Apollonia-Hirscher-Preisverleihung 2009
Gemeinnütziger Aufgabe vorbildlich nachgekommen
Laudatio auf Edith Bauer, die Trägerin der Apollonia-Hirscher-Preises für das Jahr 2009/Von Wolfgang Wittstock
Meine Damen und Herren,
zum elften Mal findet heute die Verleihung des Apollonia-Hirscher-Preises statt. Bekanntlich wird dieser Preis jährlich an Personen vergeben, die sich – wie die Namenspatronin des Preises, die 1547 verstorbene Stadtrichterwitwe Apollonia Hirscher - um das sächsische Kronstadt verdient gemacht und ihren Wohnsitz in Kronstadt haben. Der Preis wird von den Heimatortsgemeinschaften Kronstadt und Bartholomae in Deutschland sowie dem Deutschen Ortsforum Kronstadt vergeben. Über den Namen des jeweiligen Preisträgers wird in einer Vorstandssitzung des Ortsforums Kronstadt in geheimer Abstimmung entschieden.
Bereits anlässlich früherer Preisverleihungen wurde festgestellt, dass es zwei Kategorien von Apollonia-Hirscher-Preisträgern gibt. In den vergangenen Jahren ist dieser Preis immer wieder Landsleuten verliehen worden, deren Leistungen, deren Wirken bereits wiederholt eine öffentliche Würdigung erfahren, über die man bereits des Öfteren in der Zeitung berichtet hatte. Andererseits gibt es aber auch eine andere Sorte von Preisträgern, Personen, die unserer Gemeinschaft verantwortungsbewusst gedient haben, ohne dass davon in der Öffentlichkeit viel Aufhebens gemacht worden wäre. Zu dieser Kategorie zählt zweifellos auch unsere heutige Preisträgerin, Frau Edith Bauer. Man darf wohl, ohne einen Fehler zu machen, die Behauptung wagen, dass weder Frau Bauer, noch die Institution, die sie mehr als zehn Jahre lang zur allgemeinen Zufriedenheit geleitet hat, von unserer deutschsprachigen Presse verwöhnt wurden, in dem Sinne, das über sie allzu oft geschrieben worden wäre. Und darüber, dass diese Institution – gemeint ist das Pflegeheim im ev. Pfarrhaus im Stadtviertel Blumenau – im Herbst des Jahres 2008 definitiv geschlossen wurde, ist in unserer „weltlichen“ Presse (ADZ, KR) meines Wissens nie berichtet worden.
Die heutige Preisverleihung ist m.E. ein guter Anlass, kurz an zeitgeschichtliche Vorgänge zu erinnern, die sich in unserer Gemeinschaft in den 90er Jahren abgespielt haben. Bekanntlich wurden im Jahr 1994 die großen Altenheime „Adam Müller-Guttenbrunn“ in Temeswar und „Dr. Carl Wolff“ in Hermannstadt eröffnet. Finanziert wurden diese Prestigeobjekte aus bundesdeutschen, der deutschen Minderheit in Rumänien zugedachten Mitteln. Ursprünglich war vorgesehen, dass auch Kronstadt ein großes Altenheim erhalten wird, für das ebenfalls bundesdeutsche Gelder der öffentlichen Hand bereitgestellt werden sollten. Die Verwirklichung dieses Projektes wurde jedoch immer wieder verschoben, und schließlich musste darauf – aus Gründen, die uns hier nicht interessieren – zur Gänze verzichtet werden. Die Kronstädter ließen allerdings nicht locker und schafften es schließlich, in eigener Regie und mit der substantiellen Unterstützung von Spendern und Freundeskreisen (vor allem aus Deutschland), im früheren Altfrauenheim der Evangelischen Stadtpfarrgemeinde A.B. (Honterusgemeinde), ebenfalls in der Blumenau gelegen, ein Altenheim einzurichten, das heute eine mustergültig funktionierende soziale Einrichtung ist. Im September des Jahres 2002 konnten hier die ersten Seniorinnen und Senioren einziehen.
In den mittneunziger Jahren aber, als noch davon geträumt wurde, dass das deutsche Bundesministerium des Innern (BMI) den Kronstädtern das ersehnte Altenheim finanzieren wird, wurde, quasi als Übergangslösung, mit bundesdeutschen Mitteln über das Diakonische Werk im Blumenauer ev. Pfarrhaus ein kleines Alten- und Pflegeheim für besonders dringliche Fälle eingerichtet. Dieses Pflegeheim wurde im Mai 1995 seiner Bestimmung übergeben. In vier Zimmern bot es Platz für zwölf Personen (nur Frauen). Außerdem gab es einen Aufenthaltsraum, in dem für die nicht ans Bett gebundenen Bewohner gemeinschaftliche Veranstaltungen (Andachten, Geburtstagsfeiern usw.) stattfanden. Das Pflegeheim war zeitweilig, bis zur Eröffnung des benachbarten Altenheims, auch für das „Essen auf Rädern“ zuständig, das an rund 30 Abnehmer ausgefahren wurde.
Der Betrieb des Pflegeheims im Blumenauer Pfarrhaus wurde nicht ausschließlich, aber hauptsächlich aus BMI-Mitteln für die rumäniendeutsche Minderheit finanziert. Im Jahr 2006 wurde im Auftrag des BMI ein Gutachten erstellt, mit dem eindeutigen Zweck, Ausgaben zu rationalisieren, d.h. zu reduzieren. Das Gutachten empfahl – ich zitiere aus dem Jahresbericht 2008 über die Lage und Arbeit im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, veröffentlicht in der „Landeskirchlichen Information“ (LKI) Nr. 13/15. Juli 2009 – „die Überführung der bisherigen 12 Plätze in die Trägerschaft des in der Nähe gelegenen Altenheims“. Damit war das Schicksal des Pflegeheims im Blumenauer Pfarrhaus besiegelt. Es wurden nun keine neuen Pflegefälle mehr aufgenommen, und die letzten drei Bewohnerinnen des Pflegeheims wurden im September 2008 dem Altenheim Blumenau übergeben. Inzwischen hat die Honterusgemeinde als Eigentümer das Blumenauer Pfarrhaus aus der Verwaltung des Diakonischen Werkes wieder übernommen. Hier wird nun – wie im Heft 12 der „Lebensräume“ zu lesen war – ein Ort für das „betreute Wohnen“ von acht Personen hergerichtet.
Zur ersten Leiterin des kleinen Alten- und Pflegeheimes im Blumenauer Pfarrhaus war, als es im Mai 1995 eröffnet wurde, die Ärztin Dr. Andrea Hampel-Binder berufen worden. Wenige Monate später übernahm Edith Bauer, damals bereits Rentnerin, die Buchhaltung der Einrichtung. Als Frau Dr. Hampel-Binder zwei Jahre später, 1997, einen Mutterschaftsurlaub antrat, übernahm Edith Bauer auch die Leitung des Pflegeheimes, die sie bis zu dessen Auflösung gewissenhaft und verantwortungsbewusst ausüben sollte. Über diese Zeit stehen in einer autobiographischen Notiz folgende Sätze:
„Meine Aufgabe (…) bestand darin, den zwölf alten, meist alleinstehenden pflegebedürftigen Frauen, die ihre letzten Jahre im Heim fernab von ihren Familien verbrachten, einen angenehmen Lebensabend zu sichern. Dazu gehörten neben der täglichen Pflege und Betreuung auch die tägliche Zuwendung und Gespräche mit den Frauen. Ich organisierte auch ihre Geburtstagsfeiern, Besuche von Familienangehörigen und kirchliche Feste. Auch für die Sicherung der ärztlichen Betreuung und die Organisation der Beerdigung in Kronstadt oder anderen Städten war ich zuständig.
Darüber hinaus habe ich die Buchführung für das Heim weitergemacht, war zuständig für die Anschaffungen von Lebensmitteln und Pflegematerial sowie die jährlichen Rechenschaftsberichte über die Verwaltung des Heims an den rumänischen Staat und an das Diakonische Werk in Deutschland.“
In den mehr als 13 Jahren, in denen das Pflegeheim im Blumenauer Pfarrhaus funktionierte, sind hier mehr als 60 Frauen in behüteten, menschenwürdigen Verhältnissen verstorben. Einmal wurde aber auch, in Anwesenheit auch des Bürgermeisters, ein 100. Geburtstag, jener von Frl. Amalie Moser, gefeiert. Rückblickend kann gesagt werden, dass dieses Pflegeheim eine wichtige und notwendige soziale Einrichtung unserer Kronstädter sächsischen Gemeinschaft gewesen ist, und man darf nur hoffen, dass sich für die nicht zu vermeidenden Pflegefälle in unseren Familien, in unserem Bekanntenkreis auch heutzutage eine derart gute, professionelle Betreuung sichern lässt, wie das eindeutig im Pflegeheim im Blumenauer Pfarrhaus – auch ganz besonders dank des Einsatzes und der Tüchtigkeit von Frau Edith Bauer – der Fall gewesen ist.
Nachzutragen bleiben nun noch etliche biographische Anhaltspunkte, die Voraussetzungen dafür, dass Frau Edith Bauer in den Dienst an unserer Gemeinschaft eingebunden werden konnte und dieser gemeinnützigen Aufgabe in vorbildlicher Weise nachgekommen ist. Edith Bauer wurde am 4. August 1939 in Kronstadt als einziges Kind von Irene und Hermann Göllner geboren. Der Vater, kaufmännischer Angestellter bei der Eisenwarenhandlung (Eisenhof) Thomas, Scheeser & Galtz, wurde im Januar 1945 nach Russland deportiert. Aus diesem Grund wurde Edith Göllner, nach Besuch des deutschen Kindergartens, in die ungarische Grundschule eingeschult. Ab der 5. Klasse besuchte sie die Allgemeinschule Nr. 23 mit deutscher Unterrichtssprache auf dem Kirchhof und danach das Honteruslyzeum, das damals „Liceul Mixt German“ hieß, bis zum Abitur im Jahr 1955. Anschließend wurde sie zur Buchhalterin ausgebildet. Ab 1956 und bis zum Rentenantritt 1994 arbeitete sie beim städtischen Wohnungsverwaltungsunternehmen, das seinen Namen im Laufe der Jahre mehrmals änderte (I.L.L., I.C.R.A.L., R.I.A.L.)
Im Jahr 1966 heiratete Edith Göllner den drei Jahre älteren Fernsehtechniker Georg Bauer, der in den Jahren 1990-2005, bis zu seinem vorzeitigen Tod, Geschäftsführer unseres Kronstädter Kreisforums war und der sich als solcher mit unserem Forum in ebenso engagierter Weise identifizierte, wie das unsere Preisträgerin mit dem von ihr geleiteten Pflegeheim getan hat. Der unverwüstliche Humor unseres langjährigen Geschäftsführers ist vielen von uns noch in lebhafter Erinnerung, obwohl ihm das Leben – daran sei hier erinnert – schwere Prüfungen nicht erspart hat: Als junger Medizinstudent in Neumarkt/Tg. Mureş wurde er im Jahr 1956 aus politischen Gründen verhaftet und musste sechs Jahre im Gefängnis verbringen.
Dem Ehepaar Georg und Edith Bauer wurden zwei Töchter geschenkt: Gabriele hat nach Deutschland geheiratet und ist Mutter zweier Kinder, Eva lebt als Kindergärtnerin in Kronstadt.
Als ich Frau Edith Bauer vor etwa zwei Wochen besuchte, um mich für diese Laudatio zu dokumentieren, sagte sie mir zum Abschied sinngemäß: Ich wünsche mir, gesund zu bleiben, und dass die Rente nicht ausbleibt. Am darauffolgenden Tag verkündete der Staatspräsident die drastische Kürzung der Gehälter der Staatsbediensteten sowie aller Renten. Das soll uns aber nicht davon abhalten, heute Frau Edith Bauer von Herzen für ihr langjähriges gemeinnütziges Wirken zu danken und ihr viele Lebensjahre in Gesundheit sowie als glückliche Großmama viel Freude an ihren Kindern und den Enkelkindern, den vorhandenen und den kommenden, zu wünschen. Und selbstverständlich auch weiterhin die stets pünktliche Überweisung der nach Möglichkeit ungekürzten Rente!
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