„Wir möchten Rumänien mit auf Reise nehmen“
24.02.11
Gespräch mit Roland Verdev, Verkaufsleiter von Reinert Rumänien
Das deutsche Familienunternehmen „H.& E. Reinert“ blickt auf eine Tradition zurück, die 1931 in Loxten/Versmold begann. Seit 2007 ist die Unternehmensgruppe auch mit ihrer „H. & E. Reinert S.R.L.“ Kronstadt (Marienburg/Feldioara) in Rumänien tätig und beschäftigt hier 165 Mitarbeiter. Das Kronstädter Werk ist, mit Ausnahme einer Vertriebsgesellschaft in Frankreich, der einzige Produktionsstandort der Unternehmensgruppe außerhalb Deutschlands. Hier werden Rohwurst, Brühwurst und Kochschinken-Spezialitäten hergestellt.
Seit 2009 ist Roland Verdev, der nationale Verkaufsleiter von H. & E. Reinert Deutschland, auch im Kronstädter Produktionswerk tätig. Im Januar dieses Jahres wurde er zum zweiten stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Wirtschaftsklubs Kronstadt (DWK) gewählt. Mit Roland Verdev führte KR-Redakteurin CHRISTINE CHIRIAC folgendes Interview.
Welche Argumente haben die Unternehmensgruppe überzeugt, in Rumänien, in Kronstadt zu investieren?
2005 analysierten wir mehrere osteuropäische Länder als potentielle Standorte für ein deutsches Unternehmen, das Ergebnis war Rumänien. Kulturell ist Rumänien mit dem deutschsprachigen Raum eng verbunden. Auch besteht hier ein bemerkenswertes deutsches Wirtschaftsumfeld, obwohl im Laufe der Zeit nicht alle Investoren geblieben sind. Uns ist es gelungen, das Vertrauen unserer Kunden zu gewinnen und wir glauben nach wie vor sehr stark an Rumänien. Ich bin überzeugt, dass sich hier in den nächsten Jahren für die Bevölkerung sehr vieles ins Positive ändern wird. Hauptgrund für die Investition in Kronstadt ist die zentrale Lage und gute Erreichbarkeit von Bukarest.
Welchen Schwierigkeiten ist die Firma in Rumänien begegnet?
Persönlich habe ich in den letzten zwei Jahren häufig kulturelle Probleme erlebt, höchstwahrscheinlich ergeht es den meisten deutschen Investoren in Rumänien ähnlich. Ich bin oft dem Vorurteil begegnet, dass ausländische Unternehmen, die hier investieren, als „reich“ gelten und dass deren Leistungen selbstverständlich sind. Man denkt selten an die Kosten und an die Tatsache, dass das Geld zuerst verdient werden muss. Dass ausländische Investition auch für Land und Leute etwas bringt, wird nicht ausreichend erkannt. Zudem sind viele einheimische Unternehmen noch nicht bereit, Standards in Bezug auf Ausstattung, Verpackungen oder Inhalte konstant einzuhalten.
Oder: man sagt, man habe etwas verstanden, was man in Wirklichkeit nicht umsetzt. Oder wiederum, man beharrt in der vom Kommunismus geprägten Mentalität, dass man Anweisungen durchführt, ohne zu hinterfragen. Oft fehlen Selbstdisziplin und Verlässlichkeit. Um diese Schwierigkeiten zu überbrücken, laden wir alle unsere leitenden Mitarbeiter nach Deutschland ein, nicht um ihnen „die Weisheit“ beizubringen, sondern um Verbundenheit und gegenseitiges Vertrauen zu schaffen. Letztendlich haben wir hier nicht nur in eine Fabrik über 20 Mio. Euro investiert, sondern investieren vor allem in den Faktor Mensch, der ein Unternehmen langfristig erst erfolgreich macht.
Was würden Sie in Rumänien so beibehalten, wie es ist?
Die Offenheit, die Herzlichkeit, die Hilfsbereitschaft, die Mentalität der Menschen und deren Zusammenhalt. Es wäre schade, wenn das verloren ginge.
Lassen sich die erwähnten Wahrnehmungsunterschiede und kulturellen Schwierigkeiten auf einen gemeinsamen Nenner bringen? Wie antwortet der Faktor Mensch im Betrieb?
Sehr wichtig sind uns möglichst wenig Fluktuation und eine gute Ausbildung unserer Mitarbeiter. In Deutschland schulen wir nicht nur unsere eigenen Angestellten, sondern beteiligen uns an Projekten wie z.B. an denjenigen der Agentur für Arbeit. Ähnlich werden wir hier zum Aufbau des vom DWK geplanten dualen Fachausbildungszentrums mit unserem Know-how und mit Unterstützung aus Deutschland beitragen. Ich glaube, dass gerade die deutschen Unternehmen, die hier investieren, verpflichtet sind, sich gute Mitarbeiter zu machen. Wir erwarten von keinem Mitarbeiter, dass er sofort alles kann, aber ich glaube, das man gemeinsam Wege findet um die Mitarbeiter bestmöglich auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Das alles sollte auch nicht schulmäßig, sondern in Form eines Dialogs gestaltet werden. Wir haben hier gelernt, dass wir sehr weit mit den Mitarbeitern kommen, wenn wir ihnen zuhören, ihre Sichtweise kennenlernen, ihnen erklären, wie wir es sehen und dann einen gemeinsamen Weg finden. Jeder unserer leitenden Mitarbeiter aus Rumänien hat einen Partner in Deutschland, der kein Vorgesetzter ist, sondern ein Kollege, mit dem Informationen ausgetauscht werden können und der jederzeit Fragen beantworten kann. Es ist schön, wenn die Mitarbeiter selbständig und verbindlich handeln.
Auf der Homepage (www.reinert.de) kann man lesen, dass bei Reinert sowohl landestypische rumänische Würste als auch Fleisch- und Wurstwaren für den osteuropäischen Markt produziert werden. Welches ist die genauere Positionierung von Reinert Rumänien in Bezug auf Export und Import? Und wie kann die Qualität der Ware auch in Krisenzeiten mithalten?
Was man dafür tut, um überhaupt eine Stelle am Markt zu bekommen, ist, dass man sich treu bleibt. Wir sind als Traditionsunternehmen dazu verpflichtet, dass die Qualität bei uns an erster Stelle steht. Wir sind bekannt für unsere Salamiprodukte; mit unseren kinderspezifischen Produkten haben wir Marktführerschaften in Deutschland, denn sie werden nach den bekanntesten und neuesten Gesundheitsstudien hergestellt. Die gleichen Qualitätsstandards gelten für die Produkte, die wir hierzulande herstellen. Wir kaufen Rohstoffe aus Deutschland und exportieren typisch rumänische traditionelle Produkte, z.B. Sibiu-Salami, nach Tschechien, Deutschland, Österreich und Ungarn. Unser Ziel ist, dass der lokale Markt 70 Prozent und der Exportmarkt 30 Prozent ausmacht. Zurzeit bauen wir bei Reinert Rumänien die Rohwurstproduktion aus – denn wir könnten mehr verkaufen, wenn wir mehr produzieren würden. Zudem ist es uns sehr wichtig, weiterhin reklamationsfrei zu bleiben.
Was könnte Rumänien Ihrer Meinung nach tun, um ein besseres Image im Ausland zu erlangen? Wäre beispielsweise mehr Export eine positive und eine realisierbare Entwicklung?
Rumänien sollte auf alle Fälle auf Export setzen, sich besser nach Außen verkaufen. Ein konkretes Beispiel: Wir würden uns freuen, wenn wir mit anderen Lebensmittelherstellern in Rumänien zusammenarbeiten könnten, um gemeinsam die landesspezifischen Produkte kulturell nach Europa zu bringen, z.B. durch eine „Rumänienwoche“ in den deutschen Supermärkten – unser Ziel schon für dieses Jahr. Wir möchten das Land „mit auf Reise“ nehmen. Wir denken auch an einen rumänischen Gemeinschaftsstand auf den internationalen Fachmessen. Es ist an der Zeit, dass Rumänien über seine Grenzen hinaus bekannt wird. Man muss nicht mehr deutsch, man muss nicht mehr rumänisch denken, sondern europäisch. Die Möglichkeiten, die sich für den Wirtschaftsfaktor Rumänien daraus ergeben sind immens.
Roland Verdev
Foto: Christine Chiriac
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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