Was uns die Bildnisse des Johannes Honterus zu sagen haben (II)
12.04.24
Ein Beitrag von Dr. Frank-Thomas Ziegler
Auf dem Altar der Schwarzen Kirche ist demnach eine Genealogie der wichtigsten Glaubenslehrer der Christenheit – Diener des Neuen Bundes, wie der Apostel Paulus es genannt hätte – aus Kronstädter Perspektive dargestellt. Sie beginnt mit Jesus Christus, setzt sich über die Apostel und Evangelisten fort und wird mit den drei Reformatoren Martin Luther, Johannes Honterus und Philipp Melanchthon fortgeschrieben. Dadurch aber, dass Honterus gemeinsam mit Jesus Christus in die vertikale Mittelachse des Altars gesetzt und auch wie dieser im Begriffe ist, ins Volk zu wirken, ist der Kronstädter Gelehrte in betonter Weise mit Jesus Christus verähnlicht. Mit dieser von Jesus Christus bis zu Johannes Honterus reichenden Genealogie bringt der Altar der Schwarzen Kirche die Überzeugung der Kronstädter Glaubensgemeinschaft jener Zeit zum Ausdruck, dass Johannes Honterus und mit ihm die gesamte Honterusgemeinde in einer bedeutenden Verkündigungstradition stehen, die ihren unmittelbar in Jesus Christus gründenen Ursprüngen gerade durch das Werk der Reformation treu geblieben ist.
Knapp dreißig Jahre später malte Fritz Schullerus den Ratsschwur auf ganz andere Weise.
(Abb. 5). Wir blicken in einen gedämpft belichteten Innenraum – der Saal des alten Kronstädter Rathauses ist gemeint, für den dieses Bild übrigens auch ursprünglich bestimmt war. Links steht der Stadtrichter Johann Fuchs auf einem zweistufigen Podest, das Reformationsbüchlein vor Augen haltend. Rechts im Vordergrund sitzt Johann Honterus an einem Tisch, erkennbar an der unvergesslichen Form seines Bartes und an seiner Kappe. Hinter ihm steht die aufrechte Schar der Ratsherren.
Der entscheidende Unterschied zwischen dieser Darstellung des Ratsschwurs und jener vom Altar der Schwarzen Kirche besteht darin, dass Fritz Schullerus die Verlesung des Reformationsbüchleins und den Beschluss des Stadtrates nicht mehr als leidenschaftlich bewegtes Ereignis, sondern als kontemplativen, gedankenreichen Vorgang darstellt. Die feierliche Atmosphäre entspringt auf Schullerus`Gemälde nicht mehr der aufgeregten Ergriffenheit, sondern der Gesammeltheit und dem würdigen Ernst der Ratsherren. Fritz Schullerus wird mit dieser Interpretation des historischen Ereignisses den alten Aktenberichten, die wir von diesem Ereignis besitzen, auf neue Weise gerecht. Darin heißt es nämlich, dass der Rat der Stadt Kronstadt den Beschluss, die Reformation fortzuführen, erst „nach frommer und reifer Überlegung“ gefasst habe.
Das Denkmal im Hof der Schwarzen Kirche rückt hingegen einen anderen Verdienst des Gelehrten in den Vordergrund. Seine Entstehungsgeschichte ist faszinierend und hilft uns, die Kernbotschaft des Denkmals besser zu erfassen. Bereits lange Zeit vor der anberaumten Einweihungsfeier am 21. August 1898 lud der Honterus-Denkmal-Ausschuss der Honterusgemeinde einige ausgewählte Künstler dazu ein, Entwürfe einzureichen. Die Entwürfe von Adolf von Donndorf (Abb. 6), Bildhauer in Stuttgart und Karl Storck dem Jüngeren (Abb. 7), einem deutschstämmigen Künstler aus Bukarest, sind u. a. durch Fotografien überliefert.
Beide Enwürfe zeigen Honterus im langen Talar, der Kleidung des Gelehrten, und mit der bereits bekannten Kappe auf dem Kopf, mit der linken Hand das geöffnete Buch haltend, mit der rechten Hand aber zum Himmel weisend. Die Gemeinde wünschte ursprünglich nämlich, dass das Honterus-Denkmal durch die auf den Himmel gerichtete Hand einen zentralen reformatorischen Gedanken vermittele: Wir sind als Gläubige mit unserem Gewissen und unserem Handeln keiner weltlichen Instanz so sehr wie Gottvater verpflichtet; nichts darf zwischen Ihn und uns kommen. Die zum Himmel weisende Hand des Honterus erinnerte daran, dass die Reformation den Glauben aus außerbiblischen Irrwegen erlöst und zurück an das gereinigte und unverfälschte Wort Gottes, die Heilige Schrift, gebunden hatte.
Die Gemeinde gab aber weder Donndorf noch Storck, sondern dem begabten Harro Magnussen aus Berlin den Zuschlag (Abb. 8). In engem Austausch mit dem Honterus-Denkmal-Ausschuss stehend und dessen vielgliedrigen Anweisungen folgend, erarbeitete der Bildhauer über Monate hinweg beharrlich die endgültige Form (Abb. 9), sodass das Denkmal pünktlich im Beisein zahlreicher Ehrengäste aus dem In- und Ausland enthüllt werden konnte.
Honterus trägt auch auf Magnussens Denkmal einen Talar und die weiche Kappe; seine Linke hält das geöffnete Buch, auf dessen geöffneten Seiten die Schriftzüge Reformationsbüchlein und Schulordnung, Verweise auf zwei Hauptleistungen, erscheinen. Der entscheidende Unterschied zu den früheren Entwürfen Donndorfs und Storcks besteht darin, dass Honterus mit der rechten Hand jetzt nicht mehr zum Himmel, sondern auf die gegenüber liegende Schule weist. Folglich hatten die Auftraggeber recht spontan, während das Denkmal seiner Fertigstellung entgegenging, einen Richtungswechsel beschlossen. Vor dem Hintergrund einer auf Assimilierung zielenden Landespolitik, die für die deutsche Schule gerade zu jener Zeit bedrohliche Veränderungen zu bringen versprach, hatten sie angeordnet, dass das Denkmal durch die geänderte Handstellung eine neue Botschaft zu verkünden habe: Dass die von Honterus erneuerte Schule der rechte Ort sei, um eine umfassende Bildung in deutscher Muttersprache und evangelischem Geiste zu empfangen – und dass sie dies immer bleiben müsse.
(Schluss)
Abb. 5
Fritz Schullerus: Schwur des Kronstädter Rates auf das Reformationsbüchlein, 1898. © Evangelische Kirche A. B. Kronstadt. Foto: Udvardi Árpád
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