Wo essen und trinken wir?
09.12.10
Am Bahnhof
„Pi piron“ ist wohl ein lustiger Name, aber mit Sicherheit nicht für ein Restaurant geeignet, selbst wenn es am Bahnhof liegt. Dessen Betreiber hätten es besser bei „Pe peron“ (deutsch: „Am Bahngleis“) belassen und auf die schriftliche Form der moldauischen Ausspracheweise verzichten sollen. So entsteht aber eine international unschöne Wortfolge, die nicht gerade Appetit erregend ist.
Diese Gaststätte als „elegant“ zu beschreiben, wie das die Eigenwerbung in der Bahnhofshalle tut, ist so, als ob Kronstadt Hollywood sei, nur weil BRASOV am Zinnenhang zu lesen ist. Wer isst am Bahnhof? Es sind eigentlich sehr wenige die das tun, selbst wenn günstige Preise und Sonderangebote („Bestelle 4 mici und du bekommst 6!“) groß ausgeschrieben werden: Pendler, Fahrgäste die da in Verlängerung des Wartesaales die Zeit totschlagen und deren Restaurantbesuch nur einer Zugverspätung zu verdanken ist, Schüler die sich da ein Stelldichein geben. Raucher haben hier das Sagen, Nichtraucher werden in ein winziges Zimmer verbannt – eine Abstellkammer mit zwei Tischen.
Laute Musik von den Videoclips im Fernseher, keine Ablegmöglichkeiten für die Kleider und nicht entsprechend warm gehaltene Speisen sind auch keine Empfehlung für diesen Schnellimbiss dessen Stärke wohl doch in seiner ungewöhnlichen Lage bleibt – aus dem Restaurant kann man direkt auf Gleis eins treten und in den Zug einsteigen. Aber wer geht schon mit seinem Reisegepäck zum Mittagessen? Noch etwas erinnert den Kunden, dass man sich am Bahnhof befindet: ähnlich wie in vielen rumänischen Zügen, kommt auch da ein Taubstummer vorbei und breitet unaufgefordert seine Ware auf den Tisch aus. Telefonagenda, Kugelschreiber, Taschenlampe, Kaugummi, anderer Krimskrams gerät plötzlich neben Brot, Salz und Tischbesteck bis derselbe „Händler“ die Sachen einige Minuten später wieder einsammelt.
Selbst wenn an den Speisen und der reichen Getränkeauswahl nicht viel zu beanstanden wäre, so ist diese Imbissstube am Bahnhof nicht der Ort, wo man ein Abendmahl oder ein Mittagessen in Ruhe genießen kann. Wer in der Eile, zwischen zwei Zügen, etwas zu essen sucht oder seinen Durst mit einem Bier stillen will, dem dürfte „Pi piron“ gut genug sein.
Ralf Sudrigian
Der Kronstädter Hauptbahnhof.
Foto: der Verfasser
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