Vergebung und Versöhnung
21.11.19
In Erinnerung an Stadtpfarrer Mathias Pelger / von Eckart Schlandt
Über 33 Jahre hinweg diente Pfarrer Mathias Pelger in der Honterusgemeinde, davon 25 Jahre als Stadtpfarrer und acht als Pfarrer in Kronstadt-Martinsberg. Obschon er aus der Mediascher Gegend (aus Meschen) stammte, wurde er zum Inbegriff des Kronstädters. Während seiner gesamten Amtszeit stellte er sich den Widrigkeiten trotzend in den Dienst der Honterusgemeinde, mit wachen Augen erkannte er die Gefahren und überwand so manche Herausforderung im Alleingang.
In seinem Elternhaus wuchsen drei Brüder auf. Den Vater lernte er kaum kennen, denn dieser kam aus dem Krieg nicht mehr zurück. Ein Bruder starb bei einem Verkehrsunfall und der andere Bruder lebt in Deutschland. In der Schulzeit finden wir ihn in Meschen und Mediasch, es folgt das Theologiestudium in Hermannstadt und Klausenburg. Schon in dieser Zeit macht er Bekanntschaft mit den Sicherheitsorganen, die sich als Informanten, Zuträger, Agenten in die Gesellschaft einschleichen und in verschiedenster Weise Druck ausüben, Spitzel rekrutieren und ausbilden.
Schon während seiner ersten Pfarrstelle in Abtsdorf bei Agnetheln häufen sich die Eintragungen im Dossier „Mathias Pelger“: Kindergottesdienst, Jugendarbeit, Überschneidungen mit staatlichen Feiertagen, Kinderchor, Zusammenkünfte der Gemeinde, alles wird als störend empfunden. Besonders aber das aufrechte Wesen und Sichnichtbeugen vor den Staatsorganen ist schwer zu dulden. Eine gute Gelegenheit, seiner habhaft zu werden, ergibt sich, als sich Mathias Pelger im Straßenverkehr etwas zuschulden kommen lässt: Er wird zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt, kann einen Teil der Strafe in Kleinkopisch abarbeiten, als kräftiger Bauernbursche leistet er manchmal zwei Tagesnormen.
Diese Gefängnisstrafe wird ihm immer wieder vorgehalten, wenn es um die Bewerbung in eine andere Gemeinde geht. Nach acht segensreichen Jahren in Abtsdorf, die Mathias Pelger als sehr glücklich empfindet, da er die gespaltene Gemeinde wieder zusammenschweißt, kommt er nach Kronstadt-Martinsberg, wo ihm in den Jahren 1968-1976 von der Securitate Ähnliches wie bereits in Abtsdorf vorgeworfen wird. Besonders ab dem Jahr 1976, als Mathias Pelger bereits an der Schwarzen Kirche tätig ist, gibt es zahlreiche Vorladungen wegen Zusammenkünften mit Intellektuellen, wegen Kontakten zu Ausländern, dem Nichtanmelden eines ausländischen Besuchs und besonders wegen seiner Gesprächsthemen. Es ist eindeutig: Die kirchlichen Vertreter gehören zum Klassenfeind.
In den Jahren nach der Wende hat Mathias Pelger sein Dossier (Codename Mateescu) teilweise einsehen und seine Rückschlüsse daraus ziehen können.
Mathias Pelger hat sich mit den verschiedensten Anfeindungen zurechtgefunden, hat nichts unversucht gelassen und war auch mit Teilerfolgen zufrieden. Die Arbeit ging unbeirrt weiter, zum Nutzen der Gemeinde. Dabei war er sozial engagiert, besonders in der Gemeinde, auf Ausflügen, in Konzerten oder als leidenschaftlicher Sänger im Bachchor.
Seine treueste Freundin und gelegentlich auch seine Kritikerin war die Musikerin Irmgard Fleischer, die er im Jahr 1969 heiratete. Die ursprünglich kinderlose Ehe wurde im Jahre 1980 durch die Adoption von Stefan bereichert und vervollständigt.
Kurz nachdem Mathias Pelger die Stadtpfarrstelle angenommen hatte, löste sich im Jahre 1977 die staatliche Direktion für Denkmalpflege „Directia patrimoniului“ auf. Dieses Amt hatte bereits Jahre vorher die Dachreparatur der Schwarzen Kirche und andere Dinge besorgt. Nun mussten neue Facharbeiter gesucht und vor allem die notwendigen Geldmittel bereitgestellt werden. Das ging längerfristig nur über das Ausland, aber genau das störte die Sicherheitsbehörden in der Angergasse. Es gab viel Ärger und zahlreiche schlaflose Nächte.
Die Evangelische Kirche im Rheinland hatte die Patenschaft über die Evangelische Kirche A.B. in Siebenbürgen übernommen und substantiell helfen können.
Aber auch vor Ort waren entscheidende Männer vonnöten, besonders die Gemeindekuratoren Otmar Richter, Erwin Hellmann oder die Architekten Hermann Fabini, Werner Schobel, Günther Schuller und Ulrich Kaicher. So konnte die Innensanierung der Schwarzen Kirche 1984 abgeschlossen werden, der lichtüberflutete Chorraum der Kirche wurde nach zwölf Jahren (1972-1984) wieder zugänglich gemacht.
Im innerkirchlichen Dienst war Mathias Pelger äußerst gründlich. Er passte sich den Gegebenheiten stets an, regte aber auch Neues an. Mit seinen Pfarrkollegen Morscher und Bonfert erarbeitete er u. a. die Gottesdienstordnungen, setzte sich nachdrücklich für die Einführung des neuen Gesangbuches ein, die Abendmahlsgottesdienste wurden ins rechte Licht gerückt, Krankenbesuche waren sehr häufig vorgesehen. Hier half ihm seine Frau Ima maßgeblich. Soweit es ihm möglich war, nahm er an theologischen Konferenzen teil, kam freudestrahlend zurück und gab diese Freude weiter. Die Außenrestaurierung der Schwarzen Kirche konnte im Jahre 1999 abgeschlossen werden, die große Buchholzorgel restauriert und das Altenheim Blumenau eingeweiht werden.
Als Mathias Pelger das Pensionsalter erreicht hatte, wanderte er aus familiären Gründen aus. Sein Optimismus hat ihn auch in Deutschland nicht verlassen. Er übernahm zahlreiche Vertretungsdienste in Drabenderhöhe und besonders in der Augsburger Gegend. Sein letzter Aufenthaltsort war das Altenheim in Rimsting, wo er am 11. November an Herzversagen verstarb. Seine verdienstvollen 33 Jahre in Kronstadt sind allen unvergessen, die ihn miterlebt haben. Aber auch der Mehrheitsbevölkerung wird er in Erinnerung geblieben sein: Am 22. Dezember 1989 kniete diese zu Tausenden bei Glockengeläut (als Aufforderung zum Gebet und nicht zum Losschlagen) auf dem Marktplatz nieder, und später wurde sie beim Sitz des Sicherheitsdienstes aufgefordert: „Fara violenta“, was damals nicht alle verstanden haben. Mathias Pelgers oberstes Gebot war „Vergebung und Versöhnung“. Die über Jahrzehnte hinweg bekämpfte und totgeschwiegene Kirche hat uns einen Blick in die Zukunft gewiesen.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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