Von Mandoline bis Rockmusik
15.08.25
Schäßburg im Festfieber
Einmal im Jahr, Ende Juli, findet in Schäßburg das Mittelalterfest statt. Einmal im Jahr verwandelt sich diese kleine, meist ruhige Stadt in einen Ort der Vergangenheit: Prinzessinnen und Knechte sowie Bauern wandern durch die von Musik erfüllten Straßen und Gassen der Burg. Einmal im Jahr hat man die Möglichkeit, durch die Zeit zu reisen und einen Blick in die Vergangenheit zu werfen.
Dieses Jahr war es nicht anders – und doch besonders: Zwischen dem 25. und 27. Juli feierte Schäßburg das Mittelalterfest erneut, diesmal in Feststimmung – denn es war die 30. Ausgabe. Seit 1995 erwachen die schlafenden Türme und Gassen der Burg für drei Tage zum Leben, um vergangene Zeiten wieder aufleben zu lassen. Seit 1995 kann man einen Blick in die Vergangenheit werfen und das damalige Leben in romantischem Licht sehen – als wäre es nie vergangen.
Auch ich habe mich auf diese kleine Zeitreise begeben – drei Tage lang, mit offenen Augen und gespitzten Ohren.
Freitag – der Auftakt
Am Freitag ging es also los: mit der feierlichen Eröffnungszeremonie im Festsaal des Bürgermeisteramts und einer farbenfrohen Parade durch die ganze Stadt. Adlige und Bürgerliche, Kinder und Erwachsene, Menschen in mittelalterlichen Gewändern und „moderne“ Besucher:innen, Pferde und sogar kleine Hunde zogen gemeinsam durch die Straßen, um das Fest zu eröffnen und Schäßburg für ein Wochenende in eine andere Zeit zu versetzen.
Nach der Parade verteilten sich die Besucherinnen und Besucher langsam über die ganze Burg. Noch war es nicht überfüllt: Die Atmosphäre war ruhig, fast erwartungsvoll. Man hatte genug Raum, um sich umzusehen, die Kostüme zu bewundern und sich treiben zu lassen.
Von der Bühne her hörte man Folkmusik: Flöte, Trommeln, Mandolinen – mal fröhlich, mal geheimnisvoll. Dazwischen blieben immer wieder Grüppchen stehen, um Kampfvorführungen zu beobachten. Schwertkämpfer in Rüstungen zeigten kurze Szenen, mal ernst, mal mit einem Augenzwinkern – zur Freude der Zuschauer, die sogar mitmachen konnten.
Es war ein sanfter, schöner Einstieg ins Wochenende: nicht zu voll, nicht zu laut, aber voller kleiner Details, die neugierig auf mehr machten.
Und wer weiß, vielleicht sahen Feste im Mittelalter ja wirklich so aus: Musik mitten auf dem Marktplatz, Menschen, die tanzten, lachten, und Kämpfer, die sich vor dem Publikum duellierten.
Samstag – Leben in jeder Gasse
Am Samstag war die Burg kaum wiederzuerkennen: Menschenmengen füllten die Straßen, die Stände waren belagert, und aus jeder Ecke kamen Rufe, Lachen und der Klang klirrender Schwerter. Das Fest war nun in vollem Gange.
Besonders lebendig wurde es, als die Gruppe Viatores Festives spielte – mit traditionellen Instrumenten und mittelalterlicher Musik, die durch die Gassen hallte. Die Musiker waren in Gewänder gekeleidet und ihre Musik war lebendig, rhythmisch und bewegend. Ich bekam Gänsehaut, als sich ihre Klänge mit dem Klang der alten Mauern und der abendlichen Luft vermischten.
Später am Abend gab es dann einen musikalischen Bruch – im besten Sinne: Vița de Vie, eine der bekanntesten rumänischen Rockbands, spielte auf der Bühne. Der Kontrast war stark, aber genau das machte den Reiz des Festes aus. Die Stimmung war elektrisierend und erfrischend, der Platz vor der Bühne voll, die Menge tanzte und sang mit. Mittelalter und Gegenwart trafen aufeinander und es funktionierte erstaunlich gut.
Aber trotz der lebendigen Stimmung war der Samstag auch anstrengend, denn die Sonne brannte den ganzen Tag über auf die Gassen der Burg, und Schattenplätze waren selten. Die Hitze schien alles ein bisschen langsamer zu machen – aber vielleicht passte das auch ganz gut zur mittelalterlichen Stimmung: keine Eile, kein hektisches Gedränge, nur Musik, Bewegung und der Versuch, mit einem kalten Getränk durchzuhalten.
Sonntag – das große Finale
Im Großen und Ganzen ähnelte der Sonntag den Tagen zuvor: Überall fanden Vorführungen statt – Schwertkämpfe, Tänze, Musik. Auch Viatores Festives kehrten zurück und erfüllten die Gassen erneut mit ihren lebendigen Klängen.
Tagsüber war es erneut heiß, doch gegen Abend verdunkelte sich der Himmel. Kurz vor dem letzten großen Konzert begann es zu regnen – ein Sommerregen, begleitet von Blitzen, die wie kurze Lichtshows über der Burg zuckten.
Trotz der Verspätung trat die legendäre Rockband Pheonix schließlich auf. Der Regen, die Musik, das Licht – alles vermischt sich zu einer besonderen Atmosphäre, fast schon magisch. Die Menschen tanzten trotzdem, manche im Regen, andere unter Schirmen, aber niemand schien gehen zu wollen.
Zum Abschluss gab es ein Feuerwerk – ein letztes Aufleuchten über den Türmen von Schäßburg. So ging das Mittelalterfest zu Ende: laut, leuchtend und mit einem Hauch von Nostalgie.
Drei Tage lang war Schäßburg ein Ort außerhalb der Zeit – laut, bunt, lebendig. Jetzt kehrt wieder Ruhe ein, doch die Erinnerungen bleiben. Und vielleicht, ganz vielleicht, klingt irgendwo in den Gassen noch eine Flöte nach.
Silvia-Diana Șușu
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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