Vergoldeter Stuck auf weißem Grund…
03.10.19
Als Konzerthaus gebaut: Vor 125 Jahren wurde die „neue“ Redoute in Kronstadt ihrer Bestimmung übergeben (I)/Von Wolfgang Wittstock
Mit enthusiastischem Vokabular wie „Monumentalbau“ oder „Zierde der Stadt“, die einen „sehr freundlichen Eindruck“ macht, würdigten Presseberichte vor 125 Jahren die Einweihung des allen Kronstädtern als „Redoute“ bekannten neuen Konzerthauses in der Hirschergasse Nr. 10 (heute Nr. 8). Dieses wichtige Ereignis im gesellschaftlichen und künstlerischen Leben Kronstadts fand am 7. Oktober 1894 statt: Zur Eröffnung gab es am Vormittag eine Matinee mit Festrede, Prolog und musikalischen Darbietungen der Kronstädter Philharmonischen Gesellschaft sowie des Kronstädter Männer-Gesangvereins und dessen Damenchores, worauf am Abend ein Festball folgte, der mit der Aufführung des pantomimischen Bühnenspiels „Märchentraum im Walde“ durch Kronstädter Dilettanten eingeleitet wurde.
Bauherr der „neuen“ Redoute war die Kronstädter Allgemeine Sparkasse, und dazu kam es auf folgende Weise: Die ersten Wanderschauspieler, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach Kronstadt kamen, hatten ihre Vorstellungen in dem 1545 von Apollonia Hirscher errichteten Kaufhaus gegeben. Im Jahr 1794 richtete der Stadtturner (Stadtmusikant) und Kaufmann Johann Abraham auf dem Fischmarkt (der heutigen Hirschergasse, zeitweilig auch Theatergasse genannt) ein Ballhaus ein, das auch für Theatervorstellungen genutzt werden konnte. Am 5. Oktober des genannten Jahres zog die von Franz Xaver Felder geleitete Schauspieler- und Sängergesellschaft in dieses Haus – die sogenannte „alte“ Redoute – ein. Als Eröffnungsvorstellung wurde August Wilhelm Ifflands Stück „Die Jäger“ gegeben.
Nahezu ein Jahrhundert lang benützten die in Kronstadt lizenzierten Theatergesellschaften den Tanzsaal in der alten Redoute, als dessen Eigentümerin ab den 1830er Jahren eine gewisse Elisabetha Brünebarbe angeführt wird, für ihre Vorstellungen. Doch die Voraussetzungen für szenische Darbietungen waren hier offenbar nicht die günstigsten, denn im Jahr 1837 regte der Magistrat der Stadt die Erbauung eines Theaters mit Tanzsaal, verbunden mit einem Hotel, an. In den Jahren 1837-1848 entstanden sechs Baupläne auf städtische Kosten, im Winter 1847/48 wurde in den städtischen Waldungen bereits das Bauholz gefällt, doch die Revolutionsgeschehnisse verhinderten die Ausführung des geplanten Theaterbaues. Zu neuen Anläufen kam es 1857, 1879 (als ein Theaterbaufonds-Verein gegründet wurde, der sich 1891 auflöste) und 1888. Im Dezember 1891 war die Kronstädter Allgemeine Sparkasse als Gläubigerin genötigt, die alte Redoute zu kaufen, und im März 1892 fasste deren Generalversammlung den Beschluss, den Bau eines Ball- und Konzerthauses auf dem Bauplatz des alten Redoutengebäudes in Erwägung zu ziehen. Der Plan wurde alsbald in die Tat umgesetzt, nachdem die Errichtung eines Gesellschaftshauses auf dem Rudolfsring zunächst erwogen, dann aber verworfen worden war. (Hermannstadt hatte sein Gesellschaftshaus 1884 erhalten, und möglicherweise gab es in Kronstadt Bestrebungen, diesbezüglich nicht zurückzubleiben.)
Im Stil der italienischen Renaissance
Das neue Konzerthaus wurde anstelle der alten Redoute sowie auf dem dazu erworbenen Grundstück des Schwarzschen Hauses und dem Fischmärkter Nachbarschaftsbackhausgrund errichtet. Die Höhe der Bau- und Einrichtungskosten (einschließlich der Ausgaben für den Baugrund) werden vom damaligen Stadtarzt Eduard Gusbeth mit 177.000 Gulden angegeben. Ursprünglich war das Gebäude als Konzerthaus mit Restauration und Café konzipiert worden, doch erteilte die Baubehörde auf Ansuchen auch die Bewilligung zur Veranstaltung von Theatervorstellungen. Die Errichtung eines richtigen Theaters mit allen nötigen technischen Einrichtungen war der zu hohen Kosten wegen „auf bessere Zeiten vertagt“ worden. (E. Gusbeth).
Erbauer der neuen Redoute war der Architekt und Stadtingenieur Christian Kertsch, dessen Pläne, wie Gusbeth schreibt, von der bekannten Wiener Theaterbaufirma Hellmer und Fellner „mit geringen Abänderungen als sehr zweckmäßig bezeichnet“ wurden. Die im Stil der italienischen Renaissance gestaltete Fassade kennzeichnete Zweck und Bestimmung des Gebäudes: Den gesimsartigen Dachansatz schmückte u.a. an zentraler Stelle das Standbild des Musenbeschützers Apoll, die Leier in der Hand, während aus den Bogenfenstern des Stockwerks die Büsten namhafter Dichter und Komponisten – Goethe, Wagner, Schumann, Shakespeare, Mozart, Beethoven, Schiller (v.l.n.r.) – herabblickten. Die Apoll-Figur und die übrigen Gesims-Verzierungen sind offenbar schon seit Langem abhandengekommen und nur noch auf alten Fotos zu sehen, während die Dichter- und Musikerbüsten weiterhin treu die Fassade des Gebäudes zieren.
Gegenwärtig befindet sich in der Apollonia-Hirscher-Gasse Nr. 8 das Kulturzentrum „Reduta“, das verwaltungsmäßig dem Kronstädter Kreisrat unterstellt ist. Die Fassade schmücken zwei Gedenktafeln. Die eine weist darauf hin, dass in der Redoute (es wird zwischen der „alten“ und der „neuen“ nicht unterschieden) Franz Liszt und George Enescu konzertiert haben und in der Zeitspanne 15. Mai – 16. Juni 1868 der Dichter Mihai Eminescu mit der Theatergesellschaft Pascaly hier gewirkt hat. Die andere erinnert an die Begründung der Kronstädter Philharmonischen Gesellschaft im Jahr 1878. Ein weiteres Schild weist darauf hin, dass die Redoute registriertes Baudenkmal ist.
Nostalgische Gefühle
Wer die heutige Redoute mit Beschreibungen von der Einweihung des Gebäudes vergleicht, wie sie z.B. in der „Kronstädter Zeitung“ erschienen sind, der wird sich nostalgischer Gefühle kaum erwehren können. Das Parterre beherbergte linkerseits ein geräumiges Restaurant (heute Vorstellungssaal des Puppentheaters) und rechterhand ein elegant eingerichtetes Kaffeehaus (heute etwa für Ausstellungen genutzter Mehrzwecksaal). Die Decke des Foyers im ersten Stock und Teile der Wände hatte der Kunstmaler Hans Bulhardt als Laube dekoriert. Auch die bis zehn Meter hohe Decke des Konzertsaales war mit einem auf Leinwand gemalten Kolossalbild (300 Quadratmeter), einer allegorischen Darstellung, geschmückt.
Der Redoutensaal, 24 Meter lang und 16 Meter breit, konnte für Konzerte und Theatervorstellungen genutzt werden. Die Bühne, die sieben Meter von der Saallänge einnahm, konnte ursprünglich jederzeit abgeräumt werden, was später nicht mehr möglich war; es war, wie schon angedeutet, keine vollkommene Theaterbühne – z.B. fehlte ihr ursprünglich der Schnürboden. Dreiseitig war der Saal von einer Galerie umgeben, die an den Längsseiten 2,2 Meter, im hinteren Verbindungsstück vier Meter breit war. Die ausgebauchte Brüstung zierte vergoldeter Stuck auf weißem Grund.
Aus dem Konzertsaal war durch eine Doppeltür die Konditorei zu erreichen, und ebenfalls im ersten Stock befand sich ein Speisesaal mit Orchestergalerie, der sogenannte „blaue“ Saal, der für Unterhaltungen, Hochzeiten u.Ä. gedacht war.
Heizung, Beleuchtung und Wasserinstallationen der neuen Redoute entsprachen dem neusten Stand damaliger Technik. Zwei im Keller installierte „Caloriferes“ beheizten auch Vestibül, Stiegenhaus und Konzertsaal mit warmer Luft. Die Beleuchtung des Gebäudes wurde durch 400 Auerlicht(=Gasglühlicht)-Brenner gesichert.
(Fortsetzung in unserer nächsten Ausgabe)
Anmerkung: Vorliegender Beitrag ist die überarbeitete Fassung eines Artikels, der in der „Siebenbürgischen Zeitung“, Folge 18/15.11.1994, im Zeichen des 100-jährigen Bestehens der „neuen“ Redoute veröffentlicht wurde. Dank neuerer Forschungsergebnisse konnten nun aus der älteren Literatur stammende Sachfehler (insbesondere bezüglich der Anfänge der „alten“ Redoute in den Arbeiten von Adolph Marienburg, Eugen Filtsch oder Friedrich Wilhelm Seraphin) berichtigt werden. (W.W.)
Die „alte“ Redoute, 1892/93 abgetragen (Bildquelle: Staatsarchiv Kronstadt, Reproduktion: Peter Simon)
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