahrhunderts verankert sind, persönliche Erinnerungen in diese aufgenommen wurden. Der dritte Band ist nicht mehr als solcher erschienen, doch die Erzählungen aus dem Inhalt des Bandes „Die Stunde der Schlangen“ zeugen erneut von seiner sprachlichen Kunst, von der Kenntnis der Erlebnisse von Persönlichkeiten die dann schriftstellerisch bearbeitet wurden. Allein die Erzählung „Die Wandlungen des Dr. Fulda oder die Stunde der Schlangen“ aus dem Inhalt des Bandes, kann schon durch den Tathergang und die Bindung an die Aktualität der Nachkriegszeit als die Securitate in allen Bereichen das Sagen hatte, als Kurzroman bezeichnet werden. Dieser wurde von Octavian Nicolae ins rumänische Übersetzt und erschien als Buch mit einem Vor- und Nachwort von Mihaela Malea Stroe im Eikon Verlag Bukarest 2022. Die Erzählung von Hans Bergel in der rumänischen Fassung erschienen unter dem Titel „Metamorfozele doctorului Fulda“ hat der Autor der rumänischen Schriftstellerin und Lyrikerin Ana Blandiana gewidmet. Wie Mihaela Malea Stroe in ihrem Vorwort betont, war es auch der besondere Wunsch des Autoren, daß diese Erzählung in rumänischer Fassung und in Buchformat erscheint. Verständlich da das Trauma des Haupthelden Dr. Fulda nach seiner Rückkehr in die Heimat einen Vergleich zum eigenen Leid nach seiner politischen Verfolgung darstellt.
Dr. Claudiu Fulda der in Sorbonne 1940 in Kunstwissenschaft und Philosophie promoviert hat, dann 1945 in Oxford Kirchengeschichte und Kanonisches Recht ist der Hauptheld. Nach seiner Rückkehr in die Heimat wo sein Jugendliebe Julia deren Eltern namhafte Universitätsprofessoren waren und auf ihn wartete, musste er den Tod der eigenen Eltern erleben, die Zurückhaltung von Personen mit leitenden Funktionen wegen seien im Ausland durchgeführten Studien. Ein Vetter Julias Victor Costin wurde von der Securitate verfolgt da er als Partisan in den Bergen kämpfte. Wegen den vermutlichen Verbindungen zu ehemaligen Mitarbeitern im Ausland, wurde er durch Verrat seines besten Freundes in einen politischen Prozeß verwickelt, zu zehn Jahren Haft verurteilt. In der Zwischenzeit hat er seine Gattin verloren die den Verräter heiratete, seine engsten Verwandten, und wurde selbst zum Spitzel, um nach der politischen Wende als solcher entlarvt zu werden, und um sich die Frage zu stellen „sind wir nicht alle abartig?“ Um dem Hauptheld einen vermeintlichen Grund für diese Verfolgungen zu nennen, betont sein Schwiegervater:“Unsere Schuld war immer schon, dass es uns gibt“. In Zusammenhang mit dieser Erzählung muß der Beitrag von Hans Bergel erschienen in seinem Band „Randbemerkungen. Das Jahrhundert, an dem ich teil hatte“ (2020) über den antikommunistischen Widerstand, die Partisanenkämpfe in den Bergen, die Persönlichkeit von Ion Gavril² Ogoranu gebracht werden. Bezeichnend daß Hans Bergel diese Erzählung Ana Blandiana gewidmet ist, sie war die Persönlichkeit die sich für die Gründung des Memorials von Sighet eingesetzt hat, das dem antikommunistischen Widerstand und deren Vertretern gewidmet ist, der Autor selbst als Widerstandskämpfer und politischer Häftling nach dessen Gründung mehrmals da an Tagungen teilgenommen hat.
Der ständige Drang zu schreiben
Zehn Schriftsteller faßten in dem rumänischsprachigen Band „Hans Bergel: Nevoia iperioas² de a scrie“ Erinnerungen an sein Schaffen, an Zusammenkünfte und Aussprachen mit Hans Bergel, Meinungen zu seinem Werk. Ana Blandiana erinnert sich an den Scharm von Hans Bergel die Leser um sich zu sammeln was sie vor Jahren bei der Leipziger Buchmesse feststellen konnte. Sie hebt sein klares Denken in Siebenbürgen wie in Bayern hervor das ihn kennzeichnete. Peter Motzan schildert den Werdegang Bergels, bietet Einblick auf den Schriftstellerprozess in dem dieser verurteilt worden ist. Es folgt ein Auszug aus dem Roman „Tanz in Ketten“. Gheorghe Stanomir betont, daß im Vergleich mit dem Schaffen von Adolf Meschedörfer, Erwin Wittstock, Oskar Walter Cisek oder Paul Schuster, die Prosa Bergels den Stab der sozialen sächsischen und deutschen Bindungen auf einen höheren Stand in der rumänischen Makrokultur gehoben wird. Alexandru Cizek würdigt die Rolle der Germanistin Renate Windisch-Middendorf bei der getroffenen Auslese des geführten Briefwechsels zwischen Bergel und Manfred Winkler. Olivia Spiridon betont, daß außer Heinrich von Kleist und Oskar Walter Cisek als seine Idole für Bergel, der originelle Klang der Erzählung von einem Hirten hinzukam. Ion Dumitru, Adrian Lesenciuc Vorsitzender der Kronstädter Filiale des Schriftstellerverbandes, wie auch Cornel Nistea oder Mihaela Stroe Manea in ihren mit Hans bergel geführten Interviews gehen diese auf seine Begenungen mit rumänischen Schriftstellern ein, auf den Stellenwert der rumänischen Literatur. Und schlielßlich ist eine Würdigung auf Hans Bergel anläßlich seines 95. Geburtstages gezeichnet von Mircea Popa in den Band aufgenommen. Hans Bergel weilt nicht mehr unter uns, doch sein Schaffen wird überleben.
Dieter Drotleff
Foto: Beim 40-jährigen Jubiläum der KR 1997, war Hans Bergel als ehemaliger Kulturredakteur unserer Vorgängerin der „Volkszeitung“ auch dabei.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
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Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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