Was unsere Gemeinschaft heute ausmacht, lässt sich bis auf Brukenthal zurückverfolgen
05.08.21
300 Jahre seit der Geburt von Samuel von Brukenthal (1721-1803) / Festvortrag von Thomas Sindilariu am Digitalen Heimattag 2021 (I)
Den in der Siebenbürgischen Zeitung vom 20. Juli 2021 (Folge 12, 71. Jg., S. 1, 10-11) erschienenen Beitrag übernehmen wir mit freundlicher Genehmigung der Redaktion. Der Text ist geringfügig ergänzt.
Samuel von Brukenthal gehört zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte. Warum eigentlich? Mit einem Begriffspaar, wie etwa bei Johannes Honterus und Reformation, will die Antwort nicht gelingen. Komplex und teils verwirrend, ganz so wie unsere Gegenwart, war auch die Lebenszeit von Samuel von Brukenthal – seine Lösungen und Antworten waren aber originell und zukunftsweisend! Eines jedoch verbindet beide Persönlichkeiten: Sie sind ohne Zweifel deshalb bedeutend, weil sie unseren siebenbürgischen Winkel Europas näher an das Zentrum des Kontinents gerückt haben. Ihr Engagement, und das gilt es zu unterstreichen, ist keines gewesen, das sich auf die siebenbürgisch-sächsische Gesellschaft allein beschränkt hat, sondern es berücksichtigte alle Völkerschaften Siebenbürgens, selbstverständlich auch unter Einschluss der heutigen rumänischen Mehrheitsbevölkerung. Der Leschkircher Königsrichter Michael Breckner hatte sich wie die Gesamtheit der Sachsen früh und entschlossen auf die Seite der neuen Herrscher über das Fürstentum Siebenbürgen aus dem Hause Habsburg gestellt. Als die letzten Versuche unternommen wurden, die frühere Eigenständigkeit des Fürstentums wieder herzustellen und die Herrschaft der Habsburger abzuschütteln, geriet Michael Breckner bei Leschkirch 1707 in Gefangenschaft. Die Flucht daraus gelang 1709 mithilfe eines Leschkircher Rumänen aus der Niedergasse – „Scoala, Breckner“ (Steh auf, Breckner!) hieß es am Fluchttag und wurde zum geflügelten Wort in der Familie über Generationen hin. Diese Zeitspanne der Unsicherheit und permanenten Raubzüge ist als „Kuruzenzeit“ in das Gedächtnis der Siebenbürger Sachsen eingegangen, in vielen Orten gibt es Erinnerungen daran. Das Grauen endete 1711, also zehn Jahre ehe Samuel, als jüngster Sohn des Königsrichters, das Licht der Welt erblickte – als Kind einer neuen Zeit gewissermaßen, die aber – Stichwort „Scoal?, Breckner“ – um das Elend der Vergangenheit noch wusste, für die der neue Wohlstand keine Selbstverständlichkeit war. Die Treue seines Vaters zum Monarchen brachte der Familie die Erhebung in den Adelsstand 1724 durch Kaiser Karl VI., sie trug fortan das Prädikat „von Brukenthal“.
Gediegene Ausbildung und weitgespannte Vernetzung Grundlage des Erfolgs
Ein Adliger also! Wie passt das zu der auf Rechtsgleichheit fußenden siebenbürgisch-sächsischen Autonomie im historischen Siebenbürgen? Georg Scherg hat ihren Inhalt so treffend in dem Buchtitel „Da keiner Herr und keiner Knecht“ zusammengefasst. Die Brukenthals waren nicht die einzigen Sachsen mit Adelstitel, die mütterliche Verwandtschaft aus der Familie Conrad von Heydendorff und viele andere wären hier zu erwähnen. Das Außergewöhnliche an den Sachsen mit Adelstitel war, dass ihnen die neue Standeszugehörigkeit außer sozialem Prestige rein gar nichts brachte, zumindest nicht auf dem Königsboden. So es ihnen finanziell möglich war, erwarben einige, wie die Brukenthals Güter auf Komitatsboden, etwa Untermühlendorf/Sambata de Jos. Auf dem Königsboden zahlten die sächsischen Familien mit Adelsprädikat wie jeder normale Bürger Steuern, wovon der Adel sonst aber grundsätzlich befreit war. Der Adelstitel war jedoch insbesondere im 18. Jahrhundert die Voraussetzung, um mit den obersten Verwaltungsstellen des Habsburgerreiches in Verbindung treten zu können. Der Adelstitel war folglich ein notwendiges Übel und breitete sich in den Reihen der auf dem bisherigen städtischen Patriziat fußenden Führungsschicht des siebenbürgisch-sächsischen Landstandes aus, um überhaupt heranzukommen an den Tisch, wo die Entscheidungen gefällt wurden. Der Zugang zum Verhandlungstisch ist auch heute noch das Grundprinzip unserer gemeinschaftlichen politischen Vertretung.
Aus den jährlichen Steuerverzeichnissen von Freck und Hermannstadt, die aus dem 18. Jahrhundert in beträchtlicher Konsistenz für übrigens fast jeden sächsischen Ort, Hof für Hof, Eigentümer für Eigentümer in den Staatsarchiven erhalten sind, kann man entnehmen, dass Brukenthal keinerlei steuerliche Vorteile genoss, sondern einer der größten Steuerzahler gewesen ist – so zahlte er in Hermannstadt 1790/91 stattliche 93 fl. (Gulden).
Eine überdurchschnittlich gute Vernetzung und eine solide Ausbildung waren die nächsten beiden Voraussetzungen für den atemberaubenden Erfolg Brukenthals. Er war in der Lage, in beides gezielt und entschlossen investieren zu können, da er auf das ihm als Jüngstem zustehende elterliche Erbe nach dem frühen Tod der Mutter Susanna, 1734, und des Vaters, 1736, verzichtet hatte und sich als erst 22-Jähriger hatte auszahlen lassen. Noch ehe er seinen Studienort Halle an der Saale erreicht hatte, ist er 1743 in Wien unter den Mitgliedern der dortigen neu gegründeten Freimaurerloge „Aux Trois Canons“ zu finden. Wie er es hinbekommen hat, den Anschluss an diese Kreise zu finden, die dem Umfeld von Franz von Lothringen, dem Gemahl von Maria Theresia, zugeschrieben wurden, das wüsste ich nur zu gerne im Detail! Fakt ist, dass wir ihn hier wie aus dem Nichts inmitten einer Gesellschaft wiederfinden, die sich der Ideale der Humanität und Aufklärung verpflichtet fühlte und zudem zur geistigen Elite des gesamten Reiches zu zählen war. In Halle war Brukenthal ebenfalls als Freimaurer aktiv und gründete und leitete die Loge „Zu den drei Schlüsseln“. Diese war eine Tochterloge der Berliner Loge „Zu den drei Weltkugeln“, die dem Umfeld des Preußenkönigs Friedrich des Großen zugeordnet wurde. Es soll sich sogar eine Begegnung zwischen Brukenthal und dem noch jungen „Alten Fritz“ zugetragen haben, wobei dieser versucht haben soll, Brukenthal in seine Dienste zu übernehmen. Brukenthal lehnte jedoch unter Hinweis auf seine Treue zur Monarchin und seine Heimatliebe ab, was nicht ohne Eindruck blieb.
Bei dem in Halle lehrenden, aus Kronstadt stammenden Historiker Martin Schmeitzel (1679-1747), der als Begründer der universitären Hungarologie und Transylvanologie gilt, dürfte Brukenthal einen erheblichen Teil seiner späteren rechtsgeschichtlichen Argumentationsweise erlernt haben. Zugleich war Schmeitzel ein Experte in Numismatik und dürfte Brukenthal zum Sammeln von Münzen, Büchern und anderen Kulturgütern als Ausdruck der Weltgewandtheit angeregt haben.
Das Selbstbild des jungen Brukenthal mit deutlichem Nachwirken bis an sein Lebensende bringt die Gedenkmedaille zum Ausdruck, die er als Vorsteher der Hallenser Loge 1744 prägen ließ. Die Initialen „C.S. v. BR.“ stehen für seinen vollständigen Namen Carl Samuel von Brukenthal, die Umschrift „Studio, Sapientia, Silentio / non fucata amicitia quid nobilia“, also „Mit Fleiß, Weisheit, Stillschweigen / und ungeschminkter Freundschaft, was gibt es edleres?“, können als authentisches Lebensmotto angesehen werden. Der Brukenthal zugeschriebene Wahlspruch „Fidem genusque servabo“ ist ebenso zutreffend, der Beleg, dass der Spruch von Brukenthal selbst stammt und nicht das Werk seines ersten Biographen ist, ließ sich noch nicht ausfindig machen. In älterer, freier Interpretation lautet er „Meinem Glauben und meinem Volk will ich treu bleiben“, treffender ist aber „Der Treue bzw. dem Glauben und dem Volk will ich dienen“. „Studio, Sapientia, Silentio…“ ist aber gewiss authentisch.
Zurückgekehrt nach Hermannstadt heiratete er Sophia von Klocknern (1725-1782). Eine glückliche Ehe schloss sich an, die allerdings vom Tod des einzigen Kindes, Sophia (1748-1752,) im Alter von nur vier Jahren stark getrübt wurde. Sophia brachte als Tochter des Provinzialbürgermeisters Daniel Klockner von Klocknern auch ein erhebliches Vermögen in die Ehe ein, das einen unerlässlichen Grundstein für den weiteren Aufstieg Brukenthals darstellte – die Studienzeit und die Investitionen in ein europaweit gespanntes Bekanntschafts- und Freundschaftsnetzwerk hatten Brukenthal ein Vermögen gekostet. Über ihn hieß es bei seiner Rückkehr 1745: „Er kam aus Deutschland als ein von Wissenschaften und Cultur glänzender junger Mann, eine Schönheit eines Mannes, nach Hermannstadt zurück, aber außer sich mit keinen anderen Mitteln“. Neid für das Erreichte, teils von unvorstellbar primitiver Art, sollte folglich ein dauerhafter Begleiter von Brukenthals Lebensweg werden.
Fortsetzung folgt
Die Breckners gehörten von alters her zu den führenden Familien des Marktfleckens Leschkirch im Haarbachtal. Als Samuel Breckner kam hier am 26. Juli 1721 der spätere Gubernator zu Welt. Foto: Schiller-Verlag Hermannstadt-Bonn
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