Zu wenig gewürdigt (II)
13.12.24
In Erinnerung an Dr. Eduard Gusbeth, Arzt, Medizinhistoriker und Kronstädter Heimatforscher, mehr als hundert Jahre nach seinem Tod.
Seine Frau Amalie Helmbold ist die Tochter des Goldarbeiters Johannes Ludwig Helmbold, welcher zuerst in Bukarest und nachher in Jassy tätig war und Karoline Resch, Tochter des Goldarbeiters Lorenz Resch aus Ravensburg. Die erste Tochter Bertha heiratet 1886 den uns gut bekannten Organisten der Schwarzen Kirche, Rudolf Lassel. Rudolf Lassel starb 1918, 57-jährig nach 33 Jahren glücklicher Ehe an einem Bronchialkatarrh wegen der eisigen Kälte in der Kirche. Gusbeth schreibt in sein Tagebuch – “Die Kirche war sein Leben, die Kirche war aber auch sein Tod.
Das Rudolf, Bertha in ihrem wahren Wesen kennen gelernt hatte, wurde unser Verhältnis zu ihm ein sehr schönes und blieb dies bis an sein Lebensende. Wie viel könnte ich von unserem lieben Rudolf noch mitteilen? Über den Einfluss, den er in musikalischer Beziehung in ganz Kronstadt und weit darüber hinaus ausübte, über die allgemeine Achtung und Liebe, die ihm von allen Seiten zuteilwurde“.
Der Ehe sind ein Mädchen und zwei Jungen entsprungen. Bertha überlebte ihn um 23 Jahre. Die zweite Tochter war Mathilde.
„12. Juni 1895, Mathilde Gusbeth, verheiratete Dr. Viktor Nussbächer, unser geliebtes, theures süßes Kind ist heute früh im 24. Lebensjahr an der furchtbarsten Form des Kindbettfiebers gestorben. Es ist der furchtbarste Schlag der uns getroffen! Die schwerste, schrecklichste Prüfung, die uns Gott auferlegt hat! Vergeblich ist aller Sträuben, ohnmächtig stehen wir diesem entsetzlichen Geschick gegenüber! Wir müssen es ertragen! Wie war es nur möglich, dass dieses blühend schöne, und allen, die es kannten geliebte Wesen uns so schnell entrissen wurde? Welch schönes Familienleben, wir Alle wurden beneidet von allen, die uns wohlwollten, zuvor als Beispiel einer glücklichen Familie erwähnt! Und jetzt wie ein Blitz aus heiterem Himmel ist der verheerende Strahl auch in unsere Mitte gefahren und hat das Glück für immer zerstört!“
Aus dieser Ehe stammen zwei vielseitig, musisch begabte Kinder, ein Mädchen Trude, verheiratete Geißler Schriftstellerin und Übersetzerin und Konrad, Lyriker und Cheflektor des Reklam-Verlages. Emma und Helene waren Zwillingsmädchen. Emma heiratet 1894 den Pfarrer Emil Sindel, Gymnasialprofessor und dann Pfarrer in Wolkendorf. Schon nach fünf Jahren Ehe zeigen sich bei Emma die ersten Symptome einer beginnenden Paranoia, an der sie später heftiger erkrankte. Die letzten 11 Jahre verbrachte sie in der Irrenanstalt in Hermannstadt wo sie in ihrem 41 Lebensjahr starb.
Die Schwester des Pfarrers Emil Sindel, Adele Sindel, verheiratet mit dem Apotheker Eugen Neustädter ist die Mutter des Dichters Erwin Neustädter. Erwin Neustädter ist auch ein bedeutender Kronstädter, der nicht die Chance hatte entsprechend gewürdigt zu werden. Helene heiratet 1893 den Sparkassabuchhalter Eduard Schmidt. Die Trauung wurde vom Bruder Heinrich in der Schwarzen Kirche vollzogen. Aus dieser Ehe stammen zwei Mädchen Editha und Magda und ein Junge, Rolf. Dieser Rolf, gefallen 1941 an der Ostfront ist der Vater des Rolf Diemar Schmidt, der Initiator der Kopieraktion von Gusbeths Tagebüchern, dieser Fundgrube von Informationen über Kronstadt und die Kronstädter aus der Zeitspanne von 1875 bis zum ersten Weltkrieg.
Es ist eine interessante Parallele zwischen Eduard Gusbeth und Gernot Nussbächer, obwohl es keine Blutsverwandtschaft gibt, beide hatten das Bedürfnis alles aufzuschreiben. Bei beiden ist natürlich auch Belangloses darunter, bei Gusbeth besonders in den ersten Jahren wo er auch das Menü seiner Tarockabende beschrieb. Je älter er wurde desto kleiner und schwerer leserlich wurde auch seine Handschrift und der Inhalt beschränkte sich auf die Beschreibung seiner Zeitgenossen, beim Todesfall. Weil er nicht beabsichtigte den Inhalt seines Tagebuches je zu veröffentlichen, konnte er recht freimütig über seine Zeitgenossen schreiben aus seiner subjektiven Sicht, so wie er sie empfunden hat. Es gilt ja die Regel “De mortuis nihil nisi bene“ was oberflächlich übersetzt heißt „Von den Toten nur gut“. So finden wir in veröffentlichten Nachrufen eigentlich immer nur Gutes über die Verstorbenen und selten die Wahrheit. Gusbeth schrieb über die Verstorbenen genau das was er von ihnen hielt.
Gusbeths letzte Eintragung in sein Tagebuch war am 20. August 1919, knappe zwei Jahre vor seinem Tod am 12. April 1921. Seine Frau Amalie, genannt liebevoll Malchen, überlebte ihn um 21 Jahre. Wie ich schon schrieb, bestand zwischen Gernot Nussbächer und Eduard Gusbeth eine Wesensverwandtschaft. Als Historiker hatte Gernot den ausgesprochenen Wunsch die Tagebücher von Gusbeth zu transkribieren und verwerten, es ist aber leider nicht dazu gekommen. Gernot ist auch 2018, genau wie Rolf Dietmar Schmidt gestorben und vieles was er noch vorhatte ist nicht mehr vollendet worden.
Paläographie, das heißt das Lesen alter Handschriften, ist eine Kunst die nicht jeder kann. Daher möchte ich meinen Dank an dieser Stelle aussprechen für die wertvolle Hilfe, seitens von Bernhard Heigl. Bis zu einer vollständigen Auswertung von Gusbeths Notizen werden noch viele Jahre vergehen.
Peter Simon
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