Unterwegs auf der Insel der Götter
27.01.23
Teil 1: Das berühmte Spiegelfoto, die Unendlichkeits-Schwimmbecken und die Affen
Es ist 6 Uhr morgens am 31.Dezember. Der Himmel ist mit rosa Streifen übersät und langsam erscheint am Horizont, über dem majestätischen Gunung Anung-Vulkan, ein feuerroter Punkt. Es ist der letzte Sonnenaufgang des Jahres 2022 auf der indonesischen Insel Bali. Auf der Terrasse gegenüber des Lempuyang-Tempels geht es schon lebhaft zu. Touristengruppen haben die wenigen Tische besetzt, man bestellt balinesischen Kaffee und Mango-Tee, fotografiert den Djungel, der genau hinter der Terrasse beginnt und unterhält sich über die Pläne für die bevorstehende Silvesternacht. „Ihr habt Glück. Heute scheint nicht so viel Andrang zu sein”, meint Enewan, unser Fahrer, der uns schon um 3 Uhr morgens im Hotel abgeholt hat. Wir sind aus dem Zentrum der Insel in den Osten gefahren, im letzten Abschnitt auf einer kurvenreichen Straße, die sich steil den Berg hinaufschraubt. Am Parkplatz haben wir einen Sarong gemietet, der Beine und Schultern bedeckt, anders darf man nicht in den Tempel. „Unsere Wartenummer ist 49. An anderen Tagen hatte ich Wartenummer 180 oder sogar 300”, meint Enewan.
Das Himmelstor auf Instagram
Bis wir unseren Kaffee fertig getrunken haben, ist schon die Wartenummer 30 an der Reihe. Ich leihe mir noch für 150 Indonesische Rupiah (umgerechnet etwa 10 Euro) eine balinesische Tracht mit weißer Bluse und pinkfarbenem Rock aus. Das Mädchen, das mir beim Anziehen hilft, flechtet meine Harre und steckt mir eine rote Blume hinein. Inzwischen brennt die Sonne schon ganz stark, obwohl es erst 7 Uhr 30 ist. Der Himmel ist blitzblau. „Ein wahres Glück. Manchmal ist es so bewölkt, dass man den Vulkan im Hintergrund gar nicht sehen kann. Dann wird das Foto nicht so gut”, freut sich Enewan.
Beim verschnörkelten Tempeltor, das „Himmelstor” (Gate of Heaven) genannt wird, warten die Touristengruppen geduldig. Dann wird unsere Nummer gerufen. Ich gebe mein Handy an einen Mann ab. Ist man unter dem Tempeltor, hat man etwa 2-3 Minuten für Fotos Zeit. Wenn der Mann mit dem Handy „Next Pose” schreit, muss man eine andere Pose einnehmen. Wenn er „Jump” schreit, soll man springen. Dann holt man das Handy ab und schaut sich die Fotos an.
Auf den Fotos erscheint im Wasser jeweils das Spiegelbild der posierenden Touristen. Nur: in Wahrheit gibt es gar kein Wasser beim Lempuyang-Tempeltor.
Für den Effekt werden die Fotos jeweils mit einem Spiegel, der unter den Smartphones angebracht wird, geknipst. Eine Idee, auf die die Verwalter des Tempels nach der Corona-Pandemie gekommen sind. Vor Corona soll es keine Wartenummern gegeben haben, und die Touristen mussten das Foto selbst machen. Und ohne den Spiegel-Effekt.
Ein Geschäft mit der Eitelkeit
Das berühmte Spiegelfoto ist der Grund, weshalb täglich Tausende von Touristen am Himmelstor antreffen. Manchmal warten sie sogar bis zu 4-5 Stunden in der Hitze, um abgeknipst zu werden. Dann laden sie das Foto auf Instagram hoch. Wenn man dort den Begriff „Gate of Heaven Bali” in die Suchmaschine eingibt, erscheinen Tausende von Fotos mit Leuten, die vor dem Tempeltor in die Höhe springen. Es ist schon zum Klischee geworden. Ich schaue mir unsere Fotos an, die wirklich sehr schön sind, und muss an die Touristen- Fotos vor dem schiefen Turm von Pisa denken, auf denen es scheint, dass man den Turm wegschiebt. Ich erinnere mich auch an eine Holztür, die vor etwa 12 Jahren auf einem Hügel in Vama Veche an der Schwarzmeerküste angebracht wurde. Am Anfang fanden es alle toll, sich zu fotografieren, während sie durch diese Tür schreiten, das Meer im Hintergrund. Dann gab es eine neue Sommermode: sich mit einem Riesen-Plastikflamingo am Strand oder am Pool ablichten lassen. Inzwischen sind die Flamingos, wie auch die hölzerne Tür, aus der Zeit gefallen. Dann erinnere ich mich an ein grünes Straßenschild im mexikanischen Tulum, auf dem stand: Follow that dream (Folge dem Traum). Auch vor diesem Straßenschild ist dauernd eine Instagram- Warteschlange.
Auch in Bali hat man gemerkt, dass man mit der Eitelkeit der Menschen viel Geld verdienen kann. Tourismus ist für die etwa vier Millionen Bewohner der indonesischen Insel eine wichtige Einnahmequelle. Vor Ausbruch des Corona-Virus kamen jährlich mehr als fünf Millionen ausländische Gäste nach Bali. Seit März 2022 wurde Bali wieder für Touristen geöffnet- allerdings nur für diejenige, die drei Impfungen gegen das Coronavirus vorweisen können. Leute mit zwei Impfungen müssen sieben Tage in Qarantäne bleiben, falls man nur eine Impfung hat oder gar nicht geimpft ist, wird man nicht ins Land eingelassen.
Der Charme der hängenden Gärten
Um ein Anziehungspunkt für Touristen zu sein, muss man sich dauernd etwas Neues ausdenken. Und in der Instagram-Ära müssen es eben Instagram-Orte sein (wunderschöne Foto-Kulissen, bei denen man etwas nachhilft, um sie noch schöner zu machen). Ein solcher Ort ist zum Beispiel ein Infinity-Pool, in deutscher Übersetzung: Unendlichkeits-Becken. Das ist eine besondere Art von scheinbar kantenlosem Schwimm- oder Reflexionsbecken, bei dem ein Ende so angesenkt ist, dass man den Eindruck hat, das Wasser würde im Nichts (oder in der Unendlichkeit) verschwinden. Tatsächlich läft das Wasser über die abgesenkte Kante eines Überlaufs în eine außén befindliche Überlaufrinne ab. Dieser Unendlichkeits-Effekt ist besonders eindrucksvoll, wenn das Wasser des Beckens scheinbar mit dem Wasser eines Meeres verschmilzt. Oder mit dem grünen Djungel, so wie in Bali. 14 Kilometer von Ubud entfernt befindet sich „Hanging Gardens of Bali”, eine Poollandschaft mitten im Djungel, die sich über mehrere Etagen und hängende Gärten erstreckt. Zu den Pools und dem Restaurant gelangt man mit einer Seilbahn, die von der Rezeption abfährt.
Will man einen Tag hier verbringen, muss man 500.000 Rupiah pro Person zahlen- das sind umgerechnet etwa 150 Lei. Dafür bekommt man einen Gutschein, mit dem man Speisen und Getränke kaufen kann- der Eintritt ist also frei, nur muss man im Restaurant bestellen. Es lohnt sich auf jeden Fall, besonders deshalb, weil man im Pool ruhig seine Runden drehen kann- oft ist man alleine dort. Die Leute scheinen nicht her zu kommen, um zu schwimmen und um die Landschaft zu genießen, sondern um Fotos für Instagram zu machen. Eine asiatische Frau wechselt sogar mehrere Outfits (es sind meistens lange Kleider in bunten Farben mit Rüschen) während ihr Mann geduldig zwei Stunden lang Fotos von ihr knipst. Dabei sitzt sie, in einem Seidenkleid angezogen, genau auf der Kante des Pools, was sehr gefährlich sein kann. Es geht immer darum, das perfekte Foto zu haben und weniger darum, die Natur zu genießen.
An das perfekte Foto denken auch die Kleiderverkäufer. „Take this dress. It´s good for foto on swing!”, ruft ein Mann aus einem Geschäft, als wir vorbeigehen. Dort werden lange Kleider verkauft, die gut in Fotos aussehen, wenn man sich zum Beispiel auf einer der vielen Instagram-Schaukeln auf der Insel ablichten lässt. Während des Schaukelns vergisst man oft, die Natur zu genießen, sondern denkt nur daran, wie man die Beine strecken muss damit das beste Foto entsteht. Dabei ist es ein wunderbares Gefühl, über den Reisfeldern zu schweben.
Achtung, Affen!
Die einzigen Momente, wo die Touristen ihre Handys lieber in der Tasche lassen, sind diejenigen, in denen sie Affen begegnen. Das passiert in der Ortschaft Ubud bei Schritt und Tritt. Doch auch im Süden am Strand oder am Uluwatu-Tempel. Es besteht dauernd die Gefahr, dass die Affen die Handys einem einfach aus den Händen reißen und damit davonlaufen. Die Affen auf der Insel gelten als heilig, doch kann es oft gefährlich sein, sie zu fotografieren während sie auf deiner Schulter sitzen. Taxifahrer und Restaurantbesitzer warnen oft vor den Tieren. „Gerade eben habe ich Touristen ins Krankenhaus gefahren, sie wurden von Affen gebissen”, erzählt uns ein Fahrer. Dann erklärt er uns, dass wir Affen nie in die Augen schauen müssen. „Wenn ihr beim Lächeln eure Zähne zeigt, interpretiert das der Affe als Aggressivität. Tragt am besten keine Plastiktüten mit euch herum, die Affen denken nämlich, dass in ihnen Futter ist. Tragt keine Sonnenbrillen, sie werden sie klauen”- so lauten die Ratschläge immer. Doch manchmal vergisst man diese Aspekte. Am Strand Padang-Padang in der Nähe von Uluwatu lasse ich meine Kokosnuss auf dem Handtuch mit dem Gedanken, sie auszutrinken wenn ich wieder aus dem Wasser zurück bin. Doch während ich unwissend schwimme, setzt sich ein Affe auf mein Handtuch und trinkt die Kokosnuss aus. Auch in unserem Hotel, das in Ubud direkt neben dem Affenwald liegt, gibt es an einem Vormittag Überraschungen. Während des Frühstücks hüpft plötzlich ein Affe auf unseren Tisch, nimmt sich ein Toastbrot aus dem Korb und verschwindet wieder in den Wald. Solche Begebenheiten gehören auf Bali zum Alltag.
Fortsezung folgt
Elise Wilk
Das Tor des Lempuyang-Tempels mit dem Spiegel-Effekt. Foto: Die Verfasserin
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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