Vor 50 Jahren
27.01.23
Ein seltsames Ceausescu-Zitat
Die „Karpatenrundschau“ tritt ein ins neue Jahr 1973 mit einem schönen Winterfoto von O. Cahane und mit der „Neujahrsansprache des Genossen Nicolae CeauSescu über Rundfunk und Fernsehen“ auf dem Titelblatt der ersten Ausgabe. Der Partei- und Staatschef der noch nicht Präsident genannt wurde weil dieses Amt erst später eingeführt wird, erfüllte am 26. Januar sein 55. Lebensjahr. Gerade an jenem Tag erscheint auch die KR Nr. 4 mit einem großen Ceausescu-Porträt auf Seite 1 und einem Glückwunsch in dem bereits der Personenkult nur schwer überboten werden konnte. Angeführt seien hier nur die schmückenden Beiworte die in dem kurzen Bildtext verwendet werden und die ausschließlich dem Gefeierten galten: bedeutender Politiker und Staatsmann, unermüdliche Schaffenskraft, großer Patriot und Kommunist von höchster Prinzipialität, schöpferisches Denken und realistisches Handeln, Mann der Gerechtigkeit, des sozialistischen Ethos, Verfechter der sozialistischen Demokratie, ein hervorragendes Beispiel kreativer marxistischer Weltschau.
Von diesem hochgelobten Führer stammt ein Zitat das Univ. Prof. Dr. habil Kurt Horedt (1914 – 1991, Professor für Vor- und Frühgeschichte an der Klausenburger Universität, 1981 in die Bundesrepublik Deutschland ausgewandert) in seinen KR-Heimatkundebeitrag einbaut der den Titel „Grenzverhaue und Gyepüstreifen. Forschungen zur Herkunft und Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen“ trägt und in der KR Nr. 2 veröffentlicht wurde. Es geht dabei auch um die Ähnlichkeiten zwischen dem Luxemburgischen und dem Siebenbürgisch Sächsischen. Nun war Ceau{escu in Luxemburg zu Besuch gewesen, wo er es nicht lassen konnte, sich über Siebenbürger Sachsen zu äußern ohne sie aber als solche zu bezeichnen. Prof. Horedt: „Auch bei dem kürzlichen Besuch des Vorsitzenden des rumänischen Staatsrates wiesen der Großherzog und die Bürgermeisterin von Luxemburg auf diese Verbindung (sprachlicher Natur -Anm.d.V,) hin, die Nicolae Ceausescu mit den Worten unterstrich: ‚Luxemburgische Kämpfer kamen damals in die rumänischen Länder, in die rumänischen Fürstentümer, um am Kampf gegen die Unterdrücker teilzunehmen. Es stimmt, dass einige ihrer Bürger sich schon damals in jenen Gegenden niederließen und zweifellos kann man ihren Nachkommen auch heute noch begegnen.‘“ Der Universitätsprofessor der Ceausescu einfach beim Namen nennt (ohne Genosse) musste oder wollte auch ein Ceausescu-Zitat in seinem Artikel haben. Dass diese Vereinfachungen und historisch ungenauen Angaben (rumänische Fürstentümer und Luxemburger als Nation gab es bei der Ansiedlung der Sachsen noch nicht) in einem wissenschaftlichen Artikel ihren Platz finden, ist ungewöhnlich. Vielleicht hat auch die KR-Redaktion mit oder ohne Zustimmung des Verfassers mitgespielt weil es bereits damals, sicherlich später, gang und gäbe war, in Vorworten, Reportagen, wissenschaftlichen Arbeiten usw. unbedingt das Wissen und den Beitrag des Genossen Ceausescu hervorzuheben der ja alles wusste und dessen Hinweise und Ratschläge unentbehrlich geworden waren. Mit diesem Zitat wirkt Ceausescu aber lächerlich, was Prof. Horedt sicher wusste und anscheinend auch in Kauf nahm.
„Für eine Synthese der rumäniendeutschen Geschichte“ heißt die Zusammenfassung eines von der KR veranstalteten Rundtischgespräches die in zwei KR-Ausgaben (Nr. 3 und Nr.4, insgesamt vier Zeitungsseiten) veröffentlicht wird. Die 24 Teilnehmer äußerten sich zu folgenden zwei Themen: 1. Kritische Einschätzung der bisherigen Leistungen der rumäniendeutschen Historiographie und 2. Erörterung von Möglichkeiten zur Ausarbeitung einer Geschichtssynthese der deutschen Bevölkerung unseres Landes. Kronstadt als Gastgeber war dabei sehr gut vertreten durch: Eduard Eisenburger (KR-Chefredakteur), Hannes Schuster (stellvertretender Chefredakteur), Michael Kroner (KR-Redakteur für Heimatkunde), Dr. Paul Binder, Dr. Maja Philippi, Franz Killyen und Gernot Nussbächer. Andere bekannte Historiker und Journalisten die ebenfalls dabei waren, sind: Prof. Dr. Kurt Horedt, Dr. Gustav Gündisch, Dr. Carl Göllner, Dr. William Marin, Architekt Hermann Fabini, Thomas Nägler, Vasile Ciobanu, Adalbert Millitz, Hugo Hausl, Franz Heinz. Im Vorspann heißt es klar, es ginge um „eine Geschichte der rumäniendeutschen Bevölkerung aus neuer Sicht zu schreiben“ und somit einem von der höchsten Parteileitung und Genossen Nicolae Ceausescu persönlich erteilten Auftrag Folge zu leisten. Trotz dieser ideologischen Richtlinien die unvereinbar mit einer echten Forschung sind, war noch Platz für kritische Äußerungen. Einige Beispiele: „Für mich persönlich ist es unerklärlich, warum z.B. Brasov kein Honterus-Gedenkhaus besitzt“ (Dr. Lörincz Laszlo). „In der Monographie (‚Tara Bârsei‘ - Anm.d. Red.) ist auch vom Schulwesen die Rede, aber nur von der Schule aus dem Schei-Viertel, kein Wort aber über das deutsche Schulwesen, das wiederum in der ‚Istoria României‘ so schön gewürdigt ist.“ (Maja Philippi). Paul Binder (Koautor der genannten Monographie) antwortet dazu: „Zu meinem Erstaunen wurden Bemerkungen über Sachsen und Ungarn nicht aufgenommen.(…) Wie dient ein solches Buch, das in vielen Exemplaren auch an Bibliotheken gegeben wurde, dem gegenseitigen Kennenlernen, wenn es eine historische Realität nicht beachtet?“ Der Hermannstädter Geschichtslehrer Wolfgang G. Binder hat Recht mit seiner Einschätzung über den Sinn einer rumäniendeutschen geschichtlichen Synthese: „Ein solches Geschichtsbuch hat demnach einen mehrfachen Zweck zu erfüllen: ein Kennenlernen unserer selbst durch unsere eigene Geschichte, und zweitens die Verbreitung unserer Geschichte unter unseren Mitbürgern.“ Sein Wunsch: „Die Vergangenheit soll uns in die Zukunft blicken lassen“ muss heute umgedeutet werden: die jüngste kommunistische Vergangenheit der Rumäniendeutsche veranlasste die meisten von ihnen, ihre Zukunft mit der Auswanderung gleichzusetzen.
Ralf Sudrigian
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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