Weidenbach -die jüngste Stadt des Burzenlandes
14.04.11
Bürgermeister Dorel Toma spricht über Erfolge und Entwicklungsperspektiven seiner Stadt
Seit nunmehr neun Jahren ist Weidenbach/Ghimbav zur Stadt erklärt worden. Die Weidenbacher sind mit Recht stolz darauf denn schon früher galt ihre Gemeinde als „Schmuckkästchen des Burzenlandes“. In einem Gespräch mit Bürgermeister Dorel Toma (56), der sich nun im fünften Mandat in diesem Amt befindet, sind deshalb vor allem Erfolgsmeldungen angesagt, ohne dass dabei manche Schwierigkeiten verschwiegen werden.
Der Wandel zur Kleinstadt
Weidenbach scheint für viele Großinvestoren dank seiner günstigen Lage ein bevorzugter Standort zu sein. Dass auf dem Stadtgebiet der zukünftige internationale Flughafen entstehen soll, ist nicht nur ein guter Beweis dafür, sondern hat auch eine Langzeitwirkung weil, damit verbunden, ein weiterer Entwicklungsimpuls für die Region erwartet wird. Der Stadtrat, in dem die Sozialdemokraten, denen auch Toma angehört, mit sechs Vertretern die stärkste Fraktion stellen, ist mit einer 10 Prozent-Beteiligung mit dabei. Gerne würde man diesen Prozentsatz erhöhen, dafür ist es nun wohl aber zu spät. Vorsorglich macht die Stadtverwaltung auch in einem komplementären Projekt mit – jenes des „Zorileanu-Aerodroms“. Dort sollen nämlich neben Übungsflügen (wenn so was noch überhaupt zugelassen wird) Kleinflugzeuge für Inlandsflüge und Kurzstrecken starten und landen. Vor allem die Handelskammer ist daran interessiert, denn man käme somit billiger davon als hohe Gebühren an den Betreiber des internationalen Flughafens zu begleichen.
Der geplanten Siebenbürgen-Autobahn steht Bürgermeister Toma viel skeptischer gegenüber. „Die erleben wir nicht mehr, vielleicht unsere Kinder oder Enkel“, meint er. Sie würde, von Rosenau/Râsnov kommend, bei den Schottergruben am Weidenbach in Richtung Zeiden führen. Flughafen und Autobahn sind Projekte - die zahlreichen neuen Betriebe wie EDS, Preh, Aerotech, Benchmark Electronics, Losan oder das Metro-Einkaufszentrum sind bereits da und bescheren dem Stadthaushalt nicht wenig Geld in Form von Steuern und Gebühren mit dem z.B. die 2009 fertiggestellte orthodoxe Kirche mit vergoldetem Dach (eine Premiere in Rumänien) errichtet werden konnte. Die Landwirtschaft verliert zusehend an Bedeutung, sie könnte in ihrer ökologischen und agrotouristischen Variante in kleinerem Rahmen betrieben werden.
Weidenbach expandiert: Dorel Toma spricht bereits von rund 7000 Einwohnern. Bei der Ausfahrt in Richtung Neustadt/Cristian wurde Baugrund verkauft. 286 Wohnungen sollen dort in einem neuen Stadtteil entstehen. Der neue Sportsaal, wie auch erste Häuser sind bereits gebaut. 58 Wohnhäuser kommen als Reihenhäuser (der Bürgermeister ist etwas verärgert, wenn er über manche zu auffallende Neubauten spricht) bei den ehemaligen Barthes-Glashäusern hinzu. Der Weidenbach wurde eingedämmt, die alten Brücken erneuert und erhöht – das war die erste große Leistung die er als Bürgermeister feiern konnte, blickt Toma stolz zurück. Die Überschwemmungsgefahr wurde also gebannt. Wohnblocks entstanden, auf Kinderspielplätze wurde nicht vergessen, die Straßen sind asphaltiert und sauber (allerdings waren am Vortag unseres Gespräches gerade Häftlinge aus dem Zeidner Gefängnis da im Einsatz).
Der große Nachbar Kronstadt
Die Weidenbacher profitieren zweifellos von der Nachbarschaft (rund sieben Kilometer) zu Kronstadt. Dort sind die besseren Schulen, Ärzte, Unterhaltungs- und Einkaufsmöglichkeiten anzutreffen. Das hatte zur Folge, dass zwischenzeitlich die Schüleranzahl in der Kleinstadt gesunken ist, dass ärztliche Praxen es vor Ort nicht leicht haben, dass sehr wenige Pensionen und Hotels in Weidenbach zu finden sind. Dorel Toma ist auch heute der Meinung, dass sich Weidenbach als Standort für das zukünftige regionalen Krankenhauses besser geeignet hätte, als die Variante Honigberg/Harman, die inzwischen aber auch auf Eis gelegt wurde.
Die kleine Entfernung zu Kronstadt, die guten Straßenverbindungen zu Fogarasch aber auch zu Rosenau, Törzburg, Zarnesti hätten dafür gesprochen. In Infrastrukturprojekten wird mit der Agentur der Metropolregion Kronstadt zusammengearbeitet, zu der selbstverständlich auch Weidenbach gehört. Der Vorschlag, die Trasse mancher Kronstädter öffentlichen Verkehrsmittel bis nach Weidenbach zu verlängern, begeistert den Bürgermeister nicht unbedingt. Die Einnahmen gingen an RAT, man könne dabei wenig Einfluss und Kontrolle ausüben. So wie der Personentransport nach Kronstadt gegenwärtig laufe, sei es zufriedenstellend: saubere Kleinbusse die in der Regel im 30-Minuten-Takt verkehren. Hinzu kommen noch die Kleinbusse die den Kreisvorort mit Zeiden verbinden und die auch in Weidenbach halten. In manchen Hinsichten könne Weidenbach Kronstadt entlasten. Zum Teil geschieht das bereits, z.B. in der Betreuung von hilfsbedürftigen Kindern. Private Vereine die dieses übernehmen, gibt es in Weidenbach überraschend viele: „Prichindel“, „Samariteanul Milos“, „Domino“ (ein Auffanglager für Minderjährige mit Unterstützung der Polizei aus Newcastle eingerichtet), die Notunterkunft der Stiftung „Emanuel“ für Mütter und Kinder in Not. Ein Altenheim einzurichten, wohin die in Obertömösch Betreuten transferiert werden sollte, stand auch im Gespräch. Ein Universitätscampus ist ebenfalls vorgesehen, allerdings unter Verwaltung der Kronstädter Uni.
Was noch ansteht
Dringend ist die Vernetzung des neuen Stadtviertels bei der Ausfahrt nach Neustadt an die Strom-, Gas- und Wasserversorgung. Dafür gibt es EU-finanzierte Programme, fürs Wasser ist Compania APA zuständig. Leider gibt es bei der EU-Förderung einen Nachteil des Weidenbacher Stadt-Status. Man hätte als Gemeinde leichter Zugang zu diesen Geldmitteln gehabt. Aber als Kleinstadt (unter 10.000 Einwohnern) gelten andere, weniger günstige Förderkriterien. Falls diese Arbeiten sich noch lange verzögern, will die Stadt sie zum Teil aus eigenen Mitteln finanzieren. Richtig verärgert wird der Bürgermeister, wenn es um die Nationalstraße DN 1 geht, die mitten durch Weidenbach führt. Die Verwaltung der Nationalen Straßenregie hat die Fahrbahnen getrennt um damit eine größere Verkehrssicherheit zu garantieren. Nun sei aber Weidenbach verkehrstechnisch in zwei geteilt worden. Wer die Fahrtrichtung wechseln will, muss praktisch bis zur Stadtausfahrt fahren und dort wenden. Das tun nicht nur Pkw sondern auch Laster was der Weidenbacher Umweltqualität gar nicht gut kommt. Die Einrichtung einer Verkehrsinsel mit Kreisverkehr könnte dieses Problem zum Teil beheben.
Noch nicht erfolgreich sind die Bemühungen der Stadtverwaltung, wieder in Besitz des Kulturhauses zu gelangen, nachdem dieses in den Vorjahren für 25 Jahre einer GmbH verpachtet wurde. Es wird wahrscheinlich zu einem Prozess kommen, da man sich mit dem gegenwärtigen Verwalter nicht auf eine angemessene Entschädigung für die inzwischen vorgenommenen Investitionen einigen konnte, sagt der Bürgermeister. Vor allem für Jugendliche und deren Freizeitgestaltung soll diese Kulturbehörde mehr bieten können als das zur Zeit in der Kleinstadt geschieht. Größere Veranstaltungen kann auch der neue Sportsaal beherbergen, da die Zuschauertribünen auf Schienen fixiert und somit mobil sind. Allerdings kann der Saal, von der Akustik her, nicht die besten Voraussetzungen bieten.
Das sächsische Erbe
Weidenbach ist auch heute als ehemalige sächsische Burzenländer Großgemeinde leicht zu erkennen. Das geschieht nicht nur bei den Ein- und Ausfahrten wo auch die deutsche Ortsbezeichnung zu lesen ist, sondern eher bei einem Spaziergang durch den alten Ortsteil. Die Kirchenburg, die sächsischen Häuser, die ehemalige deutsche Schule, deren 500-jähriges Gründungsjubiläum feierlich im Herbst begangen wurde, sind Zeugen dieser stolzen Vergangenheit. Die meisten Weidenbacher Sachsen leben heute in Deutschland. Zur Heimatortsgemeinschaft Weidenbach in Deutschland hat die Stadtverwaltung sehr gute Beziehungen. Dass die Weidenbacher auch in ihrer alten Heimat ihr Heimattreffen feierten und auch weiterhin feiern werden, ist ein guter Beweis dafür. Die Kirchenburg als Wahrzeichen der Stadt soll zukünftig nicht nur entsprechend gepflegt werden sondern auch verstärkt touristisch zur Geltung kommen. Der evangelischen Kirchengemeinde werden ein Schulgebäude und der Kindergarten rückerstattet. Der Bürgermeister hofft, ähnlich wie in Neustadt, einen Vertrag abschließen zu können, demzufolge diese Gebäude weiter, ihrem ursprünglichem Zweck gemäß, von der Stadt genutzt werden können, wobei die Kirchengemeinde als Eigentümerin eine Miete erhält. Dasselbe gilt auch für das Rathaus bei der Kirchenburg, das, laut Grundbucheintragungen auch sächsisches Eigentum war. Es wurde modernisiert, steht zur Zeit aber leer, weil wegen bürokratischen Hürden in Bukarest noch nicht alles geklärt wurde. Dorel Toma, dessen Töchter die deutsche Schule besuchten und dessen Bruder in Deutschland lebt, gibt zu, dass bei der Bodenrückgabe leider einige ehemalige Weidenbacher Sachsen nicht im Besitz ihrer ehemaligen Grundstücke gelangt sind. Die Probleme entstanden zum Beispiel im Zusammenhang mit dem ehemaligen Kartoffel-Forschungsinstitut wo die Agentur der staatlichen Domäne (ADS) Rückgaben nicht gestattete. „Anderen Grund für Rückerstattung gibt es nicht mehr. So ist es nun mal. (Asa a fost sa fie!)“, sagt Dorel Toma resigniert und weist auf andere Entschädigungsmodalitäten hin.
Was er vermisst, sind nicht nur die ausgewanderten Sachsen sondern auch deren Wirtschaftssinn. Weidenbach sei reich, trotzdem gibt es Leute denen es schlecht geht, und das sind nicht Roma, die übrigens in seiner Ortschaft in sehr geringer Zahl leben. Im großen Ganzen ist Dorel Toma aber optimistisch und wagt eine überraschend klingende Prognose für Weidenbach : „In wenigen Jahren werden wir mit Neustadt zusammenwachsen.“
Ralf Sudrigian
Foto 1
Gepflegte Straßen und Blumenverzierung der Verkehrsinseln gehören zum Weidenbacher Alltag.
Foto: Waldemar Stadler
Foto 2
Bürgermeister Dorel Toma wechselte die Parteien aber behielt sein Amt.
Foto 3
Die sächsische Kirchenburg gilt als Wahrzeichen der Kleinstadt
Fotos 2,3: der Verfasser
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