Vor 50 Jahren
24.12.15
Vor 50 Jahren
1965 war das Jahr einer sanften Öffnung zur Welt, auch in Kronstadt: die neue Parteiführung wollte sich beliebt machen und Konsumgüter waren nicht mehr das Markenzeichen des dekadenten Westens, sondern „ein Bedürfnis der Bürger“ dem entgegengekommen wurde. Selbstbedienungsläden nicht nur für Lebensmittel gab es in den sich erweiternden Stadtvierteln, die Konfektionen wurden farbenfroher und im Trend westlicher Journale. Aus dem Rundfunk erklangen schon seit geraumer Zeit die Beatles, welche Amerika schon erobert hatten und deren „Yesterday“ (von der LP „Help!“) auch heute noch erfolgreich gespielt und gecovert wird. Die vier Jungs aus Liverpool lösten die weltweite Revolution des Rock & Roll aus, die über den Äther auch nach Rumänien kam. Auch die Legende der rumänischen Rockmusik wechselte 1965 den Namen: aus „Sfin]ii“ wurde „Phoenix“ und blieb es bis heute.
Zwar druckte die „Volkszeitung“ brav Ansprachen und Festreden ab, doch ab Seite zwei gab es nun regelmäßig eine Kurzgeschichte, bessere Witze, gewagtere Heimatkunde und keine giftigen Hetzreden gegen den Westen: „man“ wollte Technologie, Waren und Devisen.
Die erste Seite blieb den Erfolgen in der Industrie und Landwirtschaft reserviert, aber um welches Werk es auch ging, der Import westlicher Technik hatte begonnen. Anekdotisch ist ein Besuch des Autors mit der Schulklasse in einer Schuhfabrik geblieben, wo die fertigen Damenschuhe in Kartons mit deutscher Beschriftung verpackt wurden: Export für West-Deutschland. Doch die Öffnung funktionierte in zwei Richtungen: aus dem Westen stammte das Kofferradio, welches für lange Jahre nur noch „der Transistor“ genannt wurde. Der kleine namengebende Halbleiter hatte seinen Siegeszug begonnen und in den Schaufenstern am Marktplatz liefen die ersten einheimischen Geräte der Marken Diamant und Electronica. Es waren die ersten Fernseher ohne Röhren.
Eine andere Freude war, dass es nun an Kiosken und auch per Post bestellbar Kinderzeitschriften aus der DDR gab: der absolute Renner waren die „Digedags“, aber auch „Fröhlich sein und singen“. Heute werden sie belächelt, aber 1965 waren diese einfach „anders“.
1965 war auch ein Jahr der Filmklassiker: „Die schwarze Tulpe“ (frei nach dem Roman von Alexandre Dumas, französisch-italienisch-spanischer Mantel-und-Degen-Film mit Alain Delon in Doppelrolle), „Romulus und Remus“, (historisches Spektakel mit vielen Kampfszenen), „Cartouche“ (Abenteuerfilm mit Jean Paul Belmondo und Claudia Cardinale).
In der Ausgabe der Volkszeitung von Freitag, dem 15. Oktober (Nr. 580), befindet sich auf Seite Eins eine Nachricht und ein Foto, welches im Foyer des damaligen „Carpati“ Hotels gemacht wurde: im Bild sind der französische Regisseur Henri Colpi und die Schauspielerin Marina Vlady zu sehen. Der Star der 60er Jahre arbeitete zusammen mit Claude Rich, Grigore Vasiliu Birlic und Stefan Tapalaga, etwa neun Wochen an der Verfilmung von Mihail Sebastian romantischer Liebesgeschichte „Stern ohne Namen“, heute ein Klassiker.
Bei ihrem Besuch in Kronstadt war auch Marina Vladys kleinster Sohn Pierre dabei, der zusehen durfte wie Mama bei Rosenau einen Teil der Außenaufnahmen drehte. Rechts von dem Foto ist auch eine Widmung des Stars an die Leser der Volkszeitung.
Hans Butmaloiu
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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