„ ...wo der Königstein schaut tief ins Tal hinein“
28.07.11
Eine neue CD mit Heimatliedern aus dem Burzenland / Von Ursula Philippi
Ist sie perfekt? Nicht ganz! Was löst dann beim Hören und Wiederhören dieser CD bei der Rezensentin solche Begeisterung aus? Dabei ist sie sonst eher misstrauisch, wenn es heißt: Heimatklänge. Zuhauf stapeln sich die Scheiben mit den bekannten und auch weniger bekannten Liedern. Seien es Singgruppen oder Chöre, Blaskapellen oder andere Ensembles, sei es sächsisch, deutsch, rumänisch oder ungarisch: es reißt einen sonst nicht vom Hocker!
Zum 800-jährigen Jubiläum des Burzenlandes präsentiert die Evangelische Honterusgemeinde Kronstadt zusammen mit der HOG-Regionalgruppe Burzenland eine Sammlung von Heimatliedern auf CD sowie ein Heft mit Liedern und Bildern zum gleichen Thema. Erhältlich sind beide Neuerscheinungen im Kassenamt Kronstadt und in der Erasmus-Buchhandlung in Hermannstadt zum Preis von je 25 Lei.
Wie fast alle Orte hat auch jedes Dorf im Burzenland sein Lied, seine eigene Hymne. Mancherorts gibt es gleich mehrere Lieder, so in Honigberg, in Zeiden, in Wolkendorf und natürlich in Kronstadt. Sozusagen in letzter Minute sind einige dieser Melodien und Texte von Steffen Schlandt gesammelt worden. Nicht überall kann man sie heute noch hören. Verse und Musik stammen von ganz verschiedenen Personen. Manches Lied entstand fern der Heimat, wohl auch in der Russlanddeportation. Pfarrer und Pfarrfrauen, Lehrer, Dichter, Komponisten, aber auch ganz unbekannte Männer und Frauen haben ihrer engeren Heimat in Wort und Klang ein Denkmal gesetzt. Gelegentlich scheinen geschichtliche Ereignisse durch, so im Lied „Bei Marienburg“, und hie und da geht es witzig zu, wie im „Rothbächerlied“. Anfang und Ende der Sammlung machen bekannte und unbekannte Burzenland-Lieder und natürlich darf das Siebenbürgenlied von Johann Lucas Hedwig auf ein Gedicht von Max Moltke nicht fehlen.
Und nun zum Grund für die Begeisterung: Es ist die völlig unbefangene Herangehensweise junger Menschen an ein nicht unbelastetes Thema. Oft genug wurden in früheren Zeiten Heimatlieder für Propagandazwecke missbraucht. Es ist noch gar nicht so lange her, da „musste“ jeder Chor einiges davon im Repertoire führen. Und wer kennt sie nicht, die nostalgischen Töne der 90-er Jahre, als Heimat verloren ging und hüben wie drüben wehmütig besungen wurde. Nun aber: ein wunderbar klingender Kronstädter Jugendbachchor, ein Klavier, verschiedene Orgelregister und gelegentlich auch dezente Schlagzeugklänge sind die Werkzeuge, mit denen Steffen Schlandt die Lieder des Burzenlandes neu präsentiert. Die einzelnen Stücke sind teils einstimmig, teils chorisch gesetzt, wobei Männer-, Frauen- und gemischter Chor sich abwechseln. Gerne hätte man erfahren, wer die Musik gesetzt hat, wenn es nicht eindeutig Schlandts geistreiche Improvisationen sind. Das ist dem sparsamen booklet aber nicht zu entnehmen. Auch zu den Text- und Liederdichtern möchte man unbedingt einiges erfahren. Dass Michael Zerbes in Honigberg langjähriger und sehr verdienter Musiklehrer war, weiß wohl heute kaum noch jemand.
Manche Chorsätze, vor allem die Frauenchöre, könnten aus der Feder von Johannes Brahms stammen, so zum Beispiel der Satz von Hans Milds „Das Dorf im Burzenland“. Romantischer Wohlklang pur präsentiert sich im „Honigberger Lied“ und lässt an Mendelssohn denken. Mit Witz und Charme kommt manches Arrangement daher, sei es das „Honigberger Loserlied“ oder das Nachspiel zum „Schirkanyer Lied“, das eigentlich ein Liebeslied ist. Den Männer- wie auch den Frauenstimmen des Jugendbachchors hört man die Lust an diesen Bearbeitungen an. Glockenrein und völlig ungekünstelt singen Larissa und Gabriela das Lied „Beim Birnbaum“ solistisch.
Wie bei fast allen Heimatliedern spielt Natur eine wichtige Rolle in den Texten. Himmel, Wolken, Berge, Wälder, ja sogar Besonderheiten wie die Schachbretttulpe werden besungen. Im Liederheft „Heimatlieder und Bilder aus dem Burzenland“ überwiegen daher auch Landschaftsmalereien und Fotos mit Burzenländer Motiven. Sie illustrieren, was in den einzelnen Strophen besungen wird. Liest man die Texte allein, so ist der Eindruck nicht selten ein zwiespältiger: so viel „traute Heimat“! Manches klingt pathetisch. „Glockenklänge“ werden stets bemüht. Umso überraschender ist das musikalische Ergebnis auf der CD: zweifellos ein ästhetischer Genuss, ein wunderbarer Chorklang, Wärme des Ausdrucks ohne falsches Pathos. Wie schaffen das diese jungen Chorleute, Städter allesamt, und nur teilweise des Deutschen mächtig?
Steffen Schlandt beweist mit diesen Aufnahmen Stilsicherheit und guten Geschmack. Und selbst wo die Interpretation einmal ins Pathetische „abgleitet“, wie am Schluss der Tartlauer Hymne, verhält es sich eher so wie mit der historisch korrekten Aufführungspraxis Alter Musik: es ist gewollt. Natürlich kann man es schade finden, dass die sächsischen Lieder nicht in der Mundart daherkommen. Nicht nur in Kronstadt sind junge Menschen, die sächsisch sprechen und singen können, eine Seltenheit geworden. Dafür entschädigt hier eine Aura der Begeisterung, ein wirkliches Dahinter-Stehen, ein Sich-Identifizieren, das dem aufmerksamen Ohr aus jedem Lied entgegenklingt.
Wann hat man das Siebenbürgen-Lied so frisch, so intensiv gehört wie auf dieser Platte, zunächst als Männer- dann als gemischten Chor? Es ist mit diesen Aufnahmen, als wurde ein Schatz wiedergefunden. Die Rezensentin kann nur empfehlen, was sie selbst ausprobierte: unterwegs sein im sommerlichen Siebenbürgen, bergauf-bergab, vorbei an alten Dörfern und stillen Wiesen, mit der CD „Heimatlieder aus dem Burzenland“ im Ohr. Darf sie es verraten? Ihr kamen die Tränen, dann wieder lachte sie. Selten haben Lieder sie in ein solches Wechselbad der Gefühle gestoßen. Heimat? Wehmut? Freude? Bei dieser Aufnahme liegt alles nahe beieinander. Alle Mitwirkenden sind herzlich zu beglückwünschen.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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