Wirtschaftlicher Aufbau, Enteignung 1948, Privatisierung nach der Wende
02.06.23
Deutsche Unternehmer von der Nationalisierung besonderes betroffen
In kürze erfüllen sich 75 Jahre seit der Verstaatlichung aller Unternehmen, Banken, Handelseinrichtungen nach der Einführung der kommunistischen Diktatur. Es war ein besondere Schlag für alle Investoren die besonderes in den Zwischenkriegsjahren für den wirtschaftlichen Aufschwung nach der Vereinigung von 1918 in Siebenbürgen und dem Banat sorgten. Eingeleitet wurden viele dieser Schritte von deutschen Unternehmern schon vor dem Ersten Weltkrieg, um dann dem Erfolg ihrer Arbeit beraubt zu werden. Und nach der politischen Wende von 1989 folgte dann der Privatisierungsprozeß der bis dahin gewesenen staatlichen Unternehmen und die Rückgabe ehemaligen Eigentums. Es sind drei Etappen in der Geschichte des Landes die vergegenwärtigt werden sollen anläßlich dieses Willküraktes.
Der wirtschaftliche Beitrag der Sachsen war sowohl für Ungarn als auch Rumänien in den Jahren nach 1867 nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich, besonderes ausschlaggebend. Zeitweilig waren aber nach Auflösung des Königsbodens 1876 die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten für die Sachsen durch die Auflösung der Selbstverwaltung eingeschränkt. Die Dinge sollten sich aber zum Positiven ändern nach dem der zweite Sachsentag 1890 stattgefunden hat und ein Wirtschaftsprogramm angenommen wurde. Einen besonderen Beitrag dafür erbrachte Dr. Karl Wolff der betonte, daß dem Kleingewerbe der Untergang droht wenn nicht durch neue Unternehmen Einhalt den Großbetrieben geboten wird. Gefördert wurde durch das Programm die Entwicklung der Banken, der Kreditvereine,der Eisenbahn, die Modernisierung der Landwirtschaft. 1900 sah man die ersten Autos auf den Straßen in Siebenbürgen, Strom und Erdgas 1907 entdeckt, wurden zu den wichtigsten Energiequellen. Wirtschaftliche Beziehungen zu Rumänien gab es auch vor 1918, aber einen besonderen Aufschwung erlebten die die sächsischen Unternehmer und deren Betriebe erst nach der Vereinigung. Durch den Zusammenschluß von Familieninteressen konnten die ersten bedeutenden Unternehmen entstehen. Erinnert sei an die Tuchfabriken Scherg und Tellmann, der Bierbrauerei Czell in Kronstadt, an die Eisegießerei Rieger und die Tuchfabrik Scherer in Hermannstadt, die Wollweberei und Salamifabrik Auner in Mediasch, die Tuchfabriken in Schäßburg, die Strumpffabrik in Mühlbach u.a.
Nationalisierungsgesetz 119/1948
Der Umsturz vom 23. August 1944 wobei am 25. August die rumänische Regierung den Krieg Deutschland erklärte und zur Offensive überging, leitete auch die Besorgnis bei der deutschen Bevölkerung über die Zukunft ein. Repressivmaßnahmen sollten eingeführt werden, die mit der 1945 erfolgten Deportation in die ehemalige Sowjetunion eingeleitet wurden. Regelrechte Hetzkampagnen wurden von Presseorganen eingeleitet die den den neuen Machthabern zur Seite standen. Die am 6.März 1945 eingeführte Regierung unter Dr. Petru Groza war zwar demokratisch gesinnt wobei deren Premier gute Beziehungen zu Bischof Friedrich Müller hatte, gab es aber auch immer mehr Stimmen die die deutsche Bevölkerung als faschistisch bezeichnete. Es waren nur die Vorboten für die kommende weiteren repressiven Maßnahmen. Vorgesehen war auch eine Umsiedlung sächsischer und schäbischer Bauern in andere Landesteile für 1947 vorgesehen. Anderseits wurde durch die im März 1945 erfolgte Agrarreform der landwirtschaftliche Besitz wie auch Häuser enteignet. Nach Abdankung des Königs am 30. Dezember 1947, wurde zu der Nationalisierung übergegangen. Laut dem Nationalisierungsgesetz Nr. 119 vom 11. Juni 1948, beschloss dieses die Verstaatlichung aller Bodenschätze, Industrie-, Gewerbe- und Handelsunternehmen sowie der Banken, Versicherungen, des Transportwesens und der Telekommunikationen. Ziel dieses Dekretes war die Planwirtschaft in der Rumänischen Volksrepublik einzuführen die am Tag der Abdankung des Königs erklärt worden ist.
In der Zeitspanne zwischen 1945 bis zu dem Nationalisierungsgesetz wurden mehrere Maßnahmen getroffen die die Verstaatlichung vorbereiteten. Am 23. März 1945 wurde die Bodenreform durchgeführt wobei die in Eigentum befindlichen Bodenflächen in staatlichen Besitz übergegangen wurden. Eine weitere Maßnahme war die Verstaatlichung der Nationalbank des Königreiches Rumänien vom 20.November 1946. Durch ein im Juni 1947 angenommenen Gesetz wurden 14 staatliche Industrieverwaltungen gegründet. Vermittels dieser wurden sämtliche Unternehmensleitungen durch Staatsfunktionäre kontrolliert die von der Regierung unter Premier Petru Groza akzeptiert worden waren. In den darauf folgenden Monaten August bis Oktober 1947 sind dann Nationalisierungskommissionen gegründet worden die die Durchführung der Verstaatlichungen vornehmen sollten. Auf dem Parteitag der RKP vom 9. - 11. Juni 1948, stellte der Parteivorsitzende Gheorghe Gheorghiu-Dej den Delegierten den Bericht über die Nationalisierung vor. Am 11. Juni wurde der Gesetzentwurf der Nationalversammlung vorgelegt und genehmigt. Am gleichen Tag startete die Aktion morgens um sechs Uhr. Es gab schon dafür vorbereitete Listen, die Nationalisierungskommissionen hatten alle Auskünfte über die Unternehmen, Institutionen, Banken, Versicherungen die nationalisiert werden sollten. Durch das am 18. August 1948 angenommene Dekret in Folge des Gesetzes 119, bezüglich der Nationalisierung und Liquiditation aller Aktien- und Privatbanken, wurden Volksbanken in Kreditgenossenschaften umgestaltet. Die Nationalbank wurde Staatsbank. Nun gab es landesweit drei Banken: die Staatsbank, die Investitionsbank und die Staatliche Spaarkassa CEC. Durch das Gesetz 119 sind insgesamt 8.894 Unternehmen aus allen Wirtschaftsbereichen nationalisiert worden. Es begann damit auch die Verfolgung der ehemligen Eigentümer, politische Prozesse fanden statt. Auch wurde mit der Kollektivierung der Landwirtschaft begonnen die dann in festlichem Rahmen 1962 als abgeschlossen erklärt wurde. An der festlichen Veranstaltung in Bukarest nahmen 11.000 Delegierte teil, eine Zahl die der Opfer des Aufstandes von 1907 entsprechen sollte.
Planwirtschaft eingeführt
Spitzenbetriebe mit langjähriger Produktionstradition kamen somit in staatlichen Besitz. Diese sollten 41 Jahre dann ausgebaut werden um der Planwirtschaft zu dienen, andere wurden eingestellt oder umgestaltet. Arbeitskräfte wurden aus anderen Landegebieten in Industriezentren wie Kronstadt übersiedelt. Unqualifizierte Arbeiter aber auch leitende Personen der in Besitz genommenen Betriebe,haben dazu beigetragen, daß die Produkte nicht mehr der entsprechenden Qualität entsprachen, wurden an ebenfalls sozialistische Länder exportiert laut den vorgesehen Wirtschaftsbeziehungen im Rahmen der RGW. Nach der politischen Wende von 1989 wurden für einige der 1948 verstaatlichten Unternehmen Entschädigungen ausgezahlt wenn es noch Nachkommen gab, andere Betriebe sind ganz von der Erdoberfläche verschwunden. Einige dieser und deren Tradition wurden Thema historischer Forschungen Hans Konrad Schiel veröffentlichte einen zweisprachigen Band über die die Geschichte der Maschinenfabrik Brüder Schiel in Kronstadt, ein in den letzten Jahren ganz verschwundenes Unternehmen. Als Hidromecanica in die Stadtgeschichte eingegangen, ist heute nur noch der Namen der besonderes den älteren Generationen in Erinnenrung ist, da dieses völlig abgetragen worden ist, und an dessen Stelle die AFI-Mall gebaut wurde. Ausführlich hat sich mit der Geschichte der ehemaligen Tuch- und Modewarenfabriken Wilhelm Scherg A.G zu Lebzeiten die Historikerin Dr. Maja Philippi befaßt. Die Baustruktur besteht zur Zeit noch, doch die als Carpatex bekannte Stoffwarenfabrik dient zur Zeit als Sitz verschiedener Unternehmen die hier gelagert worden sind und Miete zahlen. Erinnert sei an weitere Betriebe der der Nachkriegszeit die verstaatlicht wurden: HESS Kanditen- und Schokoladefabrik, Mühlen- und Teigwarenfabrik Seewald A.G., Lederfabrik Schlandt, Portlandzementfabrik, Ziegel- und Tonwarenfabrik um nur einige aus Kronstadt zu nennen, Zeidner Betriebe wie die Holzwarenfabrik Robert Christel, Werkzeug- und Holzwarenfabrik Georg Wenzel&Brüder, Rieger oder die Druckerei Krafft&Drotleff in Hermannstadt, die Papierfabriken von Zernescht oder Busteni. Allein in den Jahren 1948 – 1960 wurden 600.000 Personen als Feinde des Sozialismus verurteilt und eingesperrt. Hinzu kommen noch rund 200.000 Zwangsdeportierte. Die 1964 vorgenommene Amnestie führte zur Befreiung zahlreicher Personen die die Haft überlebten.
Die nach der Wende vorgenommenen Privatisierungen durch die vorgenommenen Methoden haben wieder für Benachteiligung gesorgt. Personen die keine Erben ehemaligen Eigentums waren, die doch politisch aktiv wirkten und den verschiedenen Parteien angehörten, nutzten die Gelegenheit aus um als Gesellschafter aufzusteigen, Aktionäre zu werden. Einige wurde reich allein durch das Abtragen ehemaligen sozialistischer Betriebe und Absatz der Altmetalle, Verkauf von Grundstücken auf denen Unternehmen abgetragen worden sind. Es sind weitere Themen die in Zukunft zu erforschen sind.
Dieter Drotleff
Im Jahre 1923 beschäftigte die Kronstädter Scherg-Fabrik 450 Arbeiter und Angestellte und war vor der Wende 1989 der wichtigste Produzent landesweit. Foto: KR Archiv
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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