„...Von der Gottheit einstens ausgegangen...“
22.10.09
Die siebente Konzertreihe der Kronstädter Musik
Wertvolle Premieren machten in der vergangenen Woche Kronstadt zum musikalischen Mittelpunkt Rumäniens. Die Konzertreihe „Musica Coronensis”, die von der Deutschen Botschaft Bukarest und der Kronstädter Honterusgemeinde veranstaltet wird, fand zum siebenten Mal statt.
Am Donnerstag, dem 15. Oktober, erklang in der Schwarzen Kirche – zum ersten Mal in Rumänien - die Messe Nr. 1 in d-Moll für Soli, vierstimmigen gemischten Chor, Orchester und Orgel von Anton Bruckner. Genau 145 Jahre nach deren ersten Fassung, die Bruckner unter dem Eindruck einer Aufführung von Richard Wagners „Tannhäuser” komponiert hatte, wurde dem Kronstädter Publikum die Musik der Messe in einer hervorragenden Interpretation vorgestellt. Das erste große Werk Bruckners, mit dem er den endgültigen Durchbruch und den Eingang in die Musikgeschichte schaffte, war auch 1864 bei seiner Uraufführung ein immenser Erfolg. Der Komponist wurde damals mit einem Lorbeerkranz geehrt, dessen Band die Aufschrift trug: „Von der Gottheit einstens ausgegangen, muss die Kunst zur Gottheit wieder führen”. Diese Worte beschreiben auch die Kronstädter Premiere am treffendsten, die erschütternde Energie dieser mächtigen Musik, die sich in der Schwarzen Kirche erhob. Rund 130 Kronstädter Musiker waren beteiligt: der Bachchor, der Astra-Chor und die Kronstädter Philharmonie sowie die Solisten Claudia Pop (Sopran), Krisztina Chripko (Alt), Mihai Irimia (Tenor) und Dan Popescu (Bas) unter der Gesamtleitung von Steffen Schlandt. Bruckners „a cappella“-Chor „Vexilla regis” und die „Aequale“ I und II für Posaunentrio sowie ein gemeinsames Gebet umrahmten die Musik der Messe.
Anschließend fand in der Aula des Honterus-Lyzeums ein Empfang statt, der von Dechant Christian Plajer als Gastgeber und dem deutschen Botschafter Andreas von Mettenheim als Ehrengast mit Dankesworten an die Künstler eröffnet wurde.
Der Freitag, 16. Oktober, wurde von jungen Kronstädter Musikern gestaltet. Am Nachmittag trat das Canzonetta-Ensemble, geleitet von Ingeborg Acker, in der Bartholomäer Kirche auf. In der ältesten Kirche Kronstadts erklang somit Musik aus fünf Jahrhunderten, vom frühen Barock bis zur Moderne, in einer jugendlichen, frischen Interpretation. Am Abend, im Saal des Armeehauses, trafen sich zwei junge und zwei erfahrene Pianisten in einem musikalischen Dialog. Remus Manoleanu und Sorin Petrescu spielten vierhändig Werke von Brahms, Iacob Muresianu, Helmut Sadler und Tiberiu Brediceanu sowie sehr moderne Kompositionen von Ionica Pop und Darie Nemes Bota. Überraschend selbstbewusst für ihr junges Alter traten auch Ioan-Dragos Dimitriu und Valentin Muresan auf, die Chopin, Schubert und Enescu mit solistischer Brillanz und reifer Empfindlichkeit interpretierten.
Ein musikalisch reicher Tag war auch der 17. Oktober. In einem neuen Saal – dem Salon des Museums für Städtische Zivilisation - wurde am Vormittag Kammermusik auf alten Instrumenten dargeboten. Die Stimmung des wunderschönen Hauses am alten Marktplatz war der passende Hintergrund für die zarten Töne der Laute und der Theorba, zwei Vorfahren der modernen Gitarre, die dem zahlreichen Publikum von Olivia Iancu und Claudiu Lobont aus Bukarest vorgestellt wurden. Nach den Stücken von Valentin Greff Bakfark und Robert Visee folgten Werke von William Byrd auf dem Virginal, gespielt von Steffen Schlandt und eine Sonate von Haydn, die Corina Ibanescu auf dem Pianoforte interpretierte. Der alte Marktplatz blieb auch in den nächsten Minuten im musikalischen Mittelpunkt, denn die älteste Glocke Kronstadts (1690) schlug 12 Uhr im alten Rathaus nach 50jährigem Schweigen. Fünf Philharmoniker musizierten als Turmbläser zu dieser festlichen Gelegenheit. Symbolisch für die Stadt wirkten auch die drei Signale, die vom Turm erklangen: ein ungarisches, ein deutsches und ein rumänisches musikalisches Thema.
Am Samstagabend wurde Kammermusik im Gemeinderaum der Honterusgemeinde dargeboten. Das Karlsruher Konzert-Duo, das seit zwölf Jahren in der ganzen Welt konzertiert und das auf Einladung des Goethe-Institutes jetzt auch in Rumänien auftritt, konnte für das Kronstädter Festival gewonnen werden. Reinhard Armleder (Cello) und Dagmar Hartmann (Klavier) schenkten dem Publikum ihre erstklassige Interpretation der Meisterwerke von Mendelssohn, Schumann, Liszt, Schostakowitsch, de Falla, Paul Richter und Enescu. Der reiche Applaus der Zuhörer überzeugten die Musiker, auch Zugaben zu spielen.
Zum Abschluss der Konzertreihe erlebte das Publikum am Sonntag ein einzigartiges Konzert in der Schwarzen Kirche. Sechs Jahrhunderte Orgelmusik erklangen von der Buchholzorgel (Hans Eckart Schlandt und Steffen Schlandt), der Empore (Jugendbachchor) und der Hesseorgel (Paul Cristian). Archivbilder aus der Geschichte der Kronstädter Orgelmusik sowie das Geschehen auf der Empore wurden auf der großen Leinwand ausgestrahlt. Von den ersten Instrumenten und Interpreten und von der Entwicklung der Orgeltradition in der Schwarzen Kirche bis heutzutage erzählte Steffen Schlandt. Die Orgel, die von Mozart als „Königin der Instrumente” bezeichnet wurde, erklang in Kronstadt schon im frühen Barock. Werke, unter anderen von Gregorius Ostermayer, Girolamo Diruta, Daniel Croner, Martin Schneider, Carl Cloos, Rudolf Lassel und Paul Richter wurden den Zuhörern dargeboten. Die 170 Jahre alte Buchholzorgel kann in jedem Sommer in über 30 Konzerten gehört werden und ist eines der wichtigsten musikalischen Prachtstücken Kronstadts.
Das Gelingen der diesjährigen Auflage der „Musica Coronensis” ist auch den wertvollen Kronstädter Musikinstrumenten zu verdanken, sowie den Werkstätten, die sie exemplarisch pflegen und für jedes Konzert vorbereiten: die Werkstatt von Arnulf Einschenk und die Honigberger Orgelwerkstatt von Ferdinand Stemmer.
Christine Chiriac
Die Kronstädter Bach- und Astrachöre sowie das philharmonische Orchester führten in der Schwarzen Kirche Bruckners Messe in d-Moll auf – die festliche Premiere der diesjährigen Konzertreihe Musica Coronensis
Foto: Peter Simon
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