Vor 50 Jahren
04.11.22
Das „Universalkaufhaus“ im Herzen der Stadt
Zu einer Zeit als es keine Mall gab und als der Selbstbedienungsladen als modern galt, war es eine kleine Sensation vom Großkaufhaus (allgemein bekannt als „Universal“) und der dazu gehörenden Markthalle zu sprechen. Sie sollten Ende 1974 nach einem von Architekt Ion Radacina erarbeiteten Entwurf in der Schwarzgasse, wo damals der Zentralmarkt noch war, fertiggestellt werden. Das Projekt wird von Heinz Barthmes in der KR 40 vom 6. Oktober vorgestellt: „Es wird dies das erste Warenhaus der Zinnenstadt sein, wo der Kunde alles einkaufen kann, von der Stecknadel bis zum Kühlschrank, von der Rasierklinge bis zum Fernsehapparat, vom Taschentuch bis zum Perserteppich.“ Wohl zum ersten Mal konnten die Kronstädter in ihrer Stadt eine Rolltreppe benutzen. Auf der Terrasse wurden 120 Parkplätze für Pkw eingerichtet – für jene Zeit schien das auszureichen, weil ein eigenes Auto noch als Luxusartikel angesehen wurde. Bei der Beschreibung der Markthalle fällt auf, dass diese als „zweigeschossiger Großbau mit einer Gesamtfläche von 6400 Quadratmeter, das ist größer als die jetzige Marktfläche“ beschrieben wird. Die Endvariante fiel dann doch bescheidener aus. Verzichtet wurde auch auf ein 15stöckiges Wohnhaus das in „späteren Jahren“ in der Nachbarschaft des geschrumpften ehemaligen Zentralmarktes gebaut werden sollte. Der Markt sollte auf der Kog²lniceanu-Straße, gegenüber der „Hidromecanica“ eingerichtet werden.
Architekt Günther Schuller bewertet eine Woche später in seinem Beitrag „Turmknöpfe mit Wetterfahne. Restaurierung von Altkronstadt“ positiv die Bemühungen der Stadtverwaltung und der zuständigen Behörden um die Pflege der historischen Bausubstanz. Er lobt dabei auch den Einsatz der Stadtväter „um unter dem Raupenberg den vielleicht malerischsten Spazierweg, an der Graft entlang, unter dem Bogen der Graft-Sattlerbastei zu erschließen“. Hinzu kommt sein Wunsch, dass alles auch so bleiben werde: „Hoffentlich verschwindet der Plan, hier auch eine Autoverkehrsader zu erschließen, endgültig in der Schublade!“ Das ist leider bis heute nicht hundertprozentig sicher. Günther Schuller begrüßt die Initiativen, das Straßenbild in der Inneren Stadt vor störenden Eingriffen zu bewahren: „Die Pläne für die Zukunft sehen die weitere und konsequente Befreiung der Fassaden, vor allem in der Republicii-(Purzen)-Gasse, am Marktplatz und von der Hirschergasse, von allen vorgebauten Auslagenkästen und brutalen, überdimensionalen Firmenaufschriften vor.“ Wahrscheinlich hätte ihn auch die gegenwärtige Aneinanderreihung von Restaurant-Terrassen im Mittelteil der Purzengasse gestört.
Zwei bekannte Kronstädter Ärzte (Laurian Taus, Leiter des Kreisambulatoriums für Sportmedizin, und Alexandru Macedonschi, Facharzt beim Rettungsdienst) bieten in der KR 47/24. November eine Übersicht zu Sportunfällen im Winter. Das steht auch in direkter Verbindung zum Bergrettungsdienst Salvamont im Kreis Kronstadt über den in derselben Ausgabe Christa Richter schreibt. Die zunehmende Zahl von Touristen in den Karpaten bedeutete auch eine Herausforderung für die Bergretter. „Sind unsere Berge dafür vorbereitet? Gibt es genügend Berghütten, gute Wanderwege, kundige Führer und ‚vorbereitete‘ Touristen?“ fragt sich die Verfasserin. Aus ihrem Bericht geht hervor, dass Kronstadt drei Bergrettungsmannschaften hatte und dass es je ein Rettungsteam in Viktoriastadt, Sacele, Zarnesti, Rosenau, Predeal und Bran gab. Zu den Kronstädter Bergrettern jener Zeit gehörten erfahrene Bergsteiger und Schifahrer wie N. Hiemesch, Al. Floricioiu, I. Coman, R. Welkens, M. Noaghiu, H. Ionescu, aber es fehlte, so Richter, „ein Mann mit den organisatorischen und menschlichen Kompetenzen eines Toma Boerescu (Leiter der Salvamont von Sibiu)“. Die KR-Mitarbeiterin bleibt nicht nur bei dieser kritischen Feststellung, sondern schlägt Ioan Coman für eine leitende Funktion vor. Ihre Schlussfolgerung lautete damals: „Es gibt noch viel zu tun, um bei Bergunfällen nicht nur helfend beizuspringen, sondern sie von vornherein zu vermeiden.“
Oktober 1972 brachte eine Premiere im Tennis. Erstmals wurde in Osteuropa ein Davis-Cup-Endspiel ausgetragen. Rumänien spielte zum dritten Mal (nach 1969 und 1971) um die „Silberne Salatschüssel“ gegen das Team der USA. Viele glaubten, dass es diesmal Ilie Nastase und Ion Tiriac schaffen werden. Aber „Aus ist der Traum“ lautete der Titel des KR-Sportkommentars von Dieter Kolf nach dem Endspiel. „Besonders unser Tennisstar Ilie Nastase enttäuschte auf der ganzen Linie“, schreibt er und fragt sich, ob es sich um ein „momentanes Formtief handelt oder ob die nervliche Belastung, vor heimischen Publikum unbedingt gewinnen zu müssen, zu groß war.“ Was Kolf nicht schreiben konnte, war, dass Nastase damals sogar im Verdacht stand, bestochen gewesen zu sein um zu verlieren. Was aber nicht verschwiegen werden konnte, war ein zu lautes bis unsportliches Verhalten der Zuschauer, die faulen Tricks des nicht mehr jungen Tiriac um seine Gegner aus der Fassung zu bringen oder Fehlentscheidungen der rumänischen Linienrichter zu Gunsten ihrer Landsleute. Jahrzehnte später hieß es auch, das USA-Team habe ihren Spieler jüdischer Herkunft Harold Solomon mit dem schwächer eingestuften Tom Gorman ersetzt, weil das Attentat vom 5. September während der Olympischen Spielen von München gegen die Delegation aus Israel noch zu frisch in Erinnerung war.
Ralf Sudrigian
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