Was unsere Gemeinschaft heute ausmacht, lässt sich bis auf Brukenthal zurückverfolgen (II)
12.08.21
300 Jahre seit der Geburt von Samuel von Brukenthal (1721-1803) / Festvortrag von Thomas Sindilariu am Digitalen Heimattag 2021
Auf den Sprossen der Karriereleiter bis zum Gubernator
Die ersten Jahre Brukenthals im Dienste der Verwaltung der Sächsischen Nation seien hier nur erwähnt. Es soll vielmehr der Gesamtkontext seines beruflichen Erfolges bis ins höchste Amt der Provinzialverwaltung, des Gubernators (1777-1787), skizziert werden. Die Karriere von Samuel von Brukenthal kann auch als ein lang anhaltendes Durchsetzen des meritokratischen Leistungsprinzips in einer Welt der höfischen und bürokratischen Intrigen betrachtet werden. Freilich, Erfolg hierbei ist auf Partner angewiesen, die desgleichen dem meritokratischen Prinzip verpflichtet sein müssen. Brukenthal hat in dieser Hinsicht vor allem eine Partnerin gehabt, die Thronerbin selbst, Kaiserin Maria Theresia (1717-1780). Anders als ihre Söhne und Nachfolger verfügte sie über die Gabe, sich ein Netzwerk von fähigen, langjährigen Mitarbeitern zu bilden. Die Treue der Elite aus der Entourage von Maria Theresia war von einer Art, die weit jenseits ökonomischer Abhängigkeit oder gar Furcht vor der Kaiserin stand, vielmehr handelte es sich hierbei um partnerschaftliche Beziehungen, die auf gegenseitigem Vertrauen fußten. Dem historischen Forschungsstand gemäß war das solchermaßen geknüpfte Netzwerk von überaus großer Bedeutung, was den erfolgreichen Zusammenhalt und die Bekämpfung der wahren Probleme des Länder- und Provinzenkonglomerats der Habsburgermonarchie anbelangt. Einer Monarchie, die übrigens eine sehr kritische Phase durchlief, als Brukenthal 1753 in direkte Verbindung zu Maria Theresia trat. Dies gelang ihm binnen weniger Tage nach seiner Ankunft in Wien – Delegationen anderer brauchten oft mehrere Monate, bis eine Audienz beim Herrscher zustande kam. Als Erklärung dafür werden neuerdings die Kontakte Brukenthals gesehen, die er bereits 1743 bei seinem ersten Wienaufenthalt geknüpft haben dürfte. Eine Rolle könnte auch gespielt haben, dass Franz von Lothringen ein leidenschaftlicher Sammler alter Münzen gewesen ist, es also ein Interesse gab, dass er und Brukenthal teilten.
Das heute in Polen liegende Schlesien, rund um die Stadt Breslau/ Wroclaw, zählte im 18. Jahrhundert zu den produktivsten und ertragreichsten Provinzen der Habsburgermonarchie. 1740 war es vom König Preußens, Friedrich dem Großen, erobert worden. Der sich anschließende Konflikt währte in mehreren Etappen bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 und hat die Habsburgermonarchie in die Nähe des vor allem finanziellen Zusammenbruchs getrieben. Der Verlust Schlesiens kann ohne Weiteres mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU verglichen werden. Die östlichen Provinzen der Habsburgermonarchie rückten folglich verstärkt in das Blickfeld der Wiener Regierung. Tiefgreifende Reformen und tatsächliches Know-how zur Begegnung der Krisen waren erforderlich.
Als sich diese Erkenntnis zunehmend einstellte, war die Habsburgermonarchie noch auf die möglichst vollständige Durchsetzung der katholischen Konfession in all ihren Territorien ausgerichtet, um ein einigendes Band zwischen den so unterschiedlichen Reichsteilen zu knüpfen, sei es durch eine Union mit Rom, wie etwa im Falle der griechisch-unierten Kirche unter den Rumänen, sei es durch Rekatholisierungsmaßnahmen, die sich um rechtliche und konstitutionelle Garantien wenig kümmerten. In Siebenbürgen etwa war dies das Leopoldinische Diplom von 1691, auf dessen Grundlage Siebenbürgen in die Habsburgermonarchie integriert worden war und das den Schutz für die protestantischen Konfessionen vorsah. Den vertraglichen Garantien zum Trotz wurde der Übertritt zur katholischen Konfession in Brukenthals Zeit als ein Zeichen der Loyalität gegenüber dem Herrscherhaus angesehen, im Falle dass man anstrebte, eine höhere Beamtenlaufbahn zu beschreiten. Man ging sogar noch weiter: Die Geometrische Proportion kam in den 1750er Jahren auf. Es handelt sich dabei um eine Bestimmung, der zufolge mindestens 50 % der Stadträte eines siebenbürgischen Ortes der katholischen Konfession angehören mussten – ein Ding der Unmöglichkeit in weitgehend geschlossenen protestantischen Gebieten, wie etwa den Städten der Siebenbürger Sachsen! Die Folge war eine regelrechte Parteibuchwirtschaft, wo die Zugehörigkeit zur katholischen Konfession mehr zählte als Ausbildung und Fähigkeit. Beispiele der Folgen, wenn gegen das meritokratische Prinzip geherrscht wird, sind auch heute allgegenwärtig. Ähnlich war es damals, die Konfession wechselten oft Personen, die gegen das Gesetz verstoßen hatten; Achtung in der Gesellschaft hatten jene, die standhaft beim Glauben der Väter blieben und, wie Brukenthal, überaus fähig waren.
Brukenthal war im Übrigen in die Gegenmaßnahmen zum Abfangen der Folgen der genannten Geometrischen Proportion auf kirchlichem Gebiet einbezogen. Angesichts der nicht mehr gegebenen konfessionellen Einheitlichkeit der Stadträte, die auch für Kirchenfragen und vor allem das Kirchenvermögen weitgehend zuständig waren, wurde der erste Anlauf zur Einführung einer von der politischen Verwaltung unabhängigen konsistorialen Kirchenverfassung 1754 unternommen. Brukenthal war hintergründig involviert, um das neue System zum Laufen zu bringen. Die damals eingeführten Grundprinzipien sind auch heute noch in der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien zu finden.
Ausnahmen bestätigen auch in Sachen Konfessionswechsel die Regel. Einige wenige gab es, wenn es um prägende Figuren des zentralen Beamtenapparates ging, die eine universitäre Bildung von außerhalb der Monarchie vorweisen konnten und dadurch für den Reformprozess der Habsburgermonarchie unverzichtbar waren. Es ging darum, die finanziellen Probleme des Staates durch Reformen zu lösen, um in militärischer Hinsicht standhalten zu können, was enorme Summen erforderte. Dies war der Kontext, in dem es Brukenthal wagen konnte, letztlich mit Erfolg, eine dieser Ausnahmen zu sein und als hoher Beamter seinen evangelischen Glauben beizubehalten. Als man von ihm 1762 die Konvertierung erwartete, im Moment, als er die Leitung der Siebenbürgischen Hofkanzlei übernahm, gab er der Kaiserin zur Antwort, wie es denn möglich sein könne, von ihm den Konfessionswechsel zu erwarten als ein Zeichen der Loyalität, wo doch die Konfessionsangehörigkeit eine der intimsten Dinge im Leben eines Menschen sei, von der, einmal abgefallen, man auch sonst schwerlich treu sein könne.
Erfolgreicher Reformer
Die bedeutendste Reform, die Samuel von Brukenthal für Siebenbürgen umsetzen konnte, war die Einführung eines neuen Steuersystems. Es handelt sich dabei um eine Kombination aus Kopf- und Grundsteuer. Das reformierte Steuersystem steigerte das jährliche Steuereinkommen Siebenbürgens nach seiner endgültigen Einführung 1770 um 1.350.802 fl. (Gulden). Damals konnte man für etwa 2.000 fl. in Hermannstadt ein stattliches Haus in bester Lage erwerben. Brukenthal erhöhte demnach die Steuereinnahmen in Siebenbürgen um den Gegenwert von 675 Bürgerhäusern – fast eine ganze Stadt!
1774 wurde Brukenthal der Vorsitz des Guberniums von Siebenbürgen, also der obersten Verwaltungsbehörde mit Sitz in Siebenbürgen, damals in Hermannstadt, anvertraut. Das Gubernium war das Pendant der Siebenbürgischen Hofkanzlei in Wien, die Brukenthal bis dahin geleitet hatte. 1777-1787 bekleidete er auch förmlich als Gubernator dieses höchste öffentliche Amt in Siebenbürgen – freilich auch das bestbezahlte.
1780 machte der Tod der Kaiserin Maria Theresia den Weg frei für den lange gebremsten Sohn, Kaiser Joseph II. Er war weit mehr noch als seine Mutter ein Anhänger der Aufklärung, aber, und darin unterschied er sich in zentraler Weise von seiner Mutter, er war ein abstrakt denkender Technokrat. Er sah allein das große Fernziel des unabhängig von Ethnie, Konfession und Stand geeinten Gesamtstaates. Er hielt sich nicht damit auf, ob die Fülle an Reformen und Verordnungen verstanden werden und zu den gewachsenen Verwaltungsstrukturen passten. Die Geduld, damit zusammenwächst, was zusammengehört, um es mit der Terminologie der Deutschen Einheit zu sagen, fehlte Joseph II. vollkommen. Bedenken, wie sie Brukenthal und viele andere in wiederholter Folge vortrugen, wurden nicht als sachliche Einwände und potenzielle Gefahren, sondern als Ungehorsam ausgelegt. Brukenthal verwandelte sich jedoch nicht in ein verantwortungsloses administratives Werkzeug sondern trug seine sachlich fundierten Einwände und Bedenken in vollem Bewusstsein der Gefahr, der er sich dadurch aussetzte weiterhin, auch Joseph II. persönlich vor. Seine Entlassung als Gouverneur von Siebenbürgen 1787 war folglich auch keine Überraschung. Das Scheitern des gesamten Reformwerkes von Kaiser Joseph II. kam desgleichen nicht überraschend, hatte es doch die gesamte Monarchie an den Rand der Funktionsunfähigkeit gebracht, so vielfältig und gleichzeitig waren seine Reformen angelegt. Wenige Wochen vor seinem Tod 1790 nahm Joseph II. sein gesamtes Reformwerk bis auf die religiöse Toleranzgesetzgebung zurück.
Soweit die politische und administrative Karriere Samuel von Brukenthals, doch er war weit mehr als das. Die Habsburger, wie jedes andere Herrscherhaus, waren bestrebt, auch in entfernt vom Zentrum liegenden Territorien eine treue Anhängerschaft oder Elite zu bilden. Dass diese Bemühungen auch dazu gedacht waren, in die Gesellschaft auszustrahlen, dafür dürfte Brukenthal eines der besten Beispiele sein.
Fortsetzung folgt
Rund ein Jahrzehnt lang, ehe Brukenthal die Leitung des Guberniums in Hermannstadt 1774 übernahm, war er einer der gefragtesten hohen Staatsbeamten, auf dessen Rat sich die Kaiserin weit jenseits des siebenbürgischen Rahmens stützte. Maria-Theresien-Platz in Wien mit dem Denkmal der Herrscherin von Carl von Zumbusch aus dem Jahr 1888. In der Personengruppe im Hintergrund stellt das zweite Reliefbild von links Brukenthal dar. Foto: Erwin Horst Schuller
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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